Innsbruck Informiert

Jg.2018

/ Nr.5

- S.58

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Stadtgeschichte

Gemeinderatswahlen
in Innsbruck 1900 bis 1918
Das 1874 verabschiedete und bis zum Ende des Ersten Weltkriegs geltende
Innsbrucker Stadtrecht legte die Rechte und Pflichten der Gemeinde fest und
bestimmte die Grundsätze, nach denen sich der Gemeinderat zusammensetzte.
von Dr.in Sabine Pitscheider (Wissenschaftsbüro Innsbruck e. V.)

N

ach der Vorgabe des Reichsgemeindegesetzes war eine Wahlordnung „mit gebührender
Rücksichtnahme auf die Sicherung der
Interessen der höher Besteuerten“ zu gestalten. Wie heute auch waren direkte
Steuern (Lohn- und Einkommensteuer,
Grundsteuer usw.) und indirekte (heute
vor allem Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
Alle Stadtrechte der Zeit berücksichtig-

Wohnungsräumung
schnell und günstig
(incl. Warenverrechnung
und Entrümpelung)

ten in ihren Wahlordnungen nur die direkten Steuerzahler und schlossen damit
die Mehrheit der Bevölkerung von Mitbestimmung auf kommunaler Ebene aus.

Wer wählte
Das aktive Wahlrecht wahrnehmen durften daher vereinfacht dargestellt: männliche Gemeindemitglieder und Beamte
mit direkter Steuerleistung in einer bestimmten Höhe, Militärangehörige, Priester, Doktoren und Lehrpersonen. Weiters wählten Vereine und Firmen mit
Sitz in Innsbruck und direkter Steuerleistung, vertreten durch den Direktor oder
Obmann. Explizit ausgenommen vom
Wahlrecht waren neben Vorbestraften
Menschen, die Mittel aus der Armenversorgung bezogen, oder die zum Gesinde
gehörten, sich also als Dienstboten oder
Taglöhner verdingen mussten, und Gehilfen in einem Gewerbetrieb. Die Innsbrucker Wahlordnung stellte zum einen
auf die vermögendere Bevölkerung, zum
anderen auf Honoratioren bzw. gesellschaftlich als wichtig erachtete Gruppen,
wie Priester, Doktoren oder Offiziere, die
allein aufgrund ihres Berufes oder Standes in den Genuss des Privilegs kamen.

Aufteilung in drei Gruppen

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INNSBRUCK INFORMIERT

Im Wählerverzeichnis listete die Stadt
alle Personen mit direkter Steuerleistung
auf und teilte sie in drei Gruppen. Im ersten Wahlkörper, dem kleinsten, befanden
sich vermögende Innsbrucker und große
Firmen wie Banken oder Klöster; im zweiten vor allem Kaufleute, höhere Beamte

und Universitätsprofessoren; im dritten
kleinere Beamte und Gewerbetreibende.
In Summe durften etwa 10 Prozent der
Innsbrucker Bevölkerung wählen.
Jeder Wahlkörper wählte ein Drittel des
aus 36 Mitgliedern bestehenden Gemeinderates, sodass der kleinste, der
erste, gleich viel Mandate besetzen durfte wie der größte, der dritte. Die Funktionsperiode des Gemeinderates dauerte
drei Jahre, wobei sich jährlich im Frühjahr ein Drittel der Mandatare, also zwölf
(vier aus jeder Kurie), einer Ergänzungswahl unterziehen musste. Bei den Ergänzungswahlen, die für jeden Wahlkörper
an einem eigenen Tag stattfanden, wählte jeder Wahlkörper die vier Mandatare
seiner Kurie.
In der Regel bestimmten die Mitglieder
politischer Vereine Tage vor der Wahl in
einer öffentlichen Versammlung ihre
Kandidaten, wobei sich weltanschaulich
verwandte Gruppen zusammenschlossen. Der Deutsche Volksverein und der
Verein der Deutschnationalen in Tirol
kürten Männer deutsch-freiheitlicher
Richtung, die Konservativen bildeten zusammen mit den Christlich-Sozialen eine
Wahlgemeinschaft, während die Sozialdemokratische Arbeiterpartei alleine ihre
Kandidaten aufstellte.
Das Wahlrecht begünstigte die DeutschFreiheitlichen, die von 1900 bis zur letzten Gemeinderatswahl vor dem Krieg
alle Mandate einnahmen und den Bürgermeister stellten. Gegen diese gesetzlich vorgegebene Mehrheit einer Partei
richteten sich die Sozialdemokratie und