Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1951

/ Nr.1

- S.2

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Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck

Nummer

minarfriedens zwischen Österreich und Preußen erlebte, eines Friedens, der den ersten Axthieb zur Zerstörung der österreichisch-ungarischen Monarchie niedersausen ließ. I n demselben
Jahre, als das Orama von Mauerling die Monarchie in ihren Grundfesten erschütterte,
wandte sich Or. Renner, jung von der Universität gekommen, der sozialdemokratischen Partei
zu, gleichsam die kommenden Oinge vorwegnehmend, die den Untergang einer 700 Jahre
alten Ounastie und den Aufstieg einer damals noch vollkommen machtlosen, aber mit Riesenschritten aufstrebenden sozialen Bewegung in den kommenden Jahrzehnten zwar nickt
voraussehen und berechnen, aber ahnen ließ. Die Tätigkeit Or. Renners war keineswegs
darauf gerichtet, den neuen Ideen durch Zertrümmerung der damaligen Monarchie zum
Ourchbruch Zu verhelfen, im Gegenteil, er war bestrebt und hat es in einer Reihe von
Schriften, die er unter dem Pseudonym Rudolf Springer erscheinen ließ, bewiesen, daß er
bemüht war, eine Sunthese zwischen den alten Institutionen und den neu auftauchenden
Ideen und sozialen Verhältnissen zu finden. Auf dieser Mäßigung, die nur Vernunft und
Recht, nicht aber Gewalt und Umsturz zum Ziele hatte, beruht auch die eigenartige Oramatik, die über dem politischen Schicksal Or. Renners ruht. Sie spiegelt das Orama Österreich wider. Zweimal wurde er nach einem unerhörten Zusammenbruch dazu berufen, am
Neuaufbau aus Schutt und Ruinen, an denen er unschuldig war, das Ruder zu ergreifen,
beidemale unter demütigenden Umständen. Oas erstemal im Jahre 1Y18 wurde die Fricdensdelegation unter Führung Or. Renners hinter Stacheldraht verwahrt, sie durften nicht als
freie Männer, sondern als Gefangene mit den Siegermächten verkehren. Oas zweitcmal
bestand die Oemütigung darin, daß Österreich von vier Mächten besetzt wurde, deren endlicher Beseitigung der letzte Appell des großen Toten gewidmet ist, ein Appell, der um so
eindringlicher klingt, als seine Stimme erst dann an unser Ohr klang, als der Mund schon
für immer geschlossen war.
Oaß Or. Renner Mitglied einer politischen Partei war und in deren Zielen die Verwirklichung seiner Ideale sah, ist selbstverständlich wie für jeden Menschen, der sich am allgemeinen Wohl und Wehe des Staates beteiligt, die Zugehörigkeit zu einer Partei selbstverständlich ist. Ooch ist Or. Renner längst über den Parteipolitiker zum Staatsmann und
österreichischen Patrioten hinausgewachsen, er ist für uns alle, gleichgültig welcher Richtung
wir angehören, beispielgebend. Noch wenige Tage vor seinem Code, und zwar anläßlich
seiner Geburtstagsfeier im Nationalrat, prägte er das politische Ergebnis seines langen,
erfahrungsreichen und verdienstvollen Gebens in folgende Worte: „Es ist nicht nur unvermeidlich, sondern heilsam, daß in allen wichtigen Fragen Parteien sich scheiden, von denen
jede zunächst zu ihren Auffassungen und Interessen steht. Oies ist indessen nur die Hälfte
ihres Auftrages. Zugleich sind sie zusammen berufen, damit aus den widerstreitenden Aufsagungen das nach menschlichem Ermessen Richtige gefunden und zur gemeinsamen Tat
wird. Oies ist die Zweite, die wichtigere Hälfte ihres Auftrages. Niemals vermesse sich das,
was Partei, also Teil ist, zugleich das Ganze Zu spielen und über alles andere diktatorisch
hinwegzuschreiten."
So wie Or. Renner in den nationalen Streitigkeiten der alten Monarchie, so suchte
er auch in den sozialen wirren der zweiten Republik immer eine Sunthese zu finden. Nie
war er ein Prophet der Macht und der Gewalt,- auch darin war sein ^eben und Streben
ein Sumbol Österreichs, wie dieses unbcdankt und unbelohnt, manchmal sogar von seinen
eigenen Freunden verkannt, aber nie ließ er sich von seiner Überzeugung, daß zum Schluß
das Recht und nicht die Macht siegen werde, abbringen.
Nun wird er von ganz Österreich zu Grabe geleitet. Ooch sogar noch in seinem Code
vermag Or. Renner uns und unserem vatcrlande Trost zu geben, wenige Tage vor seiner
letzten Erkrankung feierte nicht nur Österreich, sondern die ganze Welt seinen 30. Grdurtstag. Er starb, wie noch kein Staatsoberhaupt in Österreich, in den Sielen, mitten in