Stadtnachrichten

Jg.1992

/ Nr.6

- S.11

Suchen und Blättern in knapp 900 Ausgaben und 25.000 Seiten.





vorhergehende ||| nächste Seite im Heft

Zur letzten Suche
Diese Ausgabe – 1992_Innsbrucker_Stadtnachrichten_06
Ausgaben dieses Jahres – 1992
Jahresauswahl aller Ausgaben

Dieses Bild anzeigen/herunterladen
Gesamter Text dieser Seite:
Ein wertvolles Gut der Innsbrucker Bürger:

DASAHRNTAL
Nicht vermehrbare Ressourcen verpflichten zu besonders verantwortungsvoller Nutzung. Das gilt auch für das Ahrntal,
in dem die Stadt Innsbruck seit genau 15 Jahren den Müll ihrer Bürger lagert. Es gibt kein zweites "Ahrntal" in unserer Gemeinde,
deshalb müssen wir alle Anstrengungen zur Müllvermeidung und Mülltrennung verstärken, aber auch
das vorhandene Deponievolumen bestmöglich schonen. Auch vor der Begehrlichkeit des Landes - und anderer Bezirke,
die selbst nicht rechtzeitig Vorsorge trafen für ihren Abfall ...

(Eiz) Das Polit-Hick-Hack um das Ahrntal
in jüngerer Zeit, mit falschen Schuldzuweisungen des Landes an die Stadt, ist
noch lebhaft in Erinnerung und soll hier
nicht wieder "aufgewärmt" werden. Zur
Information der Bürger seien die Fakten
dokumentiert:
Die Stadt Innsbruck kam den Gemeinden
der Bezirke Schwaz und eines Teils von
Innsbruck-Land in ihrer (selbstverschuldeten) Bedrängnis großzügig entgegen: Sie
gestattete, daß diese Gemeinden in den
nächsten zwei Jahren, bis die angestrebte
Bezirke-Deponie "Graslboden" in Schönberg aufnahmebereit sein soll, vorerst
70.000 Kubikmeter Müll ins Ahrntal liefern. Selbstverständlich mit dem Recht,
dann die gleiche Menge Stadt-Müll am
"Graslboden" zu deponieren.
Das Land hat sich bei der Bezirks-Müllmenge jedoch arg verschätzt, was nicht
zuletzt auch den Praktiken der Firma Derfeser angelastet wird, die neben dem
Ahrntal auch die Rotteanlage in Pill betreibt. Schon nach kurzer Zeit mußte die
Menge von 70.000 Kubikmeter um weitere 100.000 cbm erhöht werden, was der Innsbrucker Gemeinderat nur mehr mit
hauchdünner Mehrheit genehmigte.

Gegenwärtig liefern 76 Tiroler Gemeinden
zusätzlich zu Innsbruck ihre Abfälle ins
Ahrntal: Zu den rund 60.000 Jahrestonnen
der Landeshauptstadt kommt die dreifache
Menge "fremden" Mülls. Das Ahrntal füllt
sich rascher, als Innsbruck lieb sein kann.
Innsbruck darf zwar nach Eröffnung der
Deponie "Graslboden" die gleiche Menge
Abfall dorthin liefern - doch noch gibt es
diese Deponie erst auf dem Papier; noch
stehen Genehmigungen aus...
Seit halb verrottete Müllballen aus Pill im
Ahrntal deponiert werden, schlagen Bewohner von Vili und Igls Alarm über unzumutbare Geruchsbelästigung. Das war
vor vielen Jahren schon einmal der Fall,
worauf die Stadt 1980 im Ahrntal das entstehende Faulgas drainagierte und es seither abfackelt. Es war die erste "Zwangsentgasung" in Österreich! Die Klagen
verstummten - bis jüngst die "Piller Ballen" angeliefert wurden.
"Die Ballen stinken in Pill nicht - warum
sollten sie das im Ahrntal tun?", versuchte
Umwelt-Landesrat Dr. Lugger öffentlich
zu kontern. Er war nicht im Ahrntal: Der
Piller Müll, der nicht sofort abgedeckt
werden kann, stinkt im Vergleich zu dem
aus Innsbruck angelieferten (der umge-

Lokalaugenschein im Ahrntal: Ein "offener" Müllballen aus Pill (links), durchnäßt und arg stinkend. Links Umwelt-StR. Dr. Josef Rettenmoser, 3. v. I. Bgm.-Stv. Rudolf Krebs, rechts Dipl.-Ing.
Franz Schmidt, Leiter des Amtes für Stadtentwässerung und Müllbeseitigung,
daneben
"TT"-Redakteur Markus Salier.
(Foto: Eizinger)

12

STADTNACHRICHTEN - JUNI 1992

hend abgedeckt wird) bestialisch, stellten
auch Journalisten beim Lokal"nasen"schein fest.
Die Ursache war bald gefunden: Die Betreiberfirma besprüht die Müllballen mit
hochbelasteten Müll-Sickerwässern, die in
Nößlach anfallen. Als die Stadt ihr das im
Ahrntal untersagte, tat sie es in Pill und
lieferte die so belasteten Ballen nach Innsbruck. Die Ausrede Derfesers, das Giftwasser "verdunste", ehe die Ballen ins
Ahrntal kommen, ist mehr als kläglich:
Wasser verdunstet, die Giftstoffe bleiben
im Müll. Innsbruck hat Anzeige erstattet.
Die Stadt zieht aus diesen (und anderen)
Vorkommnissen die Konsequenzen, sie
löst den Vertrag mit der Firma Derfeser
zum Jahresende und betreibt dann selbst
die Deponie. Bgm.-Stv. Rudolf Krebs, politisch dafür verantwortlich: "Wir haben
den begründeten Verdacht, daß in die Piller Ballen alle möglichen Stoffe eingebracht werden." Dem nachdrücklichen
Verlangen der Stadt, das Land Tirol möge
dies in Pill kontrollieren, ist LR. Lugger
nicht nachgekommen.
Die Deponie Ahrntal wird gemäß allen
geltenden Bescheiden und Auflagen betrieben. Daß vor 25 Jahren der "Stand der
Technik" ein anderer war als heute, daß
deshalb der Betrieb ständig modifiziert
werden muß, ist selbstverständlich. Eine
"Altlast", wie Landesrat Dr. Lugger vorwurfsvoll betont, ist das Ahrntal so sehr
und so wenig wie jede vergleichbare AltDeponie in Osterreich. Die Sickerwässer
werden erfaßt und im Kreislauf geführt eine Grundwasserbelastung durch sie ist
zu vernachlässigen, bestätigen Gutachten.
Also, was sollen die Angriffe gegen die
Stadt?
"Das Land hat nicht die Absicht, das
Ahrntal zu enteignen", betont LR. Dr.
Lugger. Das braucht es formell auch gar
nicht. Eine Verordnung, die bestimmt, daß
zahlreiche "fremde" Gemeinden ihren
Müll ins Ahrntal liefern dürfen, kommt
der "Enteignung" von Deponievolumen
gleich.
Dagegen wird sich Innsbruck mit allen
verfügbaren Mitteln zur Wehr setzen.
Denn die Stadt besitzt kein zweites Ahrntal.