Stadtnachrichten

Jg.1992

/ Nr.5

- S.8

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DER
ACHENSEE

Die Wissenschaft stand
gehörig
"daneben"...
"Verschenkt Innsbruck den Achensee?",
fragt unterstellend ein "Diskussionspapier", für dessen energiewirtschaftlichen
Teil samt polit-ökonomischen Überlegungen Dr. HansJürg Humer, Dozent
am Institut für Wirtschaftstheorie und
politik der Universität Innsbruck, verantwortlich zeichnet. In den Medien
schlugen die Thesen im März d. J. hohe
Wellen; den Verantwortlichen der Stadt
wurde vorgeworfen, sie wollten das
Kraftwerk weit unter dem Wert veräußern, sie würden sich von der Tiwag
"übertölpeln" lassen. Die Stadt sollte
das Kraftwerk behalten und selbst
betreiben.

Erbe der Väter - zu unserem Nutzen
und zur Verpflichtung
Der Achensee soll bald wieder
Innsbruck gehören: Eine Vertragsklausel
aus dem Jahre 1924, die heuer wirksam
wird, macht dies möglich. Das Heimfallsrecht
an dem bald 70 Jahre alten Achenseekraftwerk hingegen sollte sich Innsbruck
bestmöglich ablösen lassen, denn dies
bringt der Stadt entscheidend größere Vorteile
als der Eigenbetrieb: Zu diesem Ergebnis
kommen edle damit befaßten Gutachter.
Der Achensee (gesehen vom "Bärenkopf") soll »t
(Eiz) Innsbrucks Stadtväter handelten
weitsichtig: Im Jahre 1919 erwarben sie
vom Stift riecht den Achensee. 1924
gründeten sie gemeinsam mit einer Bankengruppe die Tiwag - vorrangig mit
dem Ziel, das Achenseekraftwerk zu
bauen. Der Gründungsvertrag vom 31.
M ä r z 1924 legt fest: 60 J a h r e nach
Beginn der Stromlieferungen fallen See
und Kraftwerk unentgeltlich an die
Stadt zurück (die Tiwag darf die Anlagen allerdings noch fünf Jahre weiter
betreiben). Das W e r k ging a m 1. 10.
1927 in Betrieb. Stichtag für das "Heimfallsrecht" ist somit d e r 1. O k t o b e r
1992.
Der Stadtsenat bestellte schon im Jänner
1984 ein "Verhandlungskomitee Heimfallsrecht Achensee" (Vorsitz: Alt-StR.
Dr. Knoll). Es nahm die Gespräche mit der
Tiwag mit dem Ziel auf, das Heimfallsrecht für Innsbruck optimal zu nutzen. In
der laufenden Funktionsperiode des
Gemeinderates übernahm am 25. 10. 1989
Finanz-Stadtrat Dr. Bruno Wallnöfer den
Vorsitz dieses Komitees. Weitere Mitglie-

der: Bgm.-Stv. DVw. Michael Passer,
Bgm.-Stv. Rudolf Krebs, die Stadträte Ing.
Gerhart Greil, Dr. Harald Hummel, Dipl.Ing. Eugen Sprenger, dazu leitende Beamte.
Doch die Verhandlungen mit der Tiwag
spießten sich: Die Landesgesellschaft
argumentierte, das Kraftwerk sei für
die Landesversorgung unverzichtbar;
überdies sei das Heimfallsrecht durch
das 2. Verstaatlichungsgesetz entweder
erloschen oder könne noch immer verstaatlicht werden;
man wolle es
diesbezüglich auf einen Rechtsstreit
ankommen lassen.
Zur Klärung der Sach- und Rechtslage
(und des Prozeß-Risikos!) holte die Stadt
eine Reihe von Gutachten ein - Gewißheit
jedoch brächte nur ein langwieriger, teurer
Prozeß!
Bis zur Jahresmitte 1991 bot die Tiwag als
Ablöse für den Heimfall des Kraftwerks
650 Millionen Schilling an (so hatte es ein
renommierter Gutachter bewertet). Den
Stadt-Verhandlern war dies aber deutlich
zu wenig, weshalb der Vorsitzende des

Komitees, StR. Dr. Wallnöfer, bei der
Verbundgesellschaft ein "Konkurrenzangebot" erwirkte: Sie bot 980 Millionen
Schilling auf Preisbasis 1. 10. 1992 (allerdings befristet bis 30. 6. 1992).
Am 11. 11. 1991 erhöhte die Tiwag ihr
Anbot auf diese Summe. Der TiwagAufsichtsrat beschloß zudem, der Stadt
das Eigentum am Achensee selbst (Seeparzellen) zurückzuübertragen.
Das Verhandlungskomitee rät dazu, bei
zwei gleich hohen Angeboten jenem der
Tiwag den Vorzug zu geben, auch im Hinblick auf die Vermeidung eines langwierigen, teuren Rechtsstreits mit ungewissem
Ausgang: Mit der Tiwag ist unmittelbar
eine vertragliche Regelung möglich;
würde man dem Angebot der Verbundgesellschaft nähertreten, müßte erst mit der
Tiwag prozessiert werden.
Zumindest theoretisch ist bis Ende 1995
eine Verstaatlichung noch möglich, was
diesen Weg zusätzlich riskant erscheinen
läßt.
Ein solches Wagnis dürfte man nur eingehen, wenn eine entscheidend höhere Ablö-

1er Innsbruck gehören; das Kraftwerk soll der Stadt optimalen Nutzen bringen. (Foto: Eizinger)
sesumme oder ein anderer für die Stadt
großer und sicherer Vorteil erzielt werden
könnte. Die Verbundgesellschaft erklärte
am 30. 3. 1992, ihr Angebot nicht zu
erhöhen.
Am 8. April, kurz bevor der Stadtsenat
das Verhandlungsergebnis über das
"Heimfallsrecht Achensee " für den
Gemeinderat am 30. April vorzuberaten begann, erreichte Bürgermeister
R o m u a l d Niescher p e r Telefax die
Erklärung der Bundesbahndirektion
Innsbruck, die ÖBB seien gleichfalls
daran interessiert, mit der Stadt "über
eine Veräußerung des Achenseekraftwerkes" zu verhandeln.
Weil dieses Interesse nun seriös zu prüfen
ist, mußte die Gemeinderatsvorlage vorerst zurückgestellt werden.
Warum führt die Stadt das Kraftwerk
nicht selbst im Eigenbetrieb?
Das wäre nur möglich, wenn sie im (teuren, langwierigen, riskanten) Prozeß gegen
die Tiwag obsiegt. Doch würde selbst
dann Innsbruck nicht stromautark werden,
sondern nur den derzeitigen Fremdstrom-

bezug von der Tiwag (ca. 426 Gwh) halbieren: Das Achensee-Werk liefert rd. 220
Gwh. Die Stadt müßte teure Bereithaitungsverträge über Ersatzstromlieferungen
bei Werksausfall abschließen. Die Eigenerzeugung wäre voll ertragssteuerpflichtig
(Körperschafts-, Gewerbesteuer), was
diese Art der Nutzung für die Stadt finanziell unattraktiv macht, wie alle eingeholten Fachgutachten belegen.
Nimmt die Stadt Innsbruck das TiwagAngebot an, erhält sie für die Ablöse
des Heimfallsrechtes am AchenseeKraftwerk einen Betrag von insgesamt
einer Milliarde 146 Millionen Schilling.
Sie kann diese Summe im Rahmen ihres
Budgets so geschickt einsetzen, d a ß
damit bis zum Jahre 2007 ein Nutzen
für die Bevölkerung im Ausmaß von
dreieinhalb Milliarden Schilling erzielt
werden kann, ergibt die Berechnung
des Leiters der Finanzabteilung, SR.
Dr. Elmar Schmid.
Szenario: Man verwertet 15 Jahresraten je
zur Hälfte zur Schuldentilgung und zur
Stärkung der Investitionsquote. Der Schul-

STADTNACHRICHTEN - MAI 1992

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STADTNACHRICHTEN - MAI 1992

Auf einer Pressekonferenz am 3. April
zerpflückte Finanz-Stadtrat Dr. Bruno
Wallnöfer die Überlegungen anhand
gewichtiger Gutachten nach Strich und
Faden und bezeichnete das Diskussionspapier "eine Ansammlung in sich mehrfach widersprüchlicher, einander ausschließender Hypothesen". Das Kraftwerk selbst zu betreiben, rechnen die
Gutachter vor, wäre für die Stadt finanziell die nachteiligste Lösung.
Die fachliche Kompetenz der Arbeit
illustriert ein peinlicher Rechenfehler
(Methodenfehler!) über rund 700 Millionen Schilling.

denabbau erlaubt es, Zinskosten zu vermeiden und laufend freie Mittel im
Ordentlichen Haushalt zu erwirtschaften. *
Innsbruck hat heute 2.024,000.000 Schilling Bankschulden. Nach dem Szenario
der Finanzabteilung könnte dieser Schuldenstand im Jahre 2007 - also nach Auslaufen der Teilzahlungsvereinbarungen auf 1.118,000.000 S nahezu halbiert sein.
Innsbruck könnte schon in den kommenden Jahren deutlich mehr investieren, was
angesichts der großen Aufgaben der Stadt
ein unschätzbarer Vorteil wäre.
Daß der Achensee selbst ins grundbücherliche Eigentum der Stadt kommt, hat auch
andere Vorteile (über die Schiffahrt wird
noch zu verhandeln sein): Künftig könnte
auch die Trinkwassernutzung einen hohen
Stellenwert erhalten.
Den weitblickenden Stadtvätern der
Vergangenheit darf man heute noch
dankbar sein. Das Erbe verpflichtet.

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