Innsbrucker Stadtnachrichten

Jg.1990

/ Nr.11

- S.10

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Zukunftsvision für Innsbruck: 25 Prozent weniger Verkehr und Reduktion von Lärm und Abgasen
Deutsches Expertenteam präsentierte bei der 4. Bürgerversammlung im Oktober ein „fast ausgereiftes" Verkehrskonzept —
(Ste) Reges Interesse zeigt die Bevölkerung an der Entstehung des neuen
Innsbrucker Verkehrskonzeptes: Vor vollem Großem Stadtsaal (einige Besucher folgten den Ausführungen sogar im Stehen) referierte das beauftragte deutsche Verkehrsexpertenteam am 29. Oktober über den aktuellen
Stand der Planungen. Dabei wurden erstmals Berechnungen über den Effekt der vorgeschlagenen Maßnahmen präsentiert. Vorausgesetzt, alle
Planervorschläge würden realisiert und die Bevölkerung verzichtet im Sinne des Umweltschutzes und der Verbesserung der Lebensqualität in der
Stadt auf „unnotwendige" Fahrten mit dem Pkw und nimmt dafür die alternativen Verkehrsmittel stärker an (den öffentlichen Verkehr, das Fahrrad, Fußwege), so würde nach Berechnung der Experten der Pkw-Verkehr
um durchschnittlich 25 Prozent verringert, der Lärm um 22 Prozent sinken und eine Reduktion der Abgase um 14 Prozent erfolgen. Für Überraschung sorgte eine Fülle von Ideen zur städtebaulichen Gestaltung der
Straßenräume. Ihr Grundtenor: Durch viel Grün (man plant neue Alleen)
und den geschickten Einsatz von Brunnen sowie eine Neuorganisation gewisser Straßen (eigene Fahrspuren für den öffentlichen Verkehr, breitere
Gehsteige, Radwege etc.) sollen Plätze und Straßenzüge ein markantes
Profil erhalten.
Der Große Innsbrucker Stadtsaal war voll besetzt. Die Bürgerinnen und
Bürger folgten den Ausführungen der Professoren mit großem Interesse
und nutzten anschließend die Gelegenheit zu Wortmeldungen.
(Foto: Tomaselli)
ie bereits mehrfach berichtet, hat der Gemeinderat
den Auftrag zur Erarbeitung eines
Verkehrsberuhigungskonzeptes der
Stadt „unter besonderer Berücksichtigung der Innenstadt" an die
Arbeitsgemeinschaft der deutschen
Universitätsprofessoren
Retzko
und Topp (Darmstadt) sowie Kirchhoff und Stracke (München) vergeben, die sich durch einschlägige Arbeiten für zahlreiche Städte bereits
einen guten Ruf gemacht haben.
Mitte 1989 nahmen die Experten
aus der BRD die Erstellung eines
neuen Verkehrskonzeptes mit umfangreichen Maßnahmen in Angriff. Die international anerkannten Verkehrsfachleute standen dabei stets in Kontakt mit der „Projektgruppe Verkehrskonzept", der
unter Vorsitz von Stadtplaner Doz.
Dr. Arnold Klotz weitere Vertreter
der Stadtplanung sowie Mitglieder
des Tiefbauamtes, des Straßenverkehrs- und des Umweltschutzamtes, der Innsbrucker Verkehrsbetriebe sowie Vertreter der Altstadt und Innenstadtkauf leute und der in
der „Arge Verkehr" vereinten Bürgerinitiativen angehören. Über

W

Ideen der Bürger fanden
Eingang ins Konzept
Zwischenergebnisse wurde die Bevölkerung bis Juni 1990 in drei Bürgerversammlungen informiert. Anregungen und Kritik der Bürger verhallten nicht ungehört, sondern
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fanden vielfach ihren Niederschlag
in Konzeptmodifikationen. Erst
bei der 4. Bürgerversammlung am
29. Oktober konnte ein „fast ausgereiftes" (Retzko) Maßnahmenpaket vorgestellt werden, das nun erstmals auch eine Fülle von Ideen zur
städtebaulichen Gestaltung umfaßt.
Um die Lebensqualität in der Stadt
zu verbessern, soll in Hinkunft dem
Fußgänger-, Rad- und öffentlichen
Personennahverkehr überragende
Bedeutung zukommen. „An den
Kragen" soll es laut Professor Retzko all jenen Autofahrern gehen,
„die noch keinen weisen Umgang
mit dem Pkw pflegen". Eine flächendeckende
Parkraumbewirtschaftung wird deshalb als einer der
Grundpfeiler des Innsbrucker Verkehrskonzeptes angesehen.
Ein Zusammenspiel aller von den
Verkehrsexperten vorgeschlagenen
Maßnahmen (siehe dazu die Ausgaben der Innsbrucker Stadtnachrichten vom Juli, August und September 1990) hätte, wie bereits eingangs erwähnt, eine durchschnittliche Reduktion des Pkw-Verkehrs
um 25 Prozent zur Folge. Der Binnenverkehr zur Arbeit könnte sogar
um 36 Prozent verringert werden,
der Einpendlerverkehr um 30 Prozent, der Touristenverkehr um 50
Prozent. „Mehr können wir nicht
versprechen", betonte Retzko, „da
für eine restriktive Parkraumbewirtschaftung nur 4.500 der 10.000
Parkplätze der Innenstadt zum dis-

poniblen Bereich der Stadt gehören
— die übrigen befinden sich auf
Privatgrund. Eine weitere Reduktion des motorisierten Individualverkehrs ließe sich nur durch ein
sprunghaft ansteigendes Umweltschutzbewußtsein der Bevölkerung
steigern." Vorläufig rechnet das

Umweltbewußtsein steigert
Effekt der Maßnahmen
Expertenteam mit einer Einschränkung der Verkehrsleistung (darunter versteht man die von den Kraftfahrzeugen zurückgelegten Kilometer pro Zeiteinheit) um 15 Prozent, einer Lärmreduktion um 22
Prozent und einer Abgasreduktion
um 14 Prozent.
Neben der umfassenden Park-

raumbewirtschaftung ist eine Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs unerläßlich.
Schließlich sollen Pkw-Lenker
nicht aus der Stadt verbannt, sondern vielmehr zum Umsteigen animiert werden. Für die Verkehrsplaner bedeutete dies: Maßnahmen
entwickeln, die das öffentliche Verkehrsmittel zur attraktiven Alternative werden lassen. „Zurzeit gibt
es in Innsbruck zu viele Linien, die
sich stark überlagern", konstatierte
Peter Kirchhoff in seinem Referat
am 29. Oktober erneut. „Der Öffentliche Verkehr bleibt zudem vielfach im Individualverkehr stecken.
Durchmesserlinien
ermöglichen
eine Einsparung der Linien, gegenseitige Behinderungen werden
durch eine entsprechende neue Auf-

Bis Jahresende liegt komplettes Maßnahmenpaket vor - 1991 soll die politische Umsetzung der Vorschläge beginnen
teilung des Straßenraumes vermieden (Ausweisung eigener Bus- und
Straßenbahnspuren sowie Bevorzugung des öffentlichen Verkehrs im
Zuge der Ampelregelung bei Kreuzungen). Insgesamt ist eine Reduktion von 22 auf neun Linien möglich, wobei sogar eine weitaus bessere Bedienungsqualität garantiert
werden kann."
Seit der 3. Bürgerversammlung im
Juni d. J. wurde das Konzept für
den Öffentlichen Personennahverkehr noch um einige Details ergänzt
und verfeinert. Ausschlaggebend
waren Anregungen der engagiert an
der Diskussion und Erarbeitung
der neuen Vorschläge beteiligten
Innsbruckerinnen
und
Innsbrucker. So galt ein Kritikpunkt der
im Konzept nicht berücksichtigten
Verbindung zwischen HöttingDorf und Hörtnaglsiedlung sowie
der Erschließung des Bereiches
Speckweg — Sonnenstraße — Botanikerstraße. Die Verlängerung
der nach Hötting führenden Linie
H über die Schneeburggasse und
die Tschiggfreystraße bis zur Technischen Universität einerseits, sowie die Führung der Linie A über
Speckweg — Botanikerstraße andererseits sollen in diesem Fall Abhilfe schaffen.

Busse nach Völs und Rum
Aufgenommen wurde auch die
Idee, den Bahnhof Völs für Einpendler mit dem städtischen Busnetz zu verbinden. Durch eine neue

Zwei Stunden lang informierten die deutschen Experten das Publikum über den aktuellen Stand der Planungen.
Auf dem Podium von links: Die Professoren Stracke, Kirchhoff und Retzko, Diskussionsleiter Mag. Hans Rauter
vom Amt der Tiroler Landesregierung, Innsbrucks Stadtplaner, Doz. Dr. Arnold Klotz, und Prof. SkoupiL
(Foto: Tomaselli)
Linienführung von Völs zur Technischen Universität bzw. nach Kranebitten ist dieser Stadtteil aus den
westlichen Umland gemeinden direkt und nicht über den Umweg der
Innenstadt erreichbar. Ähnliches
soll auch mit dem Bahnhof Rum
„passieren". Ein Anschluß ans

städtische Busnetz wird voraussichtlich durch die Linie „O" erfolgen, wodurch auch eine Verbindung mit dem Industriegebiet Roßau gegeben ist. Ebenfalls Eingang
in das Verkehrskonzept fand die
Forderung, Überlandbusse über
den Innsbrucker Hauptbahnhof zu
führen. Zwischen Igls und Hall soll
sogar eine durchgehende Überlandlinie eingerichtet werden.
Nicht aufgegriffen wurde hingegen
der Vorschlag, Ringlinien zu installieren. „Wie die Erfahrung zeigt, er-

gern und die Linie O von der Reichenau bis zur Technischen Universität als Straßenbahn zu führen.
Einer späteren Verlängerung bis
Völs stünde dann nichts im Wege,
womit sozusagen die „Keimzelle"
der oft geforderten Regionalbahn
geschaffen wäre.
Den verbleibenden Individualverkehr wollen die Verkehrsexperten
möglichst umweit- und bürgerscho(Lesen Sie bitte weiter auf Seite 12)

Keine Ringlinien

So stellt sich Professor Stracke eine optimal gestaltete Wilhelm-Greil-Straße
vor: Je eine Baumreihe links und rechts, nur noch längsparkende Autos
(und dadurch weniger Parkplätze) sowie Fahrradstreifen zu beiden Seiten.

Innsbrucker Stadtnachrichten — Offizielles Mitteilungsblatt der Landeshauptstadt. Jahrgang 1990, Nr. 11

weisen sich diese als wenig effizient", erklärte Kirchhoff. Weitaus
nützlicher seien sogenannte Tangentialverbindungen, die in Innsbruck im Norden und Osten der
Stadt vorgesehen sind.
Weitaus größere Bedeutung wird
nach letztem Stand der Planungen
den Straßenbahnen zukommen,
weil sie im Vergleich zu Bussen ein
größeres Fassungsvermögen aufIn den Augen des Architekten ist der Museumsstandort noch zu wenig deut- weisen. Für die weitere Zukunft
lich gekennzeichnet. Speziell die .Aufenthaltsqualität" in der Wilhelm- sind auch Vorschläge im Gespräch,
Greil-Straße gelte es noch zu steigern.
(Foto: Murauer) die Linie 3 nach Westen zu verlänInnsbrucker Stadtnachrichten — Offizielles Mitteilungsblatt der Landeshauptstadt. Jahrgang 1990, Nr. 11

Alle von den Planern des Verkehrsberuhigungskonzeptes
für die Stadt Innsbruck geäußerten und hier beschriebenen Vorstellungen sind erst
Vorschläge, die zu Jahresende den demokratischen Instanzen der Stadt zugeleitet
werden. Vom Stadtsenat und
vom Gemeinderat werden sie
dann gründlich beraten, ehe
entschieden wird, in welcher
Reihenfolge man sie — auch
nach Maßgabe der finanziellen Möglichkeiten — in die
Praxis umsetzt.

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