Innsbrucker Stadtnachrichten

Jg.1989

/ Nr.6

- S.10

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AUS DER ARBEIT UNSERER UNIVERSITÄT:

Selbst in der Mathematik sind noch viele Fragen offen
Forschung und Lehre am Institut für Mathematik der naturwissenschaftlichen Fakultät
Der Ruf der Mathematik in der Öffentlichkeit ist zwiespältig: je nach
Erfahrung aus der eigenen Schulzeit ist sie gefürchtet oder beliebt,
werden ihre Möglichkeiten gering geachtet oder geschätzt (manchmal
auch überschätzt). Viele Leute sind der Meinung, die Mathematik sei
eine abgeschlossene Wissenschaft, in der Forschung nicht mehr möglich ist. Aber das, was in der Schule unterrichtet wird, ist nur ein kleiner Teil der heute bekannten Mathematik. Und auch diese reicht bei
weitem nicht aus, um alle von Anwendern (zum Beispiel Naturwissenschaftler und Ingenieure) gestellten Probleme zu lösen.
Die Universitätsbibliothek hat
mehr als zweihundert (!) regelmäßig erscheinende Zeitschriften
abonniert, die nur über neue mathematische Erkenntnisse berichten. Jeder Forscher muß sich daher auf ein kleines Teilgebiet der
Mathematik beschränken, um
dort die neuesten Entwicklungen
verfolgen zu können.
Die Mathematik untersucht abstrakte Objekte wie Zahlen, Rechenregeln,
Zuordnungsvorschriften, geometrische Eigenschaften, Symmetrien, ... Daher
kann sie, auf sich allein gestellt,
keine Aussagen über die Natur
oder über Probleme der Wirtschaft machen. Jedoch hilft die
Mathematik den Natur- oder
Wirtschaftswissenschaften, die
Realität zu beschreiben, formale
Zusammenhänge zu erkennen
und schwierige Probleme in einfachere, lösbare Teile aufzugliedern.
Es ist schwierig, allgemeinverständlich über neuere Ergebnisse
der Mathematik zu schreiben:
Um nicht von einer Fülle komplizierter Einzelheiten erdrückt zu
werden, muß der Mathematiker
(die Mathematikerin) ordnende
Begriffe einführen, die aufeinander aufbauen. Es ist daher wie bei
einem Turm — um in die oberen
Zimmer zu gelangen, muß man
durch alle darunterliegenden gehen. Das ist aber in einem kurzen
Artikel nicht möglich.
Das Institut für Mathematik an
der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck
bildet Diplommathematiker und
Mathematiklehrer aus und vermittelt den Studierenden der Naturwissenschaften (vor allem der
Physik) das für ihr Fach erforderliche mathematische Wissen. Insgesamt werden etwa 400 Studenten betreut. Die Absolventen des
zehnsemestrigen Diplomstudiums werden zum Beispiel in der
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Computerbranche, bei Versicherungen, Rechenzentren, statistischen Ämtern und Forschungsinstitutionen gebraucht. Da während der letzten Jahre der Bedarf
an „Software", also benützungsbereiten Computerprogrammen,
ständig gestiegen ist, sind die Berufsaussichten von Mathematikern derzeit gut. Um den Studenten stärkeren Kontakt mit Anwendungen der Mathematik zu
verschaffen, wurden Kontakte zu
Tiroler Betrieben gesucht, und
auf deren Probleme mathematische Methoden (zum Beispiel „lineare Optimierung" zur bestmöglichen Ausnutzung vorhandener Mittel) angewandt.
Ein zentraler und vielfältiger
Themenbereich der mathematischen Forschung ist das Lösen

von Gleichungen (aller Art). Am nimmt an, die Lösungen sind beInstitut für Mathematik werden kannt und versucht, ein entspreDifferenzengleichungen, Diffe- chendes Gleichungssystem zu berentialgleichungen, Funktional- stimmen. Damit kann aus der Wirgleichungen und Polynomglei- kung eines Naturvorganges auf die
chungen (in einer und mehreren Ursache geschlossen werden.
Variablen) untersucht. In gewis- Technische Entwicklungen der
sen Fällen wird auch die Umkeh- letzten Jahrzehnte (wie etwa Darung davon betrachtet: man tenübertragung, Robotersteue-

Rechengeräte von gestern und heute: Links ein Personal-Computer;
Mitte: ein Suan-pan (aus China, wo er heute noch verwendet wird:
Manche Rechenoperationen sind darauf schneller auszuführen als mit
einem Elektronik-Rechner); rechts die elektrische Pultrechenmaschine
Mercedes-Euklid, gebaut 1926.
(Foto: W. Förg)

Deponiegasnutzung im Ahrntal
ökonomisch, technisch sinnvoll?
Stadt erwartet Klarheit von ausländischen Experten
(Eiz) Die Frage, ob eine Nutzung
des Deponiegases, das im Müll
des Ahrntales entsteht, technisch
möglich und wirtschaftlich vernünftig ist, soll eine klare Antwort erfahren: Der Innsbrucker
Stadtsenat beschloß in seiner Sitzung am 17. Mai unter Vorsitz
von Bürgermeister Romuald Niescher, ein auf diesem Gebiet einschlägig erfahrenes Münchner
Zivilingenieurbüro einzuladen,
der Stadt ein Anbot über ein klärendes Gutachten zu stellen.
Die Stadt ist an einem umfassenden
Überblick über die einschlägigen
Möglichkeiten interessiert und will
nicht nur wissen, ob das Gas aufgrund seiner Zusammensetzung,
der erfaßten Menge und der Dauer
des Gasaustrittes überhaupt wirtschaftlich genutzt werden kann,
sondern auch, welche Art der Nutzung die zweckmäßigste wäre. Darüber hinaus ist man bestrebt, zu er-

fahren, ob im Fall, daß eine wirtschaftliche Nutzung für einen längeren Zeitraum sinnvoll ist, die Art
der Einbringung des Mülls auf die
Deponie gegenüber der derzeitigen
Methode geändert werden muß,
und ob das vorhandene Gaserfassungssystem ausreicht.
Von Bedeutung ist auch die Antwort auf die Frage, ob im Fall einer Gasnutzung die Geruchsbelästigung gleich bleibt, ob sie stärker oder schwächer wird. Und
schließlich soll geklärt werden,
wie hoch die Kosten sind, die dafür veranschlagt werden müssen.
Die Klärung dieser Fragen durch
ausländische Fachleute wurde
deshalb notwendig, weil es bei
uns noch relativ wenig praktische
Erfahrung auf diesem Gebiet gibt
und die Meinungen der heimischen Experten darüber auseinandergehen und zum Teil gegensätzlich sind.

rung, digitale Bildverarbeitung)
erforderten die Erarbeitung neuer mathematischer Theorien. Am
genannten Institut wird in diesem
Zusammenhang über „Kodierungstheorie" und „Systemtheorie" geforscht.
Weitere Arbeitsbereiche sind die
Behandlung geometrischer Probleme mit Methoden der Algebra, die „Zahlentheorie", die
„Wahrscheinlichkeitstheorie"
und die „Invariantentheorie".
Seit vielen Jahren beteiligt sich
das Institut an einem Gletschervermessungsprojekt des Instituts
für Meteorologie.
Viele Ergebnisse mathematischer
Forschung führen nicht unmittelbar zu technischen Anwendungen,
waren und sind aber ihrer Schönheit und Klarheit wegen doch die
Mühen ihrer Erforschung wert. In
diesem Sinn hat das Institut für
Mathematik auch eine allgemeinbildende Funktion: das sachliche,
klare und folgerichtige Denken
und Reden zu fördern.
Franz Pauer,
Institut für Mathematik

Innsbrucker Stadtnachrichten — Offizielles Mitteilungsblatt der Landeshauptstadt. Jahrgang 1989, Nr. 6