Innsbrucker Stadtnachrichten

Jg.1989

/ Nr.5

- S.12

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AUS DER FORSCHUNGSARBEIT UNSERER UNIVERSITÄT:

Einst hieß sie die „Wissenschaft von der Seele"
Am Institut für Psychologie werden praktische Probleme untersucht, um an ihrer Lösung mitzuhelfen
Diese auf das Handeln bezogene
Betrachtungsweise hat gegenüber
den früheren folgende Vorteile:
(1) Handeln umfaßt sowohl Vorgänge des bewußten Erlebens als
auch des Verhaltens; in ihm sind
sowohl die vom Handelnden
selbst erlebten Aspekte, wie Vorausplanung, Wahrnehmen der
konkreten Situation und ihre
emotionale Bewertung, als auch
das von außen beobachtbare Verhalten des Handelnden im Sprechen, in der Bewegung, in der Mimik und Gestik mit enthalten. (2)
Die mehrstufige Ordnung von
Handlungen legt Untersuchungen auf allen Stufen nahe, beginnend mit der Stufe der Handlungsziele, der einzelnen Handlungsschritte, bis hin zu psychischen Mikroprozessen etwa beim
Erinnern von früher erlebten Ereignissen oder beim Wahrnehmen z. B. eines Gesichts. Die Untersuchung von psychischen Elementarvorgängen allein stellt damit nur mehr einen relativ kleinen
Teilbereich der Psychologie dar.
(3) Handeln richtet sich immer
auf ein weiteres Umfeld, entweder auf die Kommunikation mit
anderen Personen oder auf unsere natürliche und technische Umwelt. Damit rücken größere Systemzusammenhänge und der Informationsaustausch in diesen
Systemen mit in den Blickpunkt.

Mimik des Gesichts und
ihre Deutung entwickelten
sich im Lauf der Evolution
Die Untersuchung dieser Gebiete
erfordert sowohl die beschreibende Erfassung, welche Vorgänge es
im einzelnen gibt, welche Funktion sie haben und wie sie verlaufen, als auch die experimentelle
Analyse ihres Warum und ihre
Einordnung in bestehende Interpretationen. Die Blickwinkel, aus
denen Untersuchungen durchgeführt werden, sind verschieden,
wie sich am folgenden Beispiel erläutern läßt. Bei der Kommunikation von Personen spielt der
Ausdruck von Emotionen eine
wichtige Rolle. Im Verlauf der
Evolution des Menschen entwickelten sich die Grundlagen sowohl für das fein abgestimmte
Ausdrucksverhalten, z. B. in der
Mimik des Gesichts, wie auch die
Seite 12

Die Psychologie gehört zu jenen wissenschaftlichen Disziplinen,
deren Forschungsaufgabe sich direkt auf den Menschen richtet. In
ihren Anfängen wurde Psychologie als Wissenschaft von der Seele
gekennzeichnet, später als Wissenschaft vom Bewußten, vom Subjektiven und vom Verhalten; der Schwerpunkt der Psychologie hat sich
also im Laufe der Geschichte mehrfach verändert. Die heutige Psychologie nimmt als Ausgangspunkt ihrer Analyse vor allem das
konkrete Handeln der Menschen. Damit rücken alltägliche Vorgänge
und Tätigkeiten in den Mittelpunkt.
Wahrnehmungssysteme zum Er- hinweg und welche Lernprozesse
kennen und Interpretieren sol- spielen dabei eine Rolle? Welche
cher Signale der Kommunika- Zusammenhänge bestehen zu
tion. Das Erkennen von emotio- neuronalen Vorgängen im Zennalem Ausdruck wird so unter tralnervensystem? Welche Funkden Aspekten der Allgemeinpsy- tion und Wirkung haben sie bei
chologie, Differentiellen Psycho- der sozialen Interaktion von
logie, Entwicklungspsychologie, mehreren Personen? Welche bePsychophysiologie, Diagnostik, einträchtigenden Abweichungen
Sozialpsychologie und Klinischer im Erkennen von Ausdruck können bestehen, wodurch sind sie
Psychologie untersucht.
entstanden, wie können sie posiAm Beispiel des Erkennens
Diesen Fächern entsprechen etwa tiv beeinflußt oder vorbeugend
folgende Fragestellungen: Wel- vermieden werden? Diese unterche Vorgänge beim Erkennen von schiedlichen Fragerichtungen —
Ausdruck sind allen Menschen hier verdeutlicht am Beispiel des
mehr oder weniger gemeinsam, Erkennens von Ausdruck — laswelches ist ihre Funktion und wel- sen sich auf die meisten psycholoche Informationen werden bei gischen Untersuchungen in verder Wahrnehmung einzelner gleichbarer Weise anwenden.
Emotionen verarbeitet? Worin Aufgabe der Psychologie ist es alund weshalb unterscheiden sich lerdings nicht nur, das Wissen
diese Erkennensprozesse bei ver- über uns Menschen und unser
schiedenen Menschen voneinan- Selbstverständnis weiter zu ent-

wickeln. Ihre Aufgabe besteht
vielmehr auch darin, mit dem so
gewonnenen Wissen als Grundlage praktische und dabei insbesondere psychosoziale Probleme
zu analysieren und an ihrer Lösung mitzuhelfen. Diese Arbeit
bezieht sich auf sehr unterschiedliche Tätigkeitsbereiche in sozialen Einrichtungen (z. B. in Kliniken, Beratungsstellen, Heimen),
in Behörden (z. B. in den Schulverwaltungen,
Arbeitsämtern,
Gerichten und im Strafvollzug),
in privaten und öffentlichen Institutionen (z. B. in Selbsthilfeorganisationen, SOS-Kinderdörfern, Kuratorien für Verkehrssicherheit), in der Wirtschaft (z. B.
in der Personalberatung, Organisationsentwicklung) und im Bildungsbereich. Die praktische Arbeit der Psychologen und Psychologinnen in diesen Feldern besteht in Beratung, Begutachtung,
Diagnostik, therapeutischer und
vorbeugender Unterstützung, für
Einzelpersonen, Familien, Gruppen und Organisationen. Bei der
Lösung der anstehenden Probleme
arbeiten Psychologen in der Regel
mit anderen Berufsgruppen, z. B.
Ärzten, Juristen, Sozialarbeitern
und Technikern, zusammen.

der und wie lassen sich diese Unterschiede erfassen? Wann, wie Die Bewegung „verrät" einen Menschen
und wodurch verändern sie sich Am Institut für Psychologie an der der Universität Innsbruck (Vorüber die gesamte Lebensspanne Naturwissenschaftlichen Fakultät stand: Univ.-Prof. Dr. M. Ritter)
sind zwei Professoren, zwei Dozent(inn)en, sieben Assistent(inn)en
und drei nichtwissenschaftliche
Mitarbeiterinnen in den Forschungs- und Lehraufgaben tätig.
Zur Zeit werden Untersuchungen
darüber durchgeführt, wie Personen Mimik und Gestik wahrnehmen und wie aus den Bewegungen
von Personen die Bedeutung ihrer
Handlung erkannt werden kann;
aus dem Gebiet der Verkehrspsychologie werden Fahrstile und die
Wirkung von Risikoeinschätzung
auf das Fahrverhalten von Autofahrern untersucht; aus dem Bereich der Klinischen Psychologie
wird untersucht, wie durch TheraEin Beispiel aus einer lauf enden Untersuchung zur Wahrnehmung von piebegleitung (Supervision) die kriPersonen (H. Bliem). Die A bbildungen zeigen den Verlauf der regi- tische Selbstbeurteilung der Therastrierten Blickbewegungen einer Person beifolgenden Aufgaben: „Be- peut(inn)en vermehrt, ihr therapeutrachten Sie das Gesicht so, daß Sie es später beschreiben können! " tisches Handeln verbessert und bei
(links) und: „Erkennen Sie das Gesicht wieder? " (rechts). Das Kennen- auftretenden Problemen die Theralernen des Gesichtes erfolgt langsam, mit verschiedenen, wiederholten peut(inn)en entlastet werden könund über das gesamte Gesicht verteilten Fixationen. Das Wiedererken- nen.
(Fortsetzung auf Seite 13)
nen hingegen erfolgt schnell, mit wenigen Fixationen im Zentrum.

Innsbrucker Stadtnachrichten — Offizielles Mitteilungsblatt der Landeshauptstadt. Jahrgang 1989, Nr. 5