Innsbrucker Stadtnachrichten

Jg.1986

/ Nr.9

- S.12

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Tbilissi — eine Brücke von Innsbruck in den Osten
Städtefreundschaft mit der Hauptstadt Georgiens — Hohe Delegation aus Tbilissi stattet Innsbruck einen Besuch ab

So werden große
Entfernungen
kürzer

(We) In diesen Tagen wird eine
Delegation aus unserer georgischen Freundschaftsstadt Tbilissi mit Bürgermeister Saur
Meschischwili an der Spitze die

Heute sind wir besonders froh
darüber, daß die Bewohner von
Innsbruck und Tbilissi die Möglichkeit haben, über die städtischen Zeitungen miteinander zu
sprechen. Dieser Dialog kann
unserer Meinung nach die Entfernung zwischen den beiden
Partnerstädten verkürzen und uns helfen, einander besser und
näher kennenzulernen. Dank diesem Dialog können wir vielleicht das eine oder andere Problem, das den Alltag unserer
Städte betrifft, gemeinsam lösen. Solche Probleme gibt es wohl
viele. Was Tbilissi betrifft, so kann ich sagen, daß hier, im Stadtsowjet, der Scherz gebräuchlich ist: „ Diese Stadt hat z wei Meere
— das Tbilissier Meer und ein Meer von Sorgen. "
Anders kann es wohl nicht sein. Tbilissi zählt bereits seit über
anderthalb Jahrtausenden zu den ältesten Metropolen der Welt.
Heute ist Tbilissi eine moderne Stadt mit 1,2 Millionen Bewohnern, die die Gäste durch ihre Berglandschaft, Farbenpracht,
durch die erstaunlich harmonische Vereinigung von Baustilen
und die Vielfalt der Epochen in Verwunderung setzt.
Die Stadt erstreckt sich über mehr als 40 Kilometer an beiden
Kura-Ufem. Sie hat ihr Rüstzeug seit langem schon abgelegt
und in den Museen abgeliefert. Im Stadtführer, der 1925 herausgegeben worden ist, gibt es folgende Worte: „Die meisten Betriebe haben handwerklichen Charakter. Unter den wichtigsten Erzeugnisarten werden Lederwaren, Seife und Tabakwaren genannt. .. ". Heute zählt Tbilissi Hunderte große Werke und Fabriken, Produktionsvereinigungen des Maschinenbaus, der Metallbearbeitung, der elektrotechnischen, der Leicht- und Nahrungsgüterindustrie. Erzeugnisse mit dem Fabrikzeichen der
Tbilissier Betriebe werden in 80 Länder exportiert.
Tbilissi gehört zu den wenigen Städten der Welt, die über alle
Verkehrsmittel verfügen: Autobusse, Oberleitungsbusse, Straßenbahn, U-Bahn, Seilbahnen, Drahtseilbahn, Luftverkehr.
Auf dem Tbilissier Meer gibt es eine Flottille von Tourenbooten.
Ein besonderes Komplexschema der Entflechtung von Verkehrsknoten in der Hauptstadt wird es uns ermöglichen, den
Konflikt des 20. Jahrhunderts „Auto — Fußgänger" beizulegen.
Eines der wichtigsten Probleme, das die städtischen Behörden
zu lösen haben, ist der Wohnbau. Für diese Zwecke werden aus
dem Stadthaushalt jährlich rund 90 Millionen Rubel (umgerechnet etwa 2,16 Milliarden Schilling) bereitgestellt.
Es ist mir angenehm, den Bewohnern von Innsbruck über Tbilissi zu erzählen, denn ihre Stadt ist seit vielen Jahren schon eine
Partnerstadt von Tbilissi. Bereits 1969hielt sich eine Delegation
des Bundeslandes Tirol in Georgien auf. Dieser Besuch leitete
den Austausch von Delegationen zwischen unseren Städten ein.
Ich möchte hier einige Zeilen aus dem zwischen Tbilissi und
Innsbruck geschlossenen Vertrag anführen: „ In Anbetracht der
Wünsche unserer Mitbürger und in ihrem Interesse verpflichten
wir uns, die Freundschaftsbeziehungen zwischen unseren Städten auf der Grundlage der gegenseitigen Verständigung, des Vertrauens und des guten Willens zu entwickeln und zu vertiefen.
Wir sind fest davon überzeugt, daß die Entwicklung der Freundschaftsbeziehungen zwischen den Partnerstädten zur Schaffung
der Atmosphäre der gegenseitigen Verständigung und des Vertrauens und nicht zuletzt zum Frieden beiträgt.
Saur Meschischwili
Bürgermeister von Tbilissi

Tiroler Landeshauptstadt besuchen. Für die Innsbrucker
Stadtnachrichten ein willkommener Anlaß, ihre Leser mit
dieser herrlichen, geschichtsträchtigen und überaus lebensfrohen Stadt, südlich des Kaukasus, an der Nahtstelle zwischen Europa und Asien, ein
wenig bekannt zu machen.
Bereits seit 17 Jahren besteht
ein freundschaftliches Band
zwischen Tirol und Georgien,
und was lag daher näher, als daß
auch die beiden Hauptstädte
Innsbruck und Tibilissi ein
Freundschaftsabkommen treffen.
Diese Städtefreundschaft wurde am 29. Juli 1982 in Innsbruck und am 6. Oktober desselben Jahres in Tbilissi offiziell
besiegelt.
Beide Städte weisen viele Gemeinsamkeiten auf: Sie sind
Großstädte in alpiner Umwelt,
sind eingebettet in eine herrliche Umgebung, liegen im
Schnittpunkt uralter Heer- und
Handelsstraßen, haben eine
große geschichtliche Tradition,
sind Universitätsstädte, sind
ausgezeichnet durch ein hochstehendes Kultur- und insbesondere Musikleben, und nicht
zuletzt spielt auch der Sport in
Innsbruck wie in Tbilissi eine
große Rolle.
Doch würde man diese Gegenüberstellung weiter fortführen,

Bürgermeister Romuald Niescher trägt sich in das Ehrenbuch der
Stadt Tbilissi ein. Im Bild von rechts nach links: Stadtrat Dr. Harald
Hummel, Georgien- und Tbilissi-Experte, Stadtrat Dr. Paul Kummer, Stadtrat Dr. Bruno Wallnöfer, Stadtrat Dr. Wilhelm Steidl,
Bürgermeister Saur Meschischwili.
Von den zivilisatorischen Wahrzeichen einer Großstadt blieb auch Tbilissi nicht verschont: Zahlreiche Hochhäuser prägen die Silhouette der neuen Stadtviertel. Im Vordergrund eine der großzügigen Hauptstraßen der Stadt. Auch O-Busse,
die in Innsbruck nun wieder eine Renaissance erleben, gibt es in unserer georgischen Freundschaftsstadt.
käme man sich als Innsbrucker
schon ein wenig unscheinbar
vor: Die Hauptstadt Georgiens
hat 1,2 Millionen Einwohner
und ist eines der bedeutendsten Kulturzentren der Sowjetunion. In Tbilissi gibt es
15 Theater, fünf große Konzertsäle, zehn Parks für Erholung und Kultur, 12 großflächige Ausstellungsräume, 25
Museen, 120 Kinos und rund
100 öffentliche Bibliotheken.
45.000 Studenten besuchen eine der zahlreichen Hochschulen der Stadt. A n der Spitze des

In der Schule der Künste. Für alle Kinder ist der Besuch einer der 15 Musikund Kunstschulen der Stadt neben dem Unterricht in einer allgemeinbildenden Schule eine Selbstverständlichkeit.

wissenschaftlichen Lebens steht Tbilissi zählt rund 500 historidie Akademie der Wissenschaf- sche Architekturensembles und
ten mit den Fachrichtungen über 80 Monumente und DenkMathematik und Physik, Geo- mäler. Das städtische Kulturlogie, angewandte Mechanik budget beläuft sich auf 15 M i l und Leitungsprozesse, Chemie lionen Rubel, umgerechnet ca.
und chemische Technologie, 360 Millionen Schilling.
Biologie, Sprache und Litera- Die Stadt selbst erstreckt sich
tur. Einmalige Schätze befinden ca. 40 Kilometer weit in einem
sich in den Museen für Ge- Talkessel beiderseits des Flusses
schichte, Literatur, Theater und Kura. Rechts der Kura, unter
Musik. Die Stadt ist reichbe- den Ruinen der Festung Naristückt mit malerischen Häu- kala, liegt die orientalische Altsern, und auch die offizielle stadt mit ihren engen, steilen
neue Architektur zeichnet sich Gassen und den ältesten Baudurch Einfallsreichtum aus. denkmälern: Sioni-Kathedrale,

Allein von der Begeisterung für den Fußball passen Innsbruck und Tbilissi
gut zusammen. Im Bild hoffnungsvoller Fußballnachwuchs in einer der
zahlreichen Sportschulen der Stadt.

der Glockenturm, die Basilika
von Antschißchata. Links der
Kura erhebt sich ein gelbgrauer
Felsen, der schroff zum Fluß abfällt und vom Schloß Metechi
gekrönt wird.

Zur Geschichte
der Stadt
Steinerne Zeugen der Besiedlung reichen in Tbilissi
fast 6000 Jahre zurück. Die
Geschichtsschreibung nennt
als bedeutendes Jahr 458,
als König Wachtang Gorgassali seine Hauptstadt aus
Mzcheta hierher verlegte.
In der zweiten Hälfte des
7. Jahrhunderts von den
Arabern erobert, wurde die
Stadt nach Überwindung
der seldschukischen Herrschaft 1122 Hauptstadt eines christlich-georgischen
Königreiches unter David
dem Erneuerer. Nach Eroberung durch die Mongolen stand Tbilissi abwechselnd unter türkischer und
persischer Herrschaft. Vierzigmal wurde die Stadt geplündert und zur Gänze zerstört. Im 19. Jahrhundert
kam Tbilissi zu Rußland.
Im Zentrum des alten Teiles
von Tbilissi liegt der Gorgassali-Platz, wo sich die alten Bäder befinden. Das Wort „tbili"

bedeutet auf georgisch „warm".
Übersetzt heißt Tbilissi im weitesten Sinne „die Stadt mit den
warmen Quellen". Die Wasser,
die aus dem Berg Mtabori
sprudeln, sind heiß und schwefelhaltig. Man schreibt ihnen
eine hohe Heilkraft zu.
Berühmt ist auch der botanische Garten von Tbilissi. Auf
128 Hektar wachsen hier die
verschiedenartigsten Pflanzen;
von chinesischen Mimosen bis
zu exotischen Palmen, von sibirischen Zedern bis zu mexikanischen Kakteen. Das botanische
Institut in Kasbegi unterhält übrigens konkrete Kontakte mit
dem* botanischen Institut der
Universität Innsbruck — Kontakte, die neben den offiziellen
und den vielen Besuchen auf
privater Basis jene Mosaiksteinchen des gegenseitigen Gedankenaustausches sind, die das
Wesen einer Städtefreundschaft
ausmachen. Übrigens stehen
nicht nur die Universitäten in
gegenseitigem Kontakt, auch
Verwaltung und Industrie tauschen ihre Erfahrung aus — eine
österreichische Seilbahnfirma
baut am Kreuzpaß im Kaukasus
einen Lift, Bergsteiger finden
gemeinsame Interessen, und die
Bergrettungen konnten aus
dem Vergleich der Emsatzmethoden und -geräte gegenseitig
Nutzen ziehen.
(Lesen Sie bitte weiter
auf Seite 14)