Innsbrucker Stadtnachrichten

Jg.1986

/ Nr.1

- S.16

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Das Arbeitslager Reichenau 1941—1945



A n der Haupteinfahrt zum
städtischen Zentralhof in der
Roßau erinnert eine in Stein gehauene Gedenkschrift an das
Arbeits- und Auffanglager Reichenau, das in den Jahren 1941
bis )45 von der Gestapo

zum Arbeitseinsatz nach Westdeutschland verpflichtet worden waren, wegen der zunehmenden Bombenangriffe auf
die westdeutschen
Industriezentren aber ihre Arbeitsplätze
eigenmächtig verließen und
nach Italien zurückfluteten.
Diese Arbeiter sollten im Lager
Von Josefine Justic
Reichenau gesammelt, mit or(=
Geheime
Staatspolizei) dentlichen Papieren versehen
Innsbruck betrieben wurde. D a und über das Arbeitsamt wieder
der Bestand eines solchen L a - in Arbeit vermittelt werden. Begers in unserer Stadt der j ü n g e - reits im Sommer 1942 hatte das
ren Generation vielleicht ganz Lager Reichenau seinen urunbekannt ist, sei als E r g ä n - sprünglichen Sinn verloren,
zung zu der derzeit im Stadtar- weil kaum mehr ein italienichiv laufenden Ausstellung scher Zivilarbeiter aufgegriffen
ü b e r die Innsbrucker Zeitge- wurde. Der seinerzeitige Leiter
schichte 1938—1945 mit diesen der Gestapostelle in Innsbruck,
Zeilen nochmals ein Bereich dem das Lager unmittelbar under — obwohl unerfreulichen — terstand, ä n d e r t e daher im E i n Zeit der NS-Herrschaft aufge- vernehmen mit dem Reichssigriffen.
cherheitshauptamte die ZweckDie folgend zitierten Zeilen bestimmung dieses Lagers: es
stammen aus dem umfassenden wurde zum ArbeitserziehungsWerk „Widerstand und Verfol- lager f ü r arbeitsunwillige Ausgung in Tirol 1934-1945", hg. länder. . . . A b 1943 wurden
vom
Dokumentationsarchiv auch Juden . . . von der Gestapo
des österreichischen Wider- im Lager verwahrt."
standes, Wien 1984, in dem Welche Brutalität dann auch an
Häftlingen angevorwiegend Urteile über Schul- jüdischen
dige und Aussagen Betroffener wandt wurde, wird durch die
folgende — auszugweise —
wiedergegeben werden.
„ D a s Lager Reichenau diente Schilderung vermittelt: „Der
bis Sommer 1942, seinem ur- Likörfabrikant D(ubsky) aus
sprünglichen Zwecke entspre- Innsbruck befand sich bis 21.
chend, als Auffanglager f ü r ita- M a i 1943 in der H e i l - und Pflelienische Zivilarbeiter, die über geanstalt Solbad Hall in Tirol
die italienische Arbeitsfront als Patient. . . . A m 21. M a i
L

1943 verhaftete ihn dort die G e stapo und lieferte ihn in das L a ger Reichenau ein. A m 2. Juni
1943 gegen abends kam der
Leiter der Gestapostelle Innsbruck, Hilliges, in das Lager
Reichenau. . . . Hilliges war entschlossen, den Juden, der nichts
verbrochen hatte, aus Rassenh a ß zu liquidieren". . . . Hilliges
ü b e r n a h m den Häftling und
schickte den Wachmann fort. E r
ließ nun D . wenige Schritte vor
sich hergehen. . . . Kurz vor dem
Schießstand (des Lagers) verwickelte Hilliges den Juden in
ein G e s p r ä c h , so d a ß die beiden
sich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden, und
zwar der Jude mit dem Rücken
z u m Schießstand. . . . Während
dieses kurzen G e s p r ä c h s zog
Hilliges die im Futteral an seinem Koppel verwahrte, durchgeladene Pistole und schoß D .
aus nächster N ä h e durch die
Stirn. D. brach sofort zusammen und verstarb unmittelbar
danach."
D e r Häftlingsstand in der Reichenau schwankte zwischen
100 und 800; der Zustand der
H ä f t l i n g e war im allgemeinen
bedauerlich. Sie hatten weder
ausreichende Kleidung noch
entsprechendes Schuhwerk und
litten an Hunger. Unter diesen
Bedingungen wurden
diese
Menschen damals angehalten,
tagsüber 12 Stunden schwerst

zu arbeiten. Ihre Einsatzgebiete
waren der Straßenbau, die
Schottergewinnung am Inn und
Arbeiten für die Obuslinien im
Stadtgebiet. Jegliche geringste
Übertretung oder Nichteinhaltung der von „ o b e n " angeordneten Weisungen wurde grausamst geahndet: Die Lagerstrafen waren Essensentzug; Bunkerstrafen von 1 bis 14 lägen,
bei denen der Häftling in einer
kleinen,
ungeheizten
Zelle
mangels Platz weder sitzen noch
liegen, sondern kauern m u ß t e ;
Strafrundenlaufen bis zum Z u sammenbruch; die Prügelstrafe
und als besondere Barbarei das
Kaltbaden, bei dem der entblößte Häftling speziell in der
kalten Jahreszeit mit einein
scharfen kalten Wasserstrahl so
lange angespritzt wurde, bis er
blaugefroren war und meist zusammenbrach; in diesem Z u stand wurde er oft noch in den
Bunker gesperrt.
Abschließend sei noch aus dem
Bericht eines ehemaligen Häftlings des Lagers zitiert, der auch
dem obgenannten Buche entnommen wurde: „Das Reichenauer Lager ist sehr bekannt gewesen, denn die Häftlinge wurden offen im Stadtgebiet eingesetzt. . . . A u s Erfahrung im
Konzentrationslager Buchenwald kann man sagen, d a ß die
Verhältnisse nicht viel anders
waren. Sicher, Massenmorde
und Massenvernichtungen gab
es im Lager Reichenau nicht....
Die Schikanen im Lager selbst
aber waren fast ärger als in den
größeren Lagern, weil hier
durch die Kleinheit des Lagers
jeder
Häftling dementsprechend dem SS-Mann besonders
aufgefallen ist und daher vielmehr im Blickpunkt gestanden
ist als in einem Konzentrationslager."

VORHUNDE
JAHREN

Das 1941 errichtete Gestapolager Reichenau — hier als Heimkehrerauf dem Gelände des heutigen städtischen Zentralhofes.

und Flüchtlingslagernach
1945 —
( Foto: Frischauf)

16. Jänner: „Eislauf-Verein.
Nachdem nunmehr die ganze
Bahn (= heutiges Messegelände) mit einem recht guten Eise
der Benützung zugeführt ist, so
wird Sonntag Nachmittag von
2—4 Uhr die Militärskapelle auf
dem Eisplatze konzertiren und
findet Montag den 18. d. MtS.
das in Aussicht genommene
Nachtfest statt. Entrée für
Nichtmitglieder 40 kr. Für Z u seher ist im ersten Stock ein ge-

heiztes Zimmer bereit."

w.