Innsbrucker Stadtnachrichten

Jg.1985

/ Nr.7

- S.11

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Messerstichen und Fußtritten in
den Unterleib.
Nur mit Mühe konnten die
Gendarmen und ein größeres
Militäraufgebot die Umgebung
des Gebäudes abriegeln und die
eingeschlossenen Nationalsozialisten vor der sich nach der
Schlägerei in Hötting binnen
kurzem ansammelnden großen
Menschenmenge schützen. Die
Erregung der Arbeiterschaft
von Hötting und Innsbruck war
jedoch so stark, daß sich die
Rettungstransporte kaum und
nicht unbeschädigt den Weg
durch die Menge bahnen konnten. Bis spät nachts kam es in
den beiden Orten zu bedrohlichen Ansammlungen und vereinzelten Ausschreitungen zwischen Anhängern der Arbeiterpartei einerseits und Nationalsozialisten und Exekutivbeamten andererseits. Auch der
Heimwehrführer Steidle wurde
in einem Straßenbahnwagen
durch Steinwürfe bedroht. Sogar in der chirurgischen Klinik
gerieten in der Nacht die
schwerverletzten Gegner noch
in einen heftigen Streit."
Weiters wird nachstehend jene
Darstellung
wiedergegeben,
welche die „Volks-Zeitung",
das damalige sozialdemokratische Tagblatt für Tirol, am
28. Mai 1932 über die Ereignisse im Goldenen Bären in Hötting am Abend zuvor gegeben
hat. Dort steht auf Seite 1 zu
lesen:
„In Hötting ist gestern Blut geflossen. Zahlreiche Menschen
sind verletzt, ein Verletzter
starb noch nachts im Krankenhaus, die gesamte Bevölkerung
in größte Unruhe und Aufregung versetzt worden. Polizei,
Gendarmerie und Militär mußten aufgeboten werden. Die
Rettungsabteilung mußte mindestens ein ganzes Dutzend Mal
Hilfsfahrten nach Hötting machen, mehrere Dutzend Verletzte in die Klinik überführen,
während eine ebenfalls nicht
kleine Anzahl leichter Verletzter sich in häuslicher Pflege befinden.
Die verbrecherischen Urheber
aller dieser Vorgänge sind —
darüber kann es wohl keine Meinungsverschiedenheiten
geben — die aus Deutschland
nach Tirol importierten Strolche im braunen Hitlerhemd, die
auf Geheiß des Braunen Hauses

in München in Tirol, besonders
in den letzten Wochen, landauf,
landab die Bevölkerung zu terrorisieren versuchen, das Evangelium der Gewalt predigen,
nach dem Muster der Nazi in
Deutschland auch bei uns der
Bevölkerung einen Vorgeschmack der Dritten-Reich Methode gebend.
Gestern wurde nun der Höttinger Bevölkerung vordemonstriert, was sie zu erwarten hätte, wenn die braune Pest auch
bei uns „Heimatsrecht" bekäme, wie die Hitlerstrolche den
Kampf mit „geistigen Waffen"
verstehen, wie die Legalität der
Horden aussieht, die nach Innsbruck kommandiert wurden,
um hier der Bevölkerung die
„Segnungen" des mit den Millionen der deutschen Großkapitalisten ausgehaltenen deutschen Faschismus zu vermitteln!
Die braunen Mordgesellen
wollten gestern in Hötting beim
„Bären" eine ihrer üblichen
Schimpforgien
veranstalten
und luden die Höttinger Bevölkerung ein, ihre öffentliche Versammlung zu besuchen, zu der
sie sich eine ihrer rethorischen
Dreckschleudern, diesmal aus
Salzburg, verschrieben. Da die
Versammlung, wie erwähnt, öffentlich war, kamen natürlich
auch Arbeiter in den „Bären",
um sich den Naziredner anzuhören. Es sollte aber nicht dazu
kommen! Als um 8 Uhr abends
die uniformierten Hakinger in
den Saal einmarschierten, war
die erste Tat der Hitlerhalunken, sofort über die anwesenden Arbeiter herzufallen, eine
blutige Saalschlacht zu entfesseln, die zahlreiche Opfer forderte!
Daß dieser Überfall wohl vorbereitet und organisiert war,
daß die Südtirolverräter die
Angreifer und nicht die Überfallenen waren, geht daraus hervor, daß sie dem „Bären"-Wirt
eine Kaution für entstehende
Schäden stellten, daß sie bei ihrem Marsch durch Hötting von
keinem Arbeiter (!) behelligt
wurden.
Am Kampfplatz
Um 8 Uhr marschierten etwa 80
bis 100 uniformierte Hakinger
zum Gasthof „Goldener Bär".
Sie „sangen" in ungemein frecher Weise ein „antimarxistisches" Spottlied. Und als die

A r b e i t e r s c h a f t

von

Wir rufen Euch zur Demonstration gegec den
K a c k e n k r e u z f a s c h l s c u
Die Nationalsozialisten haben far

s.
Freitag, den 27.

-ai-1932, in dencGas-shof "Goldener Bär " in"Hött;Ing eine Versammlung einberufen.
Wir aber fordern Arbeiter und Angestellte auf,

an

diesem Freitag abends halb 9 Uhr im Hofe vor dem Gasthaus "Reiter"
in Mariafr>lf

sich einzufinden, um dort in der

Volksversammlung;
flammenden Protest gegen den Hacxenkreuzfaschisxus zu erheben.
Jeder werbe und konroe !
Soz.den.Parteiausschuss Hötting.

Der Sozialdemokratische Parteiausschuß Hötting hatte mit obenstehenden Worten zu einer Volksversammlung im Gasthaus „Reiter" eingeladen.
Braunhemden in den Gasthof marsch der Hakinger kamen
einzogen, brüllten sie — india- bereits
nermäßig wie immer — ihr fa- die ersten Verwundeten
schistisches „Heil Hitler!" Ob- aus dem „Bären", manche
wohl die Mehrzahl der Saalbe- mußten hinausgetragen wersucher Sozialdemokraten und den, wurden zum Teil zur GenNichtfaschisten waren, wagten darmeriestation gebracht, anes die Hitlerianer, mit dem wel- dere lagen im Gang, der vom
schen Faschistengruß die Tiro- Saal herausführte. U. a. sah man
ler zu „grüßen". Auf all diese eine F r a u aus dem Gasthof
Provozierungen erwiderten die herauswanken, das ganze GeAnwesenden mit Pfuirufen. Die sicht blutüberströmt... So hatHitlerfaschisten griffen nun — ten sie die viehischen Burschen
wie es die Arbeitermörder ja zugerichtet. Gendarmerie ging
immer tun — sogleich zu den schließlich — nicht gegen die
mitgebrachten
Totschlägern Nazi, sondern
und Waffen. Da die von den
Hakingern Angegriffenen sich gegen die Arbeiter mit gefällnatürlich kräftig zur Wehr setz- tem Bajonett
vor und sperrte die Umgebung
ten, kam es nun zu einer
des „Bären" ab. Besondere Emgroßen Saalschlacht,
pörung löste es unter der Bevöldie meist mit Sesseln ausgefoch- kerung aus, daß ein alkoholiten wurde. Die Hakinger (SA.) sierter Gendarm sich besonders
benahmen sich wie Tiere und gegen die Arbeiter hervortat,
hieben in der brutalsten Art los. mit dem Bajonett herumfuchIm Saal wurde fast alles zer- telte und dadurch auch ein paar
schlagen. In Innsbruck sah man Menschen verletzte. Auf Einnoch selten einen Saal, der der- schreiten einiger Genossen
art demoliert war. Die Fahne mußte der Mensch schließlich
der braunen Mordgesellen wur- vom Schauplatz seiner „Helde so übel zugerichtet wie der dentaten" abgezogen werden.
große Saal. Von der Gendarme- Es muß festgestellt werden,
rie muß hier gesagt sein, daß daß von sozialdemokratischer
einige der Gendarmen in einer Seite keinerlei Störungsversuaufreizenden „forschen" Wei- che der Hakingerversammlung
se gegen die Arbeiter losgin- beabsichtigt waren, die ungegen. Dadurch wurde die Empö- heure Empörung der Bevölkerung der Bevölkerung noch viel rung über das Wüten der Nazi
größer. Eine große Menschen- eine spontane und durchaus
menge — fast ganz Hötting — begreifliche war, eine Empöwar auf den Beinen. Die Ver- rung, die sich in den stürmisammlung der Hakinger konnte schen, bis in die späten Nachtalso nicht stattfinden. Fast alle stunden andauernden Protesthatten ja etwas abbekommen. kundgebungen in Hötting draFünf Minuten nach dem Ein- matisch offenbarte.

Innsbrucker Stadtnachrichten — Offizielles Mitteilungsblatt der Landeshauptstadt. Jahrgang 1985, Nr. 7

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