Innsbrucker Stadtnachrichten

Jg.1985

/ Nr.7

- S.10

Suchen und Blättern in knapp 900 Ausgaben und 25.000 Seiten.





vorhergehende ||| nächste Seite im Heft

Zur letzten Suche
Diese Ausgabe – 1985_Innsbrucker_Stadtnachrichten_07
Ausgaben dieses Jahres – 1985
Jahresauswahl aller Ausgaben

Dieses Bild anzeigen/herunterladen
Gesamter Text dieser Seite:
Nochmals zur Höttinger Saalschlacht am 27. Mai 1932
Zu den vielfältigen Aufgaben
des Innsbrucker Stadtarchivs
und seiner drei Mitarbeiter gehört es, jeweils auf der letzten
Seite der offiziellen „Stadtnachrichten" — und nur auf dieser
Seite, das sind nicht ganz lV2
Maschinschreibseiten! — ein
Kapitel aus der Geschichte unserer Stadt kurz in Erinnerung
zu bringen. In der April-Nummer d. J. wandte sich eine Mitarbeiterin des Stadtarchivs,
Frau J. Justic, aus Anlaß der
vom Stadtarchiv gezeigten zeitgeschichtlichen
Ausstellung
über die Jahre 1932-1938 dem
Thema der unseligen „Höttinger Saalschlacht" vom 27. Mai
1932 zu. Nach dem Prinzip der
Darstellungsweise des Stadtarchivs, möglichst Stimmen der
betreffenden Zeit selbst sprechen zu lassen, brachte Frau
Justic dabei Zitate aus den
„Innsbrucker Nachrichten" vom
28. Mai 1932.

Quellenmaterials und unter be- meindewahlen statt, die Rücksonderer Bedachtnahme auf die schlüsse auf die in den VormoAusgaben der „Volks-Zeitung" naten ablaufenden politischen
vom 28. und 30. Mai 1932 im Veränderungen gestatten. Im
Sinne einer ausgewogenen Be- Vergleich mit den Nationalratsrichterstattung eine Ergänzung. wahlen 1930 verlor dort die SoZu diesem Zweck wird zunächst zialdemokratie 373 Stimmen
auf eine Darstellung zurück- von ihren früheren 2706, zum
gegriffen, welche der gewiß kleineren Teil an die Kommuninicht dem NS-Gedankengut sten, zum größeren Teil an die
nahestehende Zeitgeschichtler Nationalsozialisten, behielten
Univ.- Prof. Dr. Gerhard Botz jedoch knapp die absolute
in seinem Buche „Gewalt in der Mehrheit. Während die ChristPolitik" (2. Auflage, München lichsozialen, die zweitstärkste
1983, S. 196 f. und Anhang XI. Partei (25 %) dieses Ortes, inS. 420 ff.) gegeben hat. Botz folge Wählerzugangs von dem
schreibt dort:
nicht mehr kandidierenden
Heimatblock leichte Stimmen„Die Saalschlacht von Hötting gewinne verzeichnen konnte,
am 27. Mai 1932.
wurde die Großdeutsche VolksDie räumliche und teilweise partei, wie nicht anders zu erauch die soziale Nähe — keines- warten, von den Nationalsoziawegs aber Identität — der bei- listen fast gänzlich aufgesogen.
den schärfsten politischen Geg- Die NSDAP erreichte 1285
ner und ihre oben dargestellten Stimmen oder 24 Prozent. Daunterschiedlichen und doch neben gab es insgesamt 148
teilweise ähnlichen Gewaltstra- Kommunisten.

Da nun die genannte Saalschlacht eine blutige Auseinandersetzung zwischen Anhängern der NSDAP und solchen
der politischen Linken war und
die damaligen „Innsbrucker
Nachrichten" dem NS-Gedankengut nahestanden, erfolgt
nunmehr unter teilweiser Verwendung des vorhandenen

tegien waren die eigentliche Ursache der blutigen Saalschlacht,
die sich am 27. Mai 1932 in dem
Innsbrucker Vorort Hötting ereignete. In dieser überwiegend
von Arbeitern bewohnten Gemeinde, in der die sozialdemokratische Partei traditionell den
Bürgermeister stellte, fanden
am 25. September 1932 Ge-

In diesem noch immer „roten"
Ort kündigte die Innsbrucker
„Nationalsozialistische Arbeiterpartei (Hitlerbewegung)" für
den 27. Mai 1932,8 Uhr abends
im Gasthof „Goldener Bär",
wo sonst auch sozialdemokratische Veranstaltungen stattfanden, eine öffentlich zugängliche Versammlung — jedoch
mit dem Einladungsvermerk
„Juden bleiben zuhause" —
an. Als Redner über das Thema „Gebt Arbeit statt Almosen!" war ein Parteigenosse
Theo Stadler aus Salzburg ausersehen. Wie die Sicherheitsbehörden feststellten, planten
Sozialdemokraten und Kommunisten eine gewaltsame Störung der Versammlung. Der
Republikanische Schutzbund
3>tefe Sorben«« ©trtrtti habe in einer Versammlung im
sozialdemokratischen Gewerkschaftshaus in Innsbruck über
i« btt «M {frettai, »ts 17 » • ! itti, ha
die Entsendung einer Abteilung
nach Hötting beraten. Tatsächlich rief auch der „Sozialdemof!attflnb«nbeti «Berfammlnnfl. Besinn 8 IH>T. ttbttrtli ft*
kratische Parteiausschuß Hötaallo»o!f03laltfll|d>t »CMtfftc «rt*Merj«r!rt («llertt»!»••«>
ting" auf Flugblättern die Arbeiter und Angestellten zu einer
Sirie« Meilen a**«»!e
„Demonstration gegen den
Hackenkreuzfaschismus" (sie!)
Der Text des Flugblattes, mit dem zum Besuch der von der „ Hitlerauf, die als Volksversammlung
bewegung" veranstalteten Versammlung im Gasthof „Goldener
vor dem Gasthaus „Reiter" in
Bär" eingeladen wurde.

Stadler, &al5f>nrg

Qaftyo? „©old. Bär"S ätftiist,

Seite 10

dem wenigen hundert Meter
von Hötting entfernten, damals schon zu Innsbruck gehörenden Ortsteil Mariahilf
stattfinden sollte. Der Text war
jedoch so abgefaßt, daß leicht
eine Verwechslung der beiden
Versammlungsorte entstehen
konnte.
Im Gasthof „Goldener Bär"
fanden sich am angekündigten Abend, schon vor Beginn
der nationalsozialistischen Versammlung, „eine Anzahl gegnerischer Gruppen (Sozialdemokraten und Kommunisten)"
ein. Zur selben Zeit sammelten
sich vor dem Gasthaus „Reiter"
Schutzbündler und Sozialdemokraten. Dort wurden Reden
folgenden Tenors gehalten:
„Wir lassen uns von diesem
reichsdeutschen Gesindel nicht
länger provozieren. Die rote
Fahne, die durch das Hackenkreuz verunglimpft worden ist,
muß heruntergeholt werden."
Während die verstärkte Gendarmerie, die einen Sturm der
„Marxisten" von InnsbruckMariahilf auf das nationalsozialistische Versammlungslokal
befürchtete, alle Zufahrtswege
nach Hötting abriegelte, marschierte eine etwa 80 Mann
starke uniformierte SA-Truppe mit einer Hakenkreuzfahne zum „Goldenen Bären".
„Gleich darauf begann ein großer Tumult im Versammlungslokal. Die gegnerischen Gruppen gingen aufeinander los. Im
Verlaufe dieser nur einige Minuten dauernden, aber umso
heftigeren, mit Biergläsern,
Stühlen,
Haselnußknüppeln,
Messern und einzelnen Pistolenschüssen geführten Saalschlacht wurden die etwa 250
Gegner der Nationalsozialisten
von diesen und einigen Gendarmen aus dem Saal gedrängt.
Insgesamt wurden dabei 16 Sozialdemokraten und Kommunisten und 19 Nationalsozialisten
„erheblich" verletzt, 18 Verletzte so schwer, daß sie in klinischer Behandlung bleiben mußten. Der 56jährige Fleischhauergehilfe Sylvester Fink, Mitglied der SA, starb nach wenigen Stunden an den Folgen von

Innsbrucker Stadtnachrichten — Offizielles Mitteilungsblatt der Landeshauptstadt. Jahrgang 1985, Nr. 7