Innsbrucker Stadtnachrichten

Jg.1982

/ Nr.8

- S.8

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Auch weiterhin höchste Wassergüte
Wie es zur Trübung des Trinkwassers kam — „Ausflug" ins Stollensystem
(We) Das vor 31 Jahren in Betrieb genommene Trinkwasserwerk
Mühlau versorgt 89 Prozent der Innsbrucker Haushalte mit
Trinkwasser, und die Bevölkerung ist es gewohnt, Tag und Nacht
ausreichend mit Wasser von höchster Qualität beliefert zu werden. Diese bislang stets gleichbleibende Güte des Wassers aus den
Quellen des Karwendelgebirges wird nicht etwa, wie in anderen
Städten obligatorisch, durch Chlorierung und Ozonisierung erreicht: Innsbrucks Trinkwasser ist reinste Natur und frei von jeglichen Zusätzen.
Um so besorgter waren die
Innsbrucker und mit ihnen die
Verantwortlichen der Innsbrucker
Stadtwerke/Wasserwerk, als am 18. Juli aus den
Wasserhähnen statt des gewohnt kristallklaren Wassers
eine milchig-trübe Flüssigkeit
rann.
Durch die unmittelbar darauf
eingeleiteten Untersuchungen,
denen der mit den Gesteinsverhältnissen im Karwendel bestens vertraute Innsbrucker
Geologe Dr. Gunther Heißel
beigezogen wurde, konnte die
Ursache mit größter an Wahrscheinlichkeit grenzender Sicherheit lokalisiert werden.
Im Bereich des Rumer Stollens
befindet sich ein großer Hohlraum, der schon seinerzeit beim
Bau des Stollens Schwierigkeiten bereitet hatte. Diese „Grotte" war nämlich teilweise mit

Wasser angefüllt und am
Grund waren tonige Bodensedimente zu beobachten, die natürlich bei jeder Wasserbewegung aufgewirbelt wurden. Aus
diesem Grund wurde damals
der Hohlraum verschlossen und
ein Umfahrungsstollen weiter
in den Berg vorgetrieben.
Es ist nun anzunehmen, daß
sich das durch starken Wasserandrang bedeutend vermehrte
und trübe gewordene Wasser in
der Grotte neue Wege durch
das Gestein gebahnt hat und
teilweise auch in das Netz des
Rumer Stollens eingedrungen
ist. Es ist verständlich, daß es
innerhalb des Gesteins durch
die stete Auswaschung immer
wieder zur Bildung größerer
Hohlräume kommen kann.
Dies sowohl in der Höttinger
Breccie als auch im anstehenden Fels. Wenn nun Wasser in

yf

j,

solche Hohlräume eindringt,
kann es diese teilweise oder zur
Gänze ausfüllen. Sind diese unterirdischen Hohlraumseen in
Ruhe, kommt es zur Ablagerung feinsten tonigen Materials
am Grund der Seen. Solche Tone und Lehme entstammen vor
allem den Klüften im Gestein,
aus denen sie bei erhöhtem
Wasserdruck
ausgewaschen
werden.
Ingesamt unterliegt dieses unterirdische Labyrinth der Wasserwege natürlich langzeitig
wirksamen Veränderungen. Als
Ursachen dafür können auch
die Erdbeben in letzter Zeit
nicht ausgeschlossen werden,
die sicherlich im Berginnern das
Kluftsystem beeinflussen. Aber
auch der ständige Wasserfluß
selbst schafft immer wieder
neue Bahnen. Vor allem in diesem Jahr ist der Bergwasserspiegel, verursacht durch große
Schneemengen und durch starke Regenfälle, besonders im
Einzugsbereich, in der letzten
Zeit stark angestiegen. Dieser
erhöhte Bergwasserspiegel bedingt einen stärkeren Wasserdruck und damit eine höhere
Durchflußgeschwindigkeit, wodurch im Berginnern feintonige
Partikel ausgeschwemmt und
mitgeführt werden.
Über diesen ,, Mechanismus "
gelangten diese feintonigen
Partikel auch in die Mühlauer
Quellen und in weiterer Folge
4

Dieser heute nicht mehr zugängliche unterirdische See, von den
Erbauern des Stollens als Grotte bezeichnet, ist mit höchster
Wahrscheinlichkeit Ursache für die aufgetretene Wassertrübung.
über die Trinkwasserleitung in
viele Innsbrucker Haushalte.
Wie erwartet erbrachten die unverzüglich durchgeführten chemischen, mikroskopischen und
Röntgen-Fluoreszenz-Untersuchungen durch das Hygiene-Institut der Universität Innsbruck
die Gewißheit, daß keine wie
auch immer geartete gesundheitsgefährdende
chemische
und mineralogische Verunreinigung vorlag. Auch die bakteriologischen Befunde wiesen keine
gesundheitsgefährdenden Bakterienkolonien auf.

Als Direktmaßnahmen wurden
nun die Zutrittsstellen des Grottenwassers in den Rumer Stollen verschlossen. Als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme hat
man einen vollautomatischen
Trübungsmesser eingebaut, der
bei einer eventuellen weiteren
Trübung sofort Alarm schlagen
würde, wodurch rechtzeitig gehandelt werden könnte. Den
Innsbruckern braucht also auch
in Zukunft um die Versorgung
mit sauberem, klarem Wasser
nicht bange zu sein.
(Fotos: Stadtarchiv)

"WASSE^FASSUNG MÜHLAU W
P A N O R A M A MIT B L I C K R I C H T U N G

NORD

?,

E I N Z U G S G E B I E T OER Q U E L L E N
pH

INNTALDECKENGRENZE

Um die Wege des Wassers im Berginnern zu verstehen, muß man sich auch die geologischen Verhältnisse näher vor
Augen führen. Es handelt daher, wie die Untersuchungen durch Dr. Heißel in den letzten Jahren verstärkt gezeigt haben, um einen überaus komplizierten Decken- und Schuppenbau. Das Karwendel wird durch die höhere tektonische
Einheit, die Inntaldecke und die darunterliegende Karwendel-Schuppenzone aufgebaut.
Dieser Süd-Nord-Schnitt (unten) zeigt bildlich, daß das Wasser nicht in tiefere tektonische Stockwerke eindringen
kann, da die Inntaldecke nach unten gut abgedichtet ist. Wasserstauend wirken die Deckengrenze, der Bundsandstein
und die Reichenaller Schichten. Als Wasserträger fungieren Muschelkalk und Wettersteinkalk.
(Grafiken: Stadtwerke-Wasserwerk)

WASSERFASSUNG MUHLAU =RUMERS"iULLEN
GEOLOGISCHER

NORD - S U D - S C H N I T T

BLICKRICHTUNG

WESTEN

LEGENDE

HOTTINGER BRECCE

QARTAR

I WETTERSTEINKALK

-EINZUGSBEREICH OER MUHLAUER QLEL1EN

V / A PARTNACHSCHICHTEN

INNSBRUCK

(233

— TRIAS

MUSCHELKALK

ÉI13 REICHENHALLER SCHICHTEN
BUNTSANDSTEIN
I STÖRUNGEN, KLÜFTE.
1 ^ 1 DECKENGRENZE MIT BEWEGUNGSRICHTUNG

L**3 HOHLRÄUME,ZT MIT
SUD
K"H

YX"

Alle Niederschlagsgewässer, die nicht durch die Vegetation gebunden werden, verdunsten, oder oberflächlich über Bäche abrinnen, müssen ihren Weg durch das Innere des Gebirges nehmen.
Dabei schaffen sie sich durch das Gestein Bahnen in die Tiefe, wo
sie dann durch ein Stollensystem gefaßt werden können.

M - I HAUPTWASSERZUTRITT

IHAUPTDOLOMIT

Pfrö RAIBLER

H/> GEFÜLLT

L^U FLIESSRICHTUNG D E S

SCHICHTEN

WETTERSTEINKALK

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V6£k
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REICHENHALLERSCHICHTEN
MUSCHELKALK
BUNTSANDSTEIN

K - < 3 GESTEINE AUSSERHALB OER INNTALDECKE

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BERGWASSER SPIEGEL

I FLIESSRICHTUNG

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Wie diese Abbildung zeigt, besitzt die wasserabdichtende tektonische Untergrenze der Inntaldecke einen muldenförmigen Bau. Nachdem nun der Großteil der Niederschlagsgewässer im Berg versickert,
bildet sich in dieser Mulde eine Wasseransammlung, deren Obergrenze man den Bergwasserspiegel
nennt, der je nach Andrang des Wassers jahreszeitlichen Schwankungen unterliegt. Man könnte dies
am ehesten mit einem Badeschwamm vergleichen, denn alle feinen Porenräume des Gesteins, wie die
unzähligen Haarrisse und Klüftchen sind mit Wasser ausgefüllt. Dieses Bergwasser ist ständig in Bewegung hin zu seiner natürlichen Austrittsstelle, den Quellen. Die Verweildauer des Wassers im Berg
bis zu seiner Einspeisung in das Rohrnetz beträgt mindestens einige Monate.

5oometer