Innsbrucker Stadtnachrichten

Jg.1980

/ Nr.1

- S.16

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Unfreiwillige polnische Gäste

Über hochpolitische, europäische G r o ß m ä c h t e befassende
Ereignisse, in deren Mittelpunkt Innsbruck stand, sollen
diese Zeilen diesmal berichten.
Ausgangspunkt f ü r das Geschehen, das sich von Oktober 1718
bis A p r i l 1719 in Innsbruck abspielte, war das nicht erfolglose
Freien des damaligen P r ä t e n Von Josefine Justic
denten auf den englischen
T h r o n , Jakobs III. aus dem
Hause Stuart, um die polnische
Prinzessin M a r i a Clementine
Sobiesky.
D a eine solche Verbindung dem
englischen Königshause unter
Georg I. im Wege stand, begann sofort nach Bekanntwerden der Pläne Jakobs ein reger
Briefverkehr mit entsprechenden
Instruktionen
zwischen
L o n d o n und Wien, in dem Kaiser Karl V I . als der Familie Sobiesky nahestehender Verbündeter Englands ersucht wurde,
den Vater der Auserwählten,
Prinz Jakob Sobiesky, d a f ü r zu
bestimmen, eine derartige Heirat nicht zustande kommen zu
lassen.
Jakob Sobiesky jedoch ließ sich
selbst durch den Kaiser in seinen Plänen nicht einschüchtern
und schickte seine Tochter Clementine mit ihrer Mutter nach
Italien, wo der Bräutigam sie in
Bologna erwarten und wo auch
die Vermählung
stattfinden
sollte. Die Reise ging über
Augsburg und Innsbruck in den
Süden.
K a u m kam dieses Vorhaben
dem englischen H o f zu Ohren,
als dieser wieder den Kaiser einschaltete, der veranlassen sollte, die Prinzessinnen in Innsbruck aufzuhalten und an der
Weiterreise zu hindern. M i t der
D u r c h f ü h r u n g dieser heiklen
Mission wurde in Innsbruck der
geheime Rat, die damals oberste politische Behörde Tirols,
betraut.
So erschien auch bald nach der
A n k u n f t der polnischen Gäste
am 3. Oktober 1718 in Innsbruck — sie nahmen in der
„ G o l d e n e n R o s e " Quartier —
eine Abordnung dieser Behörde, und zwar die geheimen Räte

Ludwig Graf Lodron und Johann Franz von Sonnberg, in
dem Gasthof, um die Anweisungen des Kaisers mitzuteilen
und die Damen in Kenntnis zu
setzen, d a ß sie wohl längere
Zeit i n Innsbruck zu verweilen
h ä t t e n . D a f ü r diesen Zweck die
Räumlichkeiten in der „ G o l d e nen Rose" " auf die Dauer nicht
ausreichend waren, übersiedelten die Prinzessinnen und der
mitgebrachte Hofstaat Ende
Oktober in das sogenannte
Greiffensche Haus in der Neustadt
(=
Maria-TheresienStraße 38, heute Palais Trapp).
Das Leben des polnischen H o fes i n Innsbruck verlief ziemlich
ruhig. Die Prinzessinnen sah
man selten außer Hauses, und
der geheime Rat ging seiner
Verpflichtung, besonders Clementine aufs genaueste zu überwachen, gewissenhaft nach.
Prinzessin Clementine wollte
sich mit diesem ihrem Schicksal
jedoch nicht zufriedengeben.
Nachdem sie auch durch einen
regen Briefwechsel mit ihrem
inzwischen informierten Bräutigam aus Italien Zuspruch und
Unterstützung erhalten hatte,
f a ß t e sie den Entschluß, ihrem
ungewollten
Aufenthalt
in
Innsbruck ein Ende zu setzen

I

und kurzerhand zu entfliehen.
Doch auch der geheime Rat
wurde von Wien aus, wo man
schon Verdacht geschöpft hatte, gewarnt, und entsprechende
Vorkehrungen wurden sofort
getroffen. So quartierte man
unter einem plausiblen Vorwand im angrenzenden Gebäude einen Oberstleutnant mit
Mannschaft ein, und die „Vertrauten" des geheimen Rates
wurden angewiesen, darauf zu
achten, die Prinzessin zumindest einmal pro Tag „ z u Gesicht zu bekommen".
Trotzdem gelang der Prinzessin
in der Nacht vom 27. auf den
28. A p r i l 1719 ihr Vorhaben.
M i t H i l f e von Freunden Jakobs
III. gelang es ihr, als Mann verkleidet, ihre Unterkunft zu verlassen und zu Fuß — als perfek-

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V

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R

tes Täuschungsmanöver — auf
die andere Seite des Inns zu
kommen, wo beim Gasthof
zum Lamm bereits eine Kutsche
wartete, mit der sie ungeschoren die Fahrt über den Schönberg in Richtung Brenner antreten konnte. Ihre Mutter schützte in den nächsten zwei Tagen
eine Unpäßlichkeit der Tochter
vor, so d a ß man in Innsbruck
die Flucht Clementinens erst
durchschaute, als diese schon in
Peri, auf venezianischem Gebiet, angelangt war.
Der geheime Rat mußte wohl
oder übel die peinliche Nachricht nach Wien weitergeben.
U m noch etwas unternehmen
zu können, war es jedoch schon
zu spät.
Der Heirat Prinzessin Clementines mit Jakob III. am 1. September 1719 in Rom stand
nichts mehr im Wege. Die englische Krone zu tragen, war ihr
jedoch nicht vergönnt. Das
Paar lebte nur in Rom als Königin und König von England.

HUNDERT JAHREN

15. Jänner: U m eine Lösung f ü r
das ansteigende Defizit des A r menfonds der Stadt zu finden,
setzt der Gemeinderat eine
Kommission ein, „welche Mittel und Wege suchen soll, durch
E r h ö h u n g der Einnahmen und

Verminderung der Ausgaben
diesen bösen Geist zu bannen".
20. Jänner: „Gestern zwischen
12 und 1 Uhr nachmittags
brannte der auf dem Mittelgebirge oberhalb A r z l gelegene
Rechenhof nieder."
29. Jänner: Der Budgetausschuß des Reichsrates genehmigt die 30.000 f l zum Ankauf
des Baugrundes f ü r das „ J u stizhaus" in Innsbruck.
4. Februar: Im Anschluß an die
österreichische
Gesellschaft
vom Roten Kreuz bildete sich
auch in Innsbruck, wie in anderen Städten Tirols, ein patriotischer Frauen-Hilfsverein, dessen Zweck es ist, die Pflege und
Unterstützung
verwundeter
und kranker Krieger zu übernehmen.

Porträt der Clementine Sobiesky auf einer Medaille des Jahres
1719 (Original im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Foto:
Murauer).

10. Februar: Die Innsbrucker
Liedertafel bereitet sich schon
f ü r die Feiern ihres 25jährigen
Jubiläums im A p r i l d. J . vor.
Es sollen ein Festkonzert und
eine Festliedertafel stattfinden,
wozu auch Einladungen an alle
Tiroler Sängervereine und befreundete Vereine außerhalb ergehen werden.
J.