Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1937

/ Nr.5

- S.4

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Diese Ausgabe – 1937_Amtsblatt_05
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.Amtsblatt N r . 5
d) Väter von kinderreichen Familien in städtischen Aemtern
und Betrieben dürfen weder ausgestellt, gekündigt, abgebaut oder entlassen werden, ohne darüber eine gesonderte Beratung im Gemeindetag vorzunehmen. (Der Gemeindetag nimmt Zur Kenntnis, daß es sich hier um die
Zuständigkeit des Bürgermeisters handelt.)
«) Kinder aus solchen Familien müssen unter sonst gleichen
Voraussetzungen bei der Anstellung in städtischen Aemtern und Betrieben bevorzugt werden.
ä) Kinder aus solchen Familien haben bei der Verleihung
von Schulbüchern seitens der Schulen den Vorzug.
III. Bevorzugung kinderreicher Familien, die gewisse
Stadteinnahmen schmälern
a) Wasser- und Kanalgebühren werden für kinderreiche Familien um 50 Prozent ermäßigt.
dj Die Mullabfuhr wird für kinderreiche Familien um 50
Prozent ermäßigt.
a) Bei Gas und Elektrizität werden für kinderreiche Familien nur 50 Prozent des Verbrauches in Rechnung gestellt und die Grundgebühr zur Hälfte erlassen.
B e m e r k u n g : Alle diese Ermäßigungen stellt sich der
Gemeindetag im Rückvergütungswege vor.
ci) Die Badeanstalten gewähren für solche Familien 50 Prozent Ermäßigung. (Mit Ausschluß des Hallenbades.)
6) Die Stadt stiftet für jede Kindervorstellung 100 Freiplätze
für Kinder aus solchen Familien.
k) Die Stadt gibt an kinderreiche Familien jährlich 2 Freifahrscheine auf der Hafelekarbahn und zu weiteren Besuchen jeweils Familienfahrkarten, die nur den Fahrpreis für die Eltern berechnen. (Regiepreis muß bezahlt
werden.)
3) Bevorzugung kinderreicher Familien bei Abgabe von
Freibankfleisch.
IV. Der Gemeindetag nimmt weiterhin folgende A n r e g u n g e n des Kulturausschusses zustimmend zur Kenntnis 1
a) Die Stadtgemeinde legt als Grundsatz fest, daß sowohl
im Magistrat als auch in den Betrieben und Anstalten
zwei Fünftel aller Tätigen Familienerhalter fein müssen.
d) Die Stadtgemeinde regt bei den Lokalbahnen und der
Bundesbahn in gleicher Weise wie auf der eigenen Hafelekarbahn die Ausgabe von Familienfahrscheinen,
welche auf die Legitimation hin abgegeben werden, an.
e) Die städtische Molkerei gibt ihre Milch und Produkte an
solche Familien mit einer festzufetzenden Menge pro
Kopf zu Regiepreisen ab (d. h. die Gewinnspanne der
Molkerei wird gestrichen).
6) Die Stadtgemeinde regt bei der Landesregierung die
höchstmögliche Besteuerung von Annoncen an, die geeignet
sind, gegen den Kinderreichtum Propaganda zu machen.
e) Die Stadtgemeinde legt dem Finanzministerium das Ersuchen vor, für kinderreiche Familien billigen Zucker zur
Verfügung zu stellen.
f) Die Stadtgemeinde legt der Kaufmannschaft nahe, Sonderrabatte für kinderreiche Familien zu gewähren.
I n der Wechselrede, die der Beschlußfassung vorausging,
hat Herr Bürgermeister Fischer erklärt, daß er sich den Gedankengängen des Kulturausschusses vollkommen anschließe
und die Notwendigkeit von Mahnahmen auf dem Gebiete
des Familienschutzes gewiß anerkenne, daß er aber hinsichtlich der praktischen Durchführbarkeit und der Aussichten auf
einen Erfolg dieser Beschlüsse andere Ansichten habe, die er
dem Gemeindetage nicht vorenthalten könne. Er habe sich
mit dem Familienproblem schon seit Jahren beschäftigt.
Auch der frühere Gemeinderat habe gezeigt, daß er Verständnis dafür habe, indem er erhöhte Familienzulagen und
für die Familien mit Kindern auch Weihnachtsgaben be-

willigte. Das Studium der Maßnahmen, welche der nördliche und südliche Nachbar für die Hebung des Kinderreichtums ergriffen haben, zeigte aber, daß eigentlich nur eine
einzige Aktion zum Erfolge führte, nämlich die Schaffung
von Wohnung und Raum für die Familie im Wege großzügiger Bereitstellung von Siedlungen. Alle übrigen Bemühungen seien trotz Aufwendung gewaltiger Mittel fozufagen ohne sichtbaren Erfolg geblieben. Die Siedlungsfürsorge habe aber auch in Oesterreich und nicht zuletzt in Innsbruck beste Erfolge gezeitigt. Deshalb setze er sich nach wie
vor für die Weiterführung von Aktionen ein, die in dieser
Richtung liegen.
Was die einzelnen Anträge des Ausschusses anlangen, so
müßte schon der einleitende Antrag betreffend die Uebernahme von Patenschaften Bedenken hervorrufen. Solche
Patenschaften könnten von einem verantwortungsbewußten
Bürgermeister kaum übernommen werden, wenn sie nicht
von vornherein so aufzufassen seien, daß der Bürgermeister
hinsichtlich der Kinder begüterter Eltern nur eine stellvertretende Rolle übernähme und hinsichtlich der Kinder bedürftiger Eltern feine Aufgabe durch das städtische Jugendamt besorgen lassen könne. Die Patenschaft im Sinne der
kirchlichen Vorschriften, wie sie der Kulturausfchuß fordere,
gehe über diesen Rahmen wohl hinaus.
Auch eine Veröffentlichung der Namen kinderreicher Eltern werde in manchen Fällen am Widerstände der davon
Betroffenen scheitern, was vorliegende Zuschriften aus solchen Kreisen jetzt schon beweisen. Eine Veröffentlichung
müsse unbedingt unterbleiben, wenn das im einzelnen Falle
gewünscht werde. Dieser Wunsch sei in manchen Fällen zu
erwarten und um so begreiflicher, als sich bemittelte Eltern
nicht gerne als diejenigen hinstellen lassen, die von der Gemeinde Begünstigungen nur auf Grund ihrer Kinderzahl in
Anspruch nehmen, obwohl sie eine solche wegen ihres Einkommens weder verdienen noch verlangen.
Diese Begünstigungen seien nach den Anträgen des Kulturausschusses übrigens ziemlich weitgehend; sie belasten die
Stadtgemeinde nicht nur sehr empfindlich, fondern bedürfen
auch eines größeren Verwaltungsapparates. Schließlich
seien sie geeignet, in das System der städtischen Abgabenwirtschaft bedenkliche Breschen zu schlagen. Das einzige
Tröstliche sei, daß der Kulturausschuß die Ermäßigungen im
Rückvergütungswege empfehle. Eine Ermäßigung schon bei
der Vorschreibung der Gebühren und Abgaben würde nicht
durchführbar sein. Aber auch so dürften die Verwaltungskosten in keinem Verhältnis zum gewollten Erfolge stehen.
Dazu komme, daß sicher berechtigte Vorwürfe nicht ausbleiben werden dahingehend, daß diese Beschlüsse des Gemeindetages nicht sozial seien. Von den Ermäßigungen werden viele Familien nicht betroffen, die in bedrängter Lage
sind, wie z. V. Familien von Invaliden und Arbeitslosen,
die zwar nicht 4 Kinder haben, wohl aber Verwandte im
Haushalte miternähren, während Familien mit 4 Kindern
von begüterten Leuten die beantragten Begünstigungen erhalten, ohne daß sie darum ansuchen müßten. Solche Vorwürfe feien auch bereits erhoben worden, ohne daß die Anträge des Kulturausfchusses darauf Rückficht nehmen.
Besondere Schwierigkeiten dürften sich ergeben bei der
Ermäßigung der Kanal- und Wassergebühren. Die Vorschreibungen werden in Innsbruck Häuferweise vorgenommen.
Sicher werden Familien von der Ermäßigung betroffen, die
sie gar nicht verdienen, anderseits werden Familien Zur
Mehrzahlung herangezogen werden für Wasser, welches sie
gar nicht verbraucht haben. Unstimmigkeiten im Hause werden die Folge sein. Bei den Mullabfuhrgebühren dürfte es
sich ähnlich verhalten. Am leichtesten lasse sich noch die Ermäßigung bei den Elektrizitäts- und Gasgebühren durchführen, weil jede Partei einen eigenen Zähler habe. Die.Be-