Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1972

/ Nr.12

- S.2

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aber entsprechender Form die Erreichung der politischen Mündigkeit bewußt gemacht werden. Das
soll geschehen ohne Belehrung
und Aufforderung, in irgendeiner
Richtung zu wirken. Mit nüchternen, aber klaren Worten, ohne die
Überheblichkeit, mit der ältere
Menschen oft zu jungen Leuten
sprechen. Es soll an diesem Tag
das in den Vordergrund gestellt
werden, zu dem wir uns ohne Unterschied der Weltanschauung in
unserer Heimat
bekennen. Die
unter Mühen und Opfern gefundene gemeinsame Basis, gebaut
auf den Willen, für Frieden, Freiheit und Demokratie zu arbeiten,
soll Ihnen nahegebracht werden.
Sie sollen erkennen, daß Sie nun
die Verantwortung für die Verwirklichung
bzw.
Erhaltung
dieser
Ideale mitübernehmen und mitbestimmen, ob diese Worte Phrasen
bleiben oder ob sie weiter bestimmend für unsere Gesellschaftsordnung sein werden."
In der Festansprache wies Bürgermeister Dr. Lugger darauf hin, daß
sich mit den Jungbürgern auch die
Mitglieder des Innsbrucker Gemeinderates versammelt haben, um
gemeinsam mit den Jungbürgern
die Tatsache zu würdigen, daß sie
in ihrem Leben jenen Schritt getan
haben, der sie zur politischen Mitverantwortung als Bürger unseres
Staates führt. „Wenn heute Ihr besonderes Interesse", so sagte der
Bürgermeister, „auf das öffentliche
Leben unserer Gemeinde, unseres
Heimatlandes Tirol, unserer Republik Österreich gerichtet ist, so
werden sich vielleicht manche unter
Ihnen fragen, ob dieses öffentliche
Leben Ihres Einsatzes würdig ist,
ob sich in ihm nicht einfach ein
sehr offenkundiges Interesse der
politischen
Parteien
breitmache,
Stimmen, Parteigänger, Mitarbeiter
zu werben? Ich habe volles Verständnis für solche Fragen, ich
weiß, wie leicht sie sich uns heute
aufdrängen können. Trotzdem muß
ich, wenn ich hier als Bürgermeister zu Ihnen sprechen darf, zunächst eine Feststellung treffen.
Ich darf diese Feststellung für
meine Person, aber auch für alle
Stadt- und Gemeinderäte aussprechen: Wir schätzen Ihre staatsbürgerliche Volljährigkeit, die Sie zur
Mitverantwortung
und Mitgestaltung des öffentlichen Lebens ermächtigt, zu hoch ein, um sie zum
Vorwand für parteipolitischen Stimmenfang zu nehmen."

2

Es gehe in dieser Stunde nicht um
den Versuch einer Beeinflussung,
wie, das heißt, zugunsten welcher
politischen Partei die Jungbürger
ihre
staatsbürgerlichen Rechte
wahrnehmen sollten, sondern um
die Würdigung der Tatsache, daß
die Jungbürger nun
berechtigt
sind, diese Rechte auszuüben.
Nach einem Hinweis, daß es nicht
selbstverständlich sei, sondern als
kostbares
Geschenk
betrachtet
werden müsse, wenn man in einem
freien, demokratischen Staat leben
könne, führte der Bürgermeister
die Jungbürger in ihre Rechte,
Pflichten und Möglichkeiten ein,
die ihnen mit der Erreichung ihrer
politischen Volljährigkeit nun offenstehen und sie in einen neuen,
größeren Raum mitmenschlicher
Beziehungen führen. Keiner könne
für sich allein leben. Dies gelte für
die Familie, dies gelte aber auch
für jede Gemeinde, jedes Bundesland, jeden Staat. Ob die Jungbürger es wollten oder nicht, ob sie
aktiv würden oder passiv blieben,
auf jeden Fall würde durch ihr Verhalten von nun an das öffentliche
Leben Österreichs mitbestimmt.
Es sei das Vorrecht der Gemeinde,
die schon mit dem bisherigen Lebensweg der Jungbürger besonders
eng verbunden war, die Jungbürgerinnen und Jungbürger zur Erreichung der politischen Mündigkeit
zu beglückwünschen und es zähle
zu den schönsten Aufgaben des
Bürgermeisters, ihnen aus diesem
Anlaß auch einige Gedanken zur
Mitsorge am öffentlichen Leben vorzulegen. Der Bürgermeister zählte
dann die Möglichkeiten auf, in denen die wahlberechtigten Bürger
durch ihren Stimmzettel das öffentliche Leben mit beeinflussen. Diese
demokratische Mitbestimmung sei
so weittragend, daß sie den Jungbürgern eine umfassende Auseinandersetzung mit dem gesamten
öffentlichen Leben abverlange. Es
gelte deshalb sich ausreichend zu
informieren, ein eigenes Urteil zu
bilden, in freimütiger Diskussion
die eigene Überzeugung zu überprüfen und schließlich, wo Überzeugung
gegen
Überzeugung
stehe, auch die Meinung des anderen zu respektieren, ohne die
eigene preiszugeben. In diesem
Bemühen sei die Mitgestaltung des
öffentlichen Lebens dann nicht nur
eine Angelegenheit der Stimmabgabe bei den Wahlen, sondern eine
Aufgabe, die sich täglich stelle und
die zur Übernahme von Verant-

wortung für den Nächsten dränge,
eine Verantwortung, die einerseits
nach
politischen Gruppierungen
verlange, andererseits aber durchaus nicht nur im Rahmen der politischen Parteien
wahrgenommen
werden könne.
Wenn die Jungbürger all das
Große würdigen, so schloß der
Bürgermeister, das von Österreichern geleistet wurde, wenn Sie
der Schönheiten und Schätze unseres Landes gewahr geworden sind,
dann werden Sie sich auch für die
Aufgaben
bereithalten,
die
im
öffentlichen Bereich auf Sie zukommen. Dann werde es Ihre eigene
Überzeugung sein, daß diese Stadt,
diese Heimat, dieses Vaterland
Ihres Einsatzes, Ihrer Mitsorge und
Mitverantwortung wert ist.
Anschließend an die Ansprache
des Bürgermeisters legten Fräulein
Katharina Wilflingseder und Frank
Höpfel die symbolische Angelobung ab.
Die beiden Vertreter der Jungbürger richteten dann auch einige
Worte an den Bürgermeister und
den Gemeinderat. Die Jungbürger
seien sich bewußt, so sagte Fräulein Wilflingseder, daß sie mit dem
heutigen Tag nicht nur Rechte erwerben,
sondern
auch
ernste
Pflichten übernehmen. In bezug
auf ein Zitat Ralph Emersons, der
sagte, Gott biete jedem die Wahl
zwischen Wahrheit und Schlaf, beides könne er nicht haben, bezeichnete es die Sprecherin der Jungbürger
als
die
entscheidende
Frage, die sich die Jungbürger immer stellen müßten: Schreiten wir
voran oder geben wir uns mit dem
Erreichten zufrieden. Gerade in
einer so spannungsgeladenen Zeit
wie der heutigen, könnten sie es
sich aber einfach nicht leisten, zu
schlafen. Nach einem Hinweis auf
den Pluralismus, die Vielfalt der
Gesinnungen, die auch von der
Jugend Besitz ergriffen habe und
mitunter ein Unbehagen auslöse,
stellte Frank Höpfel fest, es könnte
vielleicht der gemeinsame Nenner

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