Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1971

/ Nr.7

- S.3

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und Kollegen, die in diesen 25
Jahren im Innsbrucker Gemeinderat wirkten, ausdrücklich feststellen.
Die Demokratie muß immer wieder
neu durchdacht und erarbeitet werden. Angesichts der Entwicklung
in Wirtschaft und Technik, im Wissen der Verantwortung für die Zukunft, in der Sorge, daß in unserem Zeitalter der Elektronik nie der
Computer auch die Persönlichkeitswertung des Einzelmenschen bestimmen darf, sondern daß sich
der Mensch immer wieder seiner
eigenen und unveräußerlichen Verantwortung bewußt werden muß, ist
von uns allen eine stets neue Konfrontation mit den Formen unseres
Zusammenlebens in einer freien
Gesellschaft gefordert.
Auch die Verantwortlichen einer
Stadt wie Innsbruck können sich
dieser Forderung nie verschließen.
Demokratische Willensbildung ist
ein nie endender Prozeß, der ständige Veränderungen hervorbringt
und
so
die
Voraussetzungen
schafft, um den Aufgaben, wie sie
von Gegenwart und Zukunft gestellt
werden, gerecht werden zu können.
Dieser Prozeß ermöglicht es aber
auch, Unzulänglichkeiten der demokratischen Ordnung mit den Mitteln
der Demokratie selbst zu überwinden. Auch das Innsbrucker Stadtrecht ist dieser Entwicklung unterworfen.
Nur eine in diesem Sinne dynamische Demokratie wird den Bürger
auch bereit finden, an ihrer Verwirklichung selbst mitzuwirken, und
zwar in der Ausübung seiner demokratischen Rechte, die sich keineswegs mit der Wahrnehmung des
Wahlrechtes schon erschöpft. Dies
erfordert aber das Gespräch nach
allen Seiten, dies erfordert Diskussion und Gegenüberstellung der
Argumente, wobei die jeweils durch
eine Maßnahme erfaßten Mitbürger
ebenso gehört werden müssen wie
die zuständigen Fachleute.
Es muß unseren Mitbürgern durchschaubar gemacht werden, welche
Lösungen die von ihnen Gewählten anstreben, was die Stadt als
Gemeinschaft leisten kann, was die
Wirtschaft in unserer Stadt ermöglicht, was die Freizeitgestaltung uns
abverlangt, aber auch, welche Aufgaben wir im Zentrum unseres Landes wahrzunehmen haben, welche
Brücken auszubauen sind, um Europa zu finden und dem freien
Menschen in dieser Welt gerecht
zu werden.

Der Bürger will Gewißheit darüber
haben, daß seine Angelegenheiten
im Bereich des öffentlichen Lebens
mit Umsicht wahrgenommen und
mit starker Hand bewältigt werden.
Er will mit seiner Meinung entsprechend Gehör finden, er soll
aber auch über seinen Blickwinkel
hinaus in das Für und Wider, in die
größeren Zusammenhänge der anstehenden
Probleme
eingeführt
werden.
Unser Innsbrucker Stadtrecht, das
nur zu verstehen ist aus der Entwicklung der Demokratie in Österreich, bietet durchaus Möglichkeiten, um moderne Formen demokratischen Zusammenlebens zu
entwickeln. Ich möchte in diesem
Zusammenhang auf eine noch unausgefüllte Bestimmung unseres
geltenden Stadtrechtes verweisen,
nämlich den § 35, der vom Ortsvorsteher und Ortsausschuß handelt.
Den gewachsenen Stadtteilen Innsbrucks, die ihre eigene Tradition
haben, steht auch in Zukunft der
Anspruch zu, ihre lokale Gemeinschaft zu pflegen, ob dies nun im
Rahmen hergebrachter Einheiten
wie der freiwilligen Feuerwehr, der
Musikkapelle, der Schützenkompanie, des Pfarrkirchenchores, von
Sängervereinigungen oder Sportgemeinschaften, von sozialen Organisationen oder im Rahmen anderer Initiativen geschieht.
Nicht weniger Anspruch, lokale Gemeinschaften zu pflegen, haben
aber auch die neuen Stadtteile, die
seit dem Krieg entstanden sind und
vielleicht in anderen Formen ihrer
lokalen Zusammengehörigkeit und
ihren besonderen Anliegen Ausdruck geben. Die Bildung beziehungsweise Erhaltung solcher Gemeinschaften ist zweifellos ein Weg
dazu, um die Bürger dieser Stadt
zu Mitbürgern in der Verantwortung zu machen, um sie zum Mitreden und Mitentscheiden in den
Geschicken unserer Stadt zu führen. Die Präambel der allgemeinen
Tiroler Gemeindeordnung sagt ja
mit Recht: ,Die Gemeinden Tirols
sollen sich bewußt sein, daß sie
das Fundament des Staates bilden.
Sie sollen trachten, ihre Verwaltung
zu einer lebendigen Gemeinschaftsverwaltung zu entwickeln, an deren Sorgen jeder einzelne Gemeindebürger im Bewußtsein seiner
Zugehörigkeit zur Gemeinde und
seiner Mitverantwortung für deren

gesunde Entfaltung lebhaften Anteil
nimmt."
Ich bin daher der Ansicht, daß es
nicht zuletzt angesichts der ständigen Zunahme unserer Bevölkerung und im Interesse der vorhin
erwähnten Erfordernisse der Transparenz und der demokratischen
Willensbildung auf breitester Basis
für Innsbruck notwendig geworden
ist, die Möglichkeiten, die das
Stadtrecht zur Schaffung von Ortsausschüssen und Bestellung von
Ortsvorstehern bietet, nunmehr in
vollem Ausmaß auszuschöpfen. Das
Stadtrecht sieht hiefür vor, daß der
Gemeinderat zur leichteren Besorgung örtlicher Geschäfte der Gemeindeverwaltung in Teilen des
Stadtgebietes auf Grund von Vorschlägen der im Gemeinderat vertretenen Wählergruppen Ortsausschüsse berufen kann. Der Bürgermeister kann mit Zustimmung des
Stadtsenates im betreffenden Ortsteil wohnende Gemeinderatsmitglieder, aber auch nicht dem G e meinderat angehörende Bürger als
Ortsvorsteher berufen.
Überall in unserer Verwaltung, sei
es der Gemeinden, des Landes
oder unserer Republik finden wir
heute nicht mehr gerechtfertigte
Relikte des Obrigkeitsstaates. Sie
gilt es abzubauen! Dabei wird allerdings klar zu unterscheiden sein
zwischen solchen Relikten und der
angemessenen Autorität, mit der
jedes Gemeinwesen ausgestattet
sein muß, wenn es darum geht,
besondere Pflichten und damit
korrespondierende Rechte zur G a rantie des Schutzes des Einzelmenschen und der Wahrung von Recht
und Ordnung zu erfüllen. Je mehr
Möglichkeiten der
unmittelbaren
Demokratie auch in der Gemeinde
geschaffen und von den Bürgern
wahrgenommen
werden,
umso
wirksamer wird es Hand in Hand
damit möglich sein, die Relikte unzulässiger
obrigkeitsstaatlicher
Praktiken zu beseitigen.
Hatten die Mitglieder des Gemeinderates vor 25 Jahren in erster
Linie die Sorgen des Wiederaufbaues, der Versorgung unserer Bevölkerung mit Nahrung und Kleidung und der Schaffung von Arbeitsplätzen zu tragen, so ist der
heutige Gemeinderat neben den
allgemein notwendigen Aufgaben
besonders dazu verpflichtet, der
Bedrohung der Bevölkerung durch
zivilisatorische und technische Faktoren entgegenzuwirken.
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