Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1971

/ Nr.7

- S.2

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Bürger sind, der ,Familie Innsbruck", wenn Sie mir diese Bezeichnung erlauben, möchte ich herzlich
begrüßen, ob sie nun Kollegen unseres Gemeinderates waren, Ehrenringträger sind oder als Träger
eines Kunstförderungspreises oder
des Sportehrenzeichens uns die
Ehre ihrer Anwesenheit geben, ob
sie in der Verantwortung eines
städtischen Amtes stehen, als Vertreter unserer Mitarbeiter in der
Gemeindeverwaltung bei uns sind,
oder ob wir in ihnen Repräsentanten der Mitverantwortung für diese
Stadt seit 1945 sehen dürfen. Sie
alle möchte ich herzlich begrüßen,
in Freude und Dankbarkeit dafür,
daß Sie in dieser festlichen Stunde
bei uns sind.
Wenn wir gemeinsam zurückblikken auf die 25 Jahre unserer Gemeindedemokratie, die seit dem
Jahr 1946 vergangen sind, dürfen
wir feststellen, daß sich damit erstmals seit dem Bestehen der Republik Österreich ein Vierteljahrhundert kontinuierlicher und nicht gewaltsam unterbrochener demokratischer Ordnung unserer Gemeinde
vollendet hat. Eine Tatsache, die
uns das Geschenkhafte, das Einmalige dieser für unsere Gemeinde
und uns alle glücklichen und friedvollen Entwicklung ins Bewußtsein
rufen muß.
Gedenktage sind immer Tage der
Erinnerung und des Rückblickens.
So ist es ein Gebot der Stunde, die
Situation des Jahres 1946 vor
unseren Augen erstehen zu lassen
und die Verdienste jener zu würdigen, die damals der Demokratie
zum Durchbruch verholten haben.
Als sie sich anschickten, die demokratische Verfassung wiederzuerrichten, wie sie in dem vom Tiroler
Landtag am 9. März 1921 beschlossenen „Gemeindestatut für die Landeshauptstadt Innsbruck" grundgelegt ist, waren zwölf lange Jahre
vergangen, seit Innsbrucks Bürger
zum letzten Mal zur Wahl ihrer
Stadtvertretung schreiten konnten.
Die mit dem Kriegsende gebotene
Möglichkeit, die demokratischen
Einrichtungen neu zu schaffen,
konnte in den Wirrsalen des Jahres 1945 zunächst freilich nur in
provisorischen Lösungen wahrgenommen und erst nach Überwindung nicht unbeträchtlicher Schwierigkeiten voll genützt werden."
Der Bürgermeister gab dann einen
Überblick über den historischen
Ablauf der Neukonstituierung des
2

Innsbrucker Gemeinderates und
setzte fort: „Hoher Gemeinderat,
sehr verehrte Festgäste! Wir haben
von den unmittelbaren Nachkriegsjahren zu viel Abstand gewonnen,
um heute noch voll ermessen zu
können, was die Frauen und Männer des Innsbrucker Gemeinderates, was die Bürger unserer Stadt
damals geleistet haben. Vom Hunger gezeichneten materieller Armut
und noch nicht erholt von den Strapazen der Kriegsjahre, kannten sie
kein vordringlicheres Ziel, als die
Kriegsfolgen zu beseitigen und das
Gemeinwesen wieder nach den
Grundsätzen der Demokratie auszurichten.
Ich möchte zurückgreifen auf die
damals
erschienene
Broschüre
„Innsbruck hilft sich selbst" und
daraus nur wenige Sätze zitieren,
die das eindringlich machen können. Über das Erbe, das der Krieg
hinterlassen hat, lesen wir: ,Von
den 25.793 Wohnungen der Stadt
fielen 15.386 dem Krieg mehr oder
weniger zum Opfer. Das sind 60
Prozent. Nur 10.407 Wohnungen
blieben völlig verschont."
Wir lesen aber auch: ,Von den
hunderttausend Einwohnern der
Stadt haben 36.834 je einen Halbtag geschaufelt und den Karren geschoben. Bei dieser Gelegenheit
haben sie »nebenbei« 250.000
Mauerziegel, das sind 830 Kubikmeter, aus den Trümmern zurückgewonnen." Etwa 64 Prozent der
Einwohner waren damals Frauen,
Kinder, Greise und Kranke, Mitbürger also, die sich an der großen
Schutträumungsaktion nicht beteiligen konnten.
Was in diesen Tagen geleistet
wurde — sei es durch die Gemeindevertretung, sei es durch
die Innsbrucker Bevölkerung — in
Anerkennung und Wertschätzung
zu würdigen, muß uns heute gemeinsames Anliegen sein. Durch
nichts freilich können wir das neugewonnene Geschenk der Demokratie, können wir das Andenken
ihrer Pioniere des Jahres 1946
besser würdigen, als indem auch
wir, zwar unter veränderten Voraussetzungen, aber in gleicher Einsatzbereitschaft und Unbedingtheit,
uns den Forderungen der Demokratie hier und heute stellen.
Das Kriegsende hat uns allen,
welcher politischen Partei immer
wir angehören, eine Aussaat gebracht, die reiche Frucht zeitigt.
Gemeinsam erlittene harte Schick-

Bürgermeister Dr. Lugger bei der Festansprache, in der er sich auch mit den Notwendigkeiten und Möglichkeiten der stets g e b o tenen Erneuerung der Demokratie befaßte.
Im B i l d rechts 2. Bürgermeister-Stellvertreter
Dir. O b e n f e l d n e r .
(Foto: Birbaumer)

sale, die Abkehr von Idolen und unerfüllten Erwartungen hat die Repräsentanten der verschiedenen
politischen Richtungen einander
nähergebracht. Die früher oft unversöhnlichen Auseinandersetzungen unter den politischen Parteien
gaben mehr und mehr einem Klima
der Toleranz und des gegenseitigen Verstehens Raum. Nicht daß
Grundsätze
preisgegeben
oder
Ideale verraten werden sollten.
Aber die bitteren Erfahrungen haben eine Läuterung bewirkt zu
mehr Duldsamkeit, zur größeren
Achtung vor dem Andersdenkenden
und zum Wissen, daß viel Gemeinsames, das in Zukunft nicht wieder
gefährdet werden darf, über dem
steht, was der Auffassung nach unterschiedlich ist.
In diesem Sinne hat der Innsbrukker Gemeinderat zu einer neuen
Form der gemeinsamen demokratischen Verantwortung für die Bevölkerung unserer Stadt gefunden,
die etwa in der Zwischenkriegszeit
noch undenkbar erschienen wäre.
Ich möchte dies heute in Dankbarkeit gegenüber allen Kolleginnen
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