Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1971

/ Nr.3

- S.20

Suchen und Blättern in knapp 900 Ausgaben und 25.000 Seiten.





vorhergehende ||| nächste Seite im Heft

Zur letzten Suche
Diese Ausgabe – 1971_Amtsblatt_02_03
Ausgaben dieses Jahres – 1971
Jahresauswahl aller Ausgaben

Dieses Bild anzeigen/herunterladen
Gesamter Text dieser Seite:
Ein Neubouprojekt für das Alte Rathaus (1861/62)
Stadtkundlicher Beitrag von Archivdirektor Dr. Franz-Heinz Hye
Das starke Anwachsen unserer Stadt in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts sowie die gewaltige Zunahme der Verwaltungsaufgaben des Magistrats
hatten u. a. zur Folge, daß das Alte Rathaus in der
Herzog-Friedrich-Straße zu eng wurde und nach
einer Lösung dieses Problems gesucht werden
mußte. Einen Weg, die Frage der Raumknappheit
zu lösen, sah man in einem totalen Neubau des um
das Haus Nr. 23 gegen Süden zu erweiternden Rathauses.
Diesem Projekt gab auch der Bürgerausschuß seine
Zustimmung. Er verlautbarte am 8. Oktober 1861 die
Bedingungen eines Architektenwettbewerbes zur
„Herstellung eines der Würde der Landeshauptstadt
entsprechenden Rathhauses ". Als letzter Einsendetermin wurde der 8. Jänner 1862 fixiert. Die Wettbewerbsausschreibung hatte ein unglaublich weites
Echo gefunden: Es beteiligten sich nicht weniger als
42 Architekten von St. Petersburg (Leningrad) bis
Genf. Um eine weitgehend unvoreingenommene Beurteilung zu erreichen, mußten die Projekte unter
einem „Motto", nicht unter dem Namen des Autors
eingesandt werden. Nach Ablauf der Einsendefrist

E i n e r der Rathaus-Neubauentwürfe von 1861/62, nach e i n e m Lichtdruck von J . Löwy, W i e n , auf der N e u j a h r s e n t s c h u l d i g u n g s k a r t e der
Stadt Innsbruck von 1891.
{Foto: Margarete Hye)

•U3>)3ii)3sqDDu

3Miq

"ua6ozj3A

j86uDjdwg

S||Dj

>pruqsuu| 0709 lUJDisodsßoj «a/^
>pnjqsuu| ^os6unu;ai|3SJ3

q q d

wurden die Pläne vom 12. bis 26. Jänner 1862 im
Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum öffentlich ausgestellt und schließlich wurde die Preisentscheidung
.der unter Beirat des eigens aus Kassel berufenen
Architekten Prof. Ungewitter urteilenden Kommission
am 15. März 1862 publiziert. Erster Preis wurde keiner vergeben, dafür zwei zweite Preise zu je 300
Gulden an Anton Gepert, Innsbruck, und an die
Arbeitsgemeinschaft Oskar Pichler und G. SeesternPauly, beide Frankfurt, sowie der dritte Preis von 150
Gulden an Herrn Hayden in Krefeld.
Daß das gesamte Projekt aus verschiedenen Gründen nicht zur Ausführung kam, davon können wir
uns heute tagtäglich dankbar überzeugen. Dessen
ungeachtet lohnt es sich dennoch, einzelne Details
über die grundsätzliche Planung dieses unseligen
Vorhabens mitzuteilen. Fürs erste wäre demnach
das gesamte Rathaus mit Ausnahme des Stadtturmes
sowie das angrenzende Haus Nr. 23 völlig niedergerissen worden. Der Turm selbst hätte zwar hinsichtlich seiner Lage unverändert bleiben sollen, sein
guter Bauzustand ließe es jedoch, wurde festgestellt,
als durchaus zulässig erscheinen, in ihm „durchgreifende Reformen" vorzunehmen, seine oberen Teile
endlich würden ohne weiteres einem „gänzlichen
Umbau" unterzogen werden können. „Die Wahl des
Baustiles und die Zahl der Stockwerke" wurde den
Projektanten freigestellt, gefordert wurde nur, daß
der Turm und die Rathaus-Fassade den gleichen
Baustil erhalten sollten.
Die nebenstehende Abbildung zeigt einen der damaligen Entwürfe im neugotischen „Rathaus-Stil"
jener Zeit. Er demonstriert mit erschreckender Eindringlichkeit — man beachte nur das völlig gestörte
Größenverhältnis des Rathauses zu seiner Umgebung, insbesondere zu dem hier ganz erdrückt erscheinenden, allerdings um eine Hausbreite vorgerückten Goldenen Dachl — welche Gefahr für unsere
Altstadt von seifen des damaligen „modernen" Zeitgeistes gedroht hat. Umgekehrt aber läßt dieses
Bild sicherlich jeden erkennen, daß es gar nicht so
selbstverständlich ist, daß unsere Altstadt in ihrem
Charakter so unverfälscht erhalten blieb, bzw. daß
es dem denkmalpflegerischen Sinn und dem Verantwortungsbewußtsein der Stadtverwaltung nach
1945 zu danken ist, daß anstelle der 21 totalen Bombenruinen (insgesamt zählte die Altstadt allein nicht
weniger als 60 schwere Bombenschäden) keine
Hochhäuser, sondern fassadengleiche Wiederaufbauten entstanden sind, die das Bild der Altstadt in
keiner Weise stören, sondern völlig harmonisch den
Eindruck entstehen lassen, als ob es hier nie Bombenzerstörungen gegeben hätte.