Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1970

/ Nr.5

- S.5

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deten im großen und ganzen bis zum
Zusammenbruch der Monarchie die
gesetzlichen Grundlagen für alle heimatrechtlichen Belange. Der Staatsvertrag von St. Germain brachte nach
dem verlorenen 1. Weltkrieg nicht nur
in staatspolitischer, sondern auch in
staatsbürgerschaftsrechtlicher Hinsicht
Umwälzungen. Verschiedene Optionsbestimmungen, wie z. B. der Brünner
Vertrag, gaben der jungen Republik
zu einem großen Teil ihr staatsbürgerschaftsrechtliches Gepräge. Aber auch
hier ging man in erster Linie vom
Gedankengut des alten Heimatrechtes
aus, denn grundsätzlich wurden alle
jene
Personen als
österreichische
Staatsbürger anerkannt, die am 16.
Juli 1920 das Heimatrecht in einer
Gemeinde der österreichischen Republik besaßen. Im Jahre 1925 wurde
das Gesetz über den Erwerb und Verlust der Landes- und Bundesbürgerschaft erlassen, mit welchem die früheren diesbezüglichen Bestimmungen
— mit Ausnahme von solchen aus dem
Staatsvertrag von St. Germain —
außer Kraft gesetzt wurden.
Die labilen politischen Verhältnisse
der dreißiger Jahre drücken sich leider auch im Staatsbürgerschaftsrecht
aus, als im Jahre 1933 verschärfte Bestimmungen hinsichtlich der Ausbürgerung aus politischen Motiven erlassen wurden. Mit dem Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich traten
1938 bzw. 1939 d"i e österreichischen
Heimats- und Staatsbürgerschaftsgesetze außer Kraft.
Beim Wiedererstehen der österreichischen Republik im Jahre 1945 knüpfte
der Gesetzgeber mit dem Staatsbürgerschaftsüberleitungsgesetz 1945 und
dem Staatsbürgerschaftsgesetz 1945 an
die alten Grundlagen aus dem Jahre
1925 an. Ein schwieriges Problem erwuchs 1945 dem österreichischen G e setzgeber vor allem in der Lösung
der staatsbürgerschaftsrechtlichen Fragen, die durch die zahlreichen Eheschließungen von Österreicherinnen
mit „Altreichsdeutschen" entstanden
waren.
Als
das
Staatsbürgerschaftsgesetz
1945, unter anderem auch belastet
durch verschiedene Bestimmungen der
N.S.-Gesetze, trotz der Novellierung
im Jahre 1949 den Anforderungen der
Praxis nicht mehr entsprach, wurde
nach langen Vorarbeiten das Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 geschaffen,
welches viele grundsätzliche Neuerungen mit sich brachte. Änderungen ergaben sich vor allem aus der Anpassung des österreichischen Staatsbürgerschaftsrechtes an
UNO-Konventionen, denen Österreich beigetreten
war, und vor allem auch aus der immer stärker um sich greifenden staatsbürgerschaftsrechtlichen Emanzipation
der Frau. So verliert z. B. nach dem
Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 eine
Österreicherin, die einen Ausländer

heiratet, nicht mehr gegen ihren Willen die österreichische Staatsbürgerschaft. Andererseits erwirbt aber eine
Fremde, die einen Österreicher heiratet, nicht mehr ohne weiteres die österreichische Staatsangehörigkeit,
sie
muß vielmehr, um Österreicherin zu
werden, eine eigene, diesbezügliche
Erklärung abgeben. Hinsichtlich des
Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft gelangten
großzügige
Ansichten zum Durchbruch. So ist zum
Beispiel für einen Österreicher, der
nach dem 1. Juli 1966 in den öffentlichen Dienst eines fremden Landes tritt,
damit nicht mehr der automatische
Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft verbunden. Hingegen kann
aber einem Österreicher unter bestirnten Voraussetzungen nunmehr die
österreichische Staatsbürgerschaft entzogen werden. Neu ist auch die Möglichkeit des Verzichtes auf die Staatsbürgerschaft. Besonderer Wert wurde
im Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 darauf gelegt, keine neuen Fälle von
Staatenlosigkeit zu schaffen und die
alten Fälle von Staatenlosigkeit endlich zu bereinigen. Das Problem, die
Entstehung von Doppelstaatsbürgerschaften zu verhindern, scheint aber
auch in diesem neuen Gesetz nicht gelöst worden zu sein. Grundsätzlich neu
ist auch, daß im "österreichischen
Staatsbürgerschaftsrecht
die
mißbräuchliche Verwendung von Staatsbürgerschaftsurkunden
sowie deren
Fälschung und Erschleichung unter
strenge Strafsanktionen gestellt worden sind.
Eine der wichtigsten Neuerungen des
Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 war
jedoch die Einführung der „Staatsbürgerschaftsevidenz", in der alle wesentlichen
staatsbürgerschafts rechtlichen
Daten der Bevölkerung festgehalten
werden sollen. Hiezu ist zu bemerken,
daß der Gesetzgeber auch in früheren
Jahrhunderten versucht hat, die Staatsbürger evidenzmäßig zu erfassen, so
z. B. mit dem provisorischen Gemeindegesetz aus dem Jahre 1849, in dem
die Gemeinden schon verpflichtet
wurden, ihre Gemeindebürger in einer
Matrik zu verzeichnen. Im Jahre 1928
wurde angeordnet, daß in jeder G e meinde eine „Heimatrolle" zu führen
sei, in die alle Gemeindebürger einzutragen und in der alle heimatrechtlich
bedeutenden Veränderungen zu vermerken waren. Durch die damalige
enge Verbindung von Heimatrecht und
Staatsbürgerschaft bildeten die Heimatrollen
schon eine
brauchbare
Staatsbürgerschaftsevidenz im heutigen Sinne. Am 30. Juni 1939 mußten
die Heimatrollen jedoch abgeschlossen werden.
Leider unterließ es der österreichische
Gesetzgeber im Jahre 1945, entweder
die Wiedereinführung des Heimatrechtes zu verfügen oder aber die Errichtung neuer Staatsbürgerschaftseviden-

zen zu veranlassen. Dieses Versäumnis
führte in der Folgezeit zu vielen Unzukömmlichkeiten und Schwierigkeiten.
Es entstanden immer größere Lücken
in der staatsbürgerschaftsrechtlichen
Erfassung
der
Bevölkerung,
die
schließlich ohne die Schaffung .grundsätzlich neuer Bestimmungen nicht
mehr geschlossen werden konnten. Das
Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 brachte die große W e n d e : Ab 1. Juli 1966
wird an Stelle der alten Heimatrollen,
deren Rekonstruktion sich aus verschiedenen Gründen als unmöglich erwies,
eine nach modernen Gesichtspunkten
geplante
Staatsbürgerschaftsevidenz
in Karteiform aufgebaut. Hiezu mußten sogenannte Staatsbürgerschaftsevidenzstellen geschaffen werden, die
in enger Verbindung mit den Standesamtverbänden stehen. Die Anlegung
der Staatsbürgerschaftsevidenzen soll
aber nicht im Zuge einer einmaligen
staatsbürgerschaftsrecht liehen
Erfassung der Bevölkerung, sondern erst im
Laufe der Jahre erfolgen, damit
ein mit dieser Aufbauarbeit verbundenes Anwachsen dos Beamtenapparates vermieden werden kann.
Bine wesentliche Mehrbelastung für die
Staatsbürgerschaftsbehörden
brachte
allerdings die mit dem Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 verbundene umfangreiche Mitteilungspflicht mit sich,
welche jedoch, um ein Funktionieren
der Staatsbürgerschaftsevidenzen zu
gewährleisten,
genauestens
erfüllt
werden muß.
Ziel und Zweck d e r Staatsbürgerschaftsevidenzen soll aber nicht nur
sein, staatsbürgerschaftsrechtliche Daten evident zu halten. Es wird vielmehr
auch angestrebt, mit ihrer Hilfe der
Bevölkerung die Beantragung von
Staatsbürgerschaftsnachweisen zu erleichtern, indem die hiefür notwendigen Daten auf einfachstem W e g e aus
der Staatsbürgerschaffsevidenz entnommen werden. O b w o h l auf eine
Zentralisierung
der
Staatsbürgerschaftsevidenzen bewußt
verzichtet
wurde, ist nach den bisherigen Erfahrungen leider damit zu rechnen, daß
bis zur Erreichung dieses Zieles noch
einige Jahre vergehen werden. Man
kann aber erwarten, daß der große
finanzielle und arbeitsmäßige Aufwand, der mit der Anlegung der
Staatsbürgerschaftsevidenzen verbunden ist, sich in Zukunft zum Vorteile
der Bevölkerung auswirken wird.
Wenn man schließlich zur Ausstellung
der Heimatscbeine, Auszüge aus der
Heimatrolle und Staatsbürgerschaftsnachweise noch einige Bemerkungen
machen will,so ist darauf hinzuweisen,
daß die politisch unruhigen Zeiten,
mit denen sich die österreichische Bevölkerung seit dem Zusammenbruch
im Jahre 1919 herumzuschlagen hatte,
sich auch in der Hinsicht sehr ungünstig ausgewirkt haben. Eine ruhige

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