Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1961

/ Nr.2

- S.2

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Amtsblatt der ^andeshäuptstadl Innsbruck

Nummer

Rudolf Tschamler, der Gestalter von Neu Wilten
I m Hause Müllerstraße Nr. 5 verfchied am ?. Mai
1901 der frühere Gemeindevorsteher von Wilten,
Zivilingenieur Rudolf Tschamler. I n der veröffentlichten Todesanzeige fprach der tieftrauernde Gemeindeausschuß von einem schweren Schicksalsschlag
und einem um das öffentliche Wohl unersetzlichen
Verlust, den die große Gemeinde Wilten erlitten
hatte. Das Gedächtnis an diese aufrechte Persönlichkeit, die nicht nur in Innsbruck, sondern gleichfalls
in anderen Teilen Nord- und Südtirols erfolgreich
gewirkt hat, soll nicht verloren gehen.
Ingenieur Nudolf Tschamler, geboren als Sohn
eines Oberlehrers am 11). Mai 1840 in Hof in Mähren
(an der schleichen Grenze), besuchte die Realschule in
Olmütz, hierauf die Technische Hochschule in Wien und
war als junger Ingenieur in verschiedenen Gebieten
der alten österreichischen Monarchie tätig. 1870 kam
er zum Bau der Pustertaler Bahn nach Niederdorf,
verehelichte sich dort mit der Fabrikantentochter Katharina geb. Vidal und trat nach Fertigstellung genannter Bahnlinie bei der Vauführung der Bahn
Preßburg—Tirnau und der Waagtalbahn in den
Dienst. Infolge des Bankkraches im Jahre 1878 wurden alle deutschen Ingenieure entlassen. Ingenieur
Tschamler, der sich schon früh einer regen musikalischen Betätigung verschrieben hatte, zog nach Wien,
wo ersichmit Frau und fünf Kindern mangels einer
geeigneten Anstellung mit Erteilen von Klavierunterricht durchhalf. 1880 übersiedelte er nach Innsbruck
und fand in Tirol als einer der ersten behördlich
autorisierten Zivilingenieure alsbald bei Straßenbauten und Flußregulierungen Verwendung. So kam
er 1882 nach der folgenschweren Rienzüberschwemmung für zwei Jahre zur Rienz-Regulierung Welsberg—Niederdorf—Toblach. Das nach Auftragserfüllung von der Toblacher Gemeinde für Rudolf Tschamler schmuck ausgestaltete Anerkennungsdiplom hat folgenden Wortlaut: „Wenn heute die Bewohner von
Toblach wieder mit Beruhigung der Zukunft entgegenschauen und nach den traurigen Tagen der letzten Überschwemmungsgefahren wieder eines sicheren
Heims sich erfreuen können, so ist dies den großartigen, trefflichen Regulierungsbauten zu verdanken, welche unter der eifrigen und verständnisvollen
Leitung Euer Wohlgeboren in vortrefflichster Weise
ausgeführt worden sind. Die gefertigten Vertreter der
Gemeinde fühlen sich tief verpflichtet, Euer Wohlgeboren hiefür sowie für alle Unterstützung, die Sie unserem Orte durch Rat und Tat bereitwilligst angedeihen ließen, den innigsten Dank auszusprechen. Die
Gemeinde-Vorstchung! Michl Mittich, Vorsteher, Josef Oberschneider und Jakob Rienzner, Gemeinderäte.
Toblach, 2. Oktober 1884." I n der Folge arbeitete
Tschamler an der Errichtung der Gschnitztaler Straße,
beteiligte sich beim Bau am Wurmbachstollen, wo es

darum ging, die Wasserversorgung für Innsbruck ,zu
sichern. Er war auch Planer und Erbauer der Quellen
am Klarerhof mit einem Stollendurchbruch durch den
Vergisel sowie Erbauer eines Wasserreservoirs am
Hohlweg zur Wasserversorgung für die Gemeinde
Wilten. Der heutige Weg zum Tummelplatz ist gleichfalls sein Werk. Nach der Wahl in den Willener Gemeindeausschuß im Jahre 188? schuf er als Obmann
des Ortsschulrates die Pläne zur Errichtung der
Volksschule in der Leopoldstraße. Als Hauptwerk I n genieur Tschamlers dürfte jedoch die Anlegung der
Verbauungspläne gelten, die er in Voraussicht der zu
erwartenden Vergrößerung und Verschönerung der
Gemeinde Wilten geschaffen hat. Nach dem Tode des
Gemeindevorstehers Neuhauser wurde Ing. Tschamler
in der Gemeindeausschußsitzung vom (i. Mai 1895 im
Schulhausgebäude in der Leopoldstraße zu dessen
Nachfolger gewählt. Er war somit der zweite Vorsteher des rasch sich vergrößernden und zu städtischem
Ansehen emporstrebenden Neu-Wiltens. Wie viele
neue Straßen mit zahlreichen Häusern sind während
seiner Amtsführung entstanden und kanalisiert worden! Auch um das Feuerwehrwesen, den Männergesangsuerein, dessen Vorstand er war, den Verschöncrungsverein u. s. f., kurz, auf allen Gebieten
des Gemeinwesens und der Gemeindeverwaltung hat
sich Ing. Rudolf Tschamler reiche Verdienste erworben.
I n Anerkennung seiner uneigennützigen Tätigkeit
zum Wohle Wiltens und zum Beweise allgemeiner
Hochschätzung wurde ihm von der Gemeinde im neuen
Wiltener Friedhof ein Ehrengrab gewidmet. Er hinterließ mit feiner Witwe, der von der Gemeindeverwaltung Wilten, später Innsbruck, eine Ehrenpension bewilligt worden war, vier Söhne und eine
Tochter. Zwei der Söhne waren später Angestellte
beim Stadtmagistrat Innsbruck" einer davon ist der
noch rüstige 87jährige Herr Dr. Viktor Tschamler,
der von 1907 bis zu seiner Pensionierung (im Jahre
1935) dem Stadtphysikat zugeteilt war und überdies
durch 50 Jahre in vollkommen uneigennütziger Weise
als Ehefarzt der Rettungsabteilung sich unvergängliche Verdienste erworben hat. Als Verfasser eines
Lehrbuches über die Erste Hilfe, das heute noch in ganz
Österreich offiziell eingeführt ist, zählt er zu den bekanntesten Persönlichkeiten im Freiwilligen Nettungswesen.
Der Name Tschamler verdient somit einen Platz
im Tiroler Ehrenregister. Begrüßenswert erscheint
daher der am 16. Juli 1959 erfolgte Beschluß im
Innsbrucker Gemeinderat, einen in Wilten neu eröffneten Straßenzug nach diesem ehrenwerten Namen
zu benennen. Mag die Bevölkerung darin eine dankbare Würdigung seitens der Stadlgemeinde erblicken.
W. Eppacher