Innsbruck Informiert

Jg.2020

/ Nr.12

- S.22

Suchen und Blättern in knapp 900 Ausgaben und 25.000 Seiten.





vorhergehende ||| nächste Seite im Heft

Zur letzten Suche
Diese Ausgabe – 2020_Innsbruck_informiert_12
Ausgaben dieses Jahres – 2020
Jahresauswahl aller Ausgaben

Dieses Bild anzeigen/herunterladen
Gesamter Text dieser Seite:
Stadtgeschichte

Die Gottesmutter ist eine zentrale Figur der Tiroler
Weihnachtskrippe. Doch wie schaut es dort mit weiteren
Akteurinnen aus? Ein Lokalaugenschein im Tiroler
Volkskunstmuseum verschafft interessante Einblicke.
von Dr. Helmuth Oehler

Männerwelt. Gleich vorweg: Bei einem
Rundgang durch die Krippenabteilung im
Tiroler Volkskunstmuseum bestätigt sich
schnell die Vermutung, dass es männliche Protagonisten sind, die das weihnachtliche Geschehen in Miniatur dominieren. Damit spiegeln sie nicht nur die
gesellschaftlichen Bedingungen der Entstehungszeit der jeweiligen Krippe.
„... und sie gebar ihren Sohn“ (Lukas,
2,7). Natürlich repräsentiert die nach
dem „Göttlichen Kind“ wichtigste Figur
der Weihnachtskrippe eine Frau: Maria,
die Mutter Gottes. Doch sie bleibt manch-

Maria kniet und betet vor dem Gottessohn, weiß um
dessen Schicksal. Figuren von Johann Plank um 1880
geschnitzt, Innsbruck, Tiroler Volkskunstmuseum.

mal die einzige Frau der Krippe. Wenn es
noch weitere Akteurinnen gibt, dann sind
diese eher am Rand der Krippenszenerie
positioniert.
Maria im Zentrum. Maria selbst nimmt
in den Krippen des Volkskunstmuseums
unterschiedliche Körperhaltungen ein,
ihre Beziehung zum Gottessohn wird
verschieden vermittelt. Nie liegt die
Gottesgebärerin lebensnah als Wöchnerin in einer Bettstatt. Allein die Marienfigur der Gehri-Krippe (1895/1905) ruht
sich, bequem sitzend, mit gestreckten
Beinen aus.

Die Heilige Familie, „das menschlichste Thema der biblischen
Geschichte“ fungiert(e) in Stube und Wohnzimmer als Modell
der „profanen“, traditionellen Familie. Franz Baumann,
Heilige Familie, 1963, Innsbruck, Tiroler Volkskunstmuseum.

Häufig kniet die Muttergottes in Distanz
vor dem Jesuskind und betet es an. Damit wird Verehrung, Ehrfurcht, nicht
mütterliche Fürsorge ausgedrückt. Die
heilige Jungfrau fungiert so als Vorbild für
die gläubigen BetrachterInnen. Sitzt der
Gottessohn hingegen im Schoß Mariens,
wird die Mutter-Kind-Beziehung stärker
betont.
Intensivierung – Distanzierung. Beim
radikalen Erneuerer der Tiroler Krippenkunst, Ludwig Penz, „verschmelzen“ um
1900 Mutter und Kind miteinander. Auch
eine formale, emotionale Einheit bildet die Heilige Familie (1963) bei Franz
Baumann. 1969 betonte Franz Bacher
wiederum die Distanz zwischen der tief
andächtigen Maria und dem isoliert liegenden Jesusknaben.
„In jener Gegend lagerten Hirten auf
freiem Feld“ (Lukas 2,8). Und „fröhliche“
Hirtinnen besuchen das Heiligen Kind?
Sie mischen sich zwar ab der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts unter das
Krippenvolk, bleiben aber in der Minderheit. Auch die legendären Helferinnen
aus Bethlehem, die das „Göttliche Kind“
gebadet haben sollen, sind in den Museumskrippen nicht auszumachen. Selbstverständlich bevölkern zahlreiche Engel
die Krippenlandschaften, aber diese gelten als geschlechtslos.

42

INNSBRUCK INFORMIERT

© TIROLER VOLKSKUNSTMUSEUM, INNSBRUCK.

Frauen an
der Krippe

Sie fürchtet sich nicht: Eine Heraneilende bringt
den Bedürftigen Speis und Trank. Figur aus der
von Albert Schmidhofer vor 1930 gestalteten
Weihnachtskrippe, Innsbruck, Tiroler Volkskunstmuseum.

Frauen-Weihnacht. Eine formale, inhaltliche, emotionale Ausnahme stellt
die von Albert Schmidhofer gestaltete
Krippe dar. Dort schwebt das „Göttliche
Kind“ in die Welt herab, von Gottvater
„in der Höhe“ ausgehend, begleitet vom
Erzengel Gabriel der Verkündigung: Die
schmerzhafte Geburt bleibt der heiligen
Jungfrau erspart. Auffallend beim Krippenvolk: Während das männliche Krippenpersonal teilweise die Flucht ergreift
(„Sie fürchteten sich sehr“), zum Heiligen
tatsächlich „hingezogen“ werden müssen, eilen im Lukasevangelium nicht erwähnte Frauen hin, fürchten sich überhaupt nicht, finden, beten an – scheinen
vom Heiligen wahrhaft „angezogen“ zu
sein. Und der als spannende „figura serpentinata“ gebildete Nährvater Josef widmet sich dem Kochen am Herd. Um ihn
herum fünf Frauen unterschiedlichen
Lebensalters: Vom linken Rand eilt eine
ältere Frau mit Brotlaib und Krug heran.
Vor der noch leeren Liegestatt Jesu betet
ein Mädchen und zeigt damit den BetrachterInnen die gewünschte Haltung.
Neben ihm kniet eine äußerst bewegt
gezeigte Mutter, die ihre kleine Tochter

Modellfigur: Das Mädchen nimmt die anbetende
Haltung der heiligen Jungfrau und damit auch
des gläubigen Krippenbetrachters vorweg.
Figur aus der von Albert Schmidhofer vor 1930
gestalteten Weihnachtskrippe, Innsbruck,
Tiroler Volkskunstmuseum.

Die nach oben weisende und mit dem Irdischen
trotzdem verbundene Frau erwartet die Ankunft
Christi auf Erden. Figur aus der von Albert
Schmidhofer vor 1930 gestalteten Weihnachtskrippe, Innsbruck, Tiroler Volkskunstmuseum.

herbeiruft. Dieses Kind mit Puppe „fliegt“
wie von einer Windböe erfasst daher. Die
heilige Jungfrau selbst hält ein weißes
Textil, über das der Gottessohn ins Irdische gelangen wird.

der Gottesmutter: Denn Maria „gebar
ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in
eine Krippe, weil in der Herberge kein
Platz für sie war.“

Frauen holen Wasser. Auf anderen
Krippen des Volkskunstmuseums sind
auffallend häufig Frauen an einem
Brunnen zu finden. So haben sich in
der Gehri-Krippe am rechten Rand
drei weibliche Figuren bei einer Wasserstelle eingefunden. Genrehaft arrangiert, lassen die Frauen nicht nur
Interesse am orientalischen Kostüm
erkennen, sondern thematisieren auch
eine schwere Arbeit, die traditionell
von Frauen im Rahmen der Haushaltshaltführung erledigt werden musste.
Vom zentralen Geschehen der Heiligen
Nacht bleiben diese Frauen jedoch unberührt.

Lese-Tipp: Maria-Gracia Winkler, Die
Frau in der Krippensammlung des Tiroler
Volkskunstmuseums. Zur geschlechtsspezifischen Rollenzuschreibung bei
weiblichen Krippenfiguren, in: Der Krippenfreund, September 2018.

Ein guter Grund, uns
anzurufen: Ihr Baugrund
Bebaut oder unbebaut: Wir suchen Baugründe.

Kontaktieren Sie uns: 0512 / 286314

Platz für die Gottesmutter. Bei der
Betrachtung der Darstellungen der Geburt Christi kann über die zentrale Botschaft der Weihnacht meditiert werden. Diese betont auch die Bedeutung

www.wat.tirol
Wir schaffen Lebensraum.

INNSBRUCK INFORMIERT

43