Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1960

/ Nr.10

- S.4

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Der ^cnideöhauptstadt Innsbruck

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ßungen bezahlt worden müssen. Um aus dem bestehenden Wohngebiet störende Gewerbebetriebe aussiedeln und dadurch die Wohnqualität heben zu tonnen, und gleichzeitig den Zuwachs kleiner und mittlerer Gewerbebetriebe zu fördern, ist in der unteren
Reicheuau ein Gewerbegebiet ausgewiesen. Es konnte
aber seinem Zweck erst zugeführt werden, nachdem
die städtischen Haushaltsmittel für seine Erschließung bereitgestellt waren. Ein Umstand, der beleuchtet, wie eine im Flächenwidmungsplan verankerte
Willensbildung der Stadt erst wirksam wird, sobald
sie ihren Niederschlag in den Maßnahmen anderer
Ressorts findet.
Nicht leicht ist es, den Stadtbewohnern ausreichende
Grün- und Erholnngsflächen zu sichern, was scheinbar in Widerspruch steht zu der unvergleichlichen Umgebung der Stadt, den schönen Ausflugswegen im
Norden und Süden und den vielen grünen Gärten
und Alleen inmitten derselben. Aber der bedürftige
Mensch, Mütter mit Kleinkindern, Alte und Gebrechliche, finden nicht überall in 5-Minuten-Entfernung Ruheplätze, die vom Autoverkehr einigermaßen
abgeschirmt sind. Und es besteht die merkliche Neigung, Gärten in Vauflächen umzuwandeln und das
Grün zu entfernen. Der Flächenwidmungsplan begnügte sich, die Flußufer und Sportplätze als öffentliches Grün auszuweisen und die Voraussetzungen
zu schaffeu, die Grünwege zu einem zusammenhängenden Netz zu schließen, das Fußgeher und Nadfahrer ungefährdet zur Arbeitsstelle, zur Schule oder
zum Stadtrand geleitet.
Die Bebauungspläne
I m Rahmen dieses Leitgedankens wurden für das
ganze Stadtgebiet — einige Sanierungsflächen ausgenommen — Bebauungspläne ausgearbeitet, die —
so heißt die Regel — für jedes Vaugebiet die A r t und
Form der Bebauung, die Etraßenfluchtlinien und die
Flächen für öffentlichen Verkehr und öffentliche E i n richtungen — insbesondere Schulen — vorzuschreiben
haben. Auch sie werden vom Gemeinderat beschlossen,
öffentlich aufgelegt und von der Landesregierung in
K r a f t gesetzt, und sie bilden die Rechtsgrundlage jeder
Baugenehmigung.
F ü r die verantwortungsbewußte Planung bedeuten sie eine schwere Belastung. Denn heute wird eine
Bebauung vorgeschrieben, die innerhalb der nächsten
Jahre — oder auch Jahrzehnte — begonnen werden
und voraussichtlich durch 50 bis 100 Jahre ihren
Zwecken dienen soll. Es ist bekannt, daß die Struktur
der Städte und des Wohnens auf Grund der raschen
Entwicklung der Technik mitten i n einem ungewöhnlichen Umbruch begriffen ist. Galt es bisher als jahrhundertelang erprobte Regel, in Städten i n geschlossener Reihe mehrgeschossig an der Straße zu bauen, so
ist diese Vauform heute bei der Planerzunft bereits
zum Tode verurteilt, weil niemand es anstrebt, aus
seinen Wohnfenstern einen dauernd vorbeibrausenden
Kraftwagenvertehr zu genießen. Auch ist es kein Geheimnis mehr, daß hochwertige Geschäftsviertel ihren
Wert verlieren, wenn sie nicht auf die Dauer ihres
Bestandes (!) ihren Benutzern und Kunden geräumige
Abstellflächen bieten.
Dennoch läßt sich diese Bauweise nicht über Nacht

Nummer t<)

aus der Stadt entfernen! ja. es war nicht zu verhindern, daß Dutzende solcher Neubauten an Ausfallsstraßen — vielfach mit staatlichen M i t t e l n —
errichtet wurden. Nicht verhindern läßt sich auch, daß
gar nicht selten jene Architekten und Planer am
höchsten geschätzt werden, die die größte Wobndichte
durchzusetzen vermögen. Bei der drückende» Wohnungsnot und dem Mangel an erschlossenem Bauland
ist die Meinung begreiflich, daß sich die Wirtschaftlichkeit seiner Ausnutzung verdoppeln und verdreifachen läßt, wenn man statt 4 Geschosse deren ^ und 12
baut. Die Planung hingegen weiß, daß dies nur zutrifft, wenn zusätzlich Flächen für Auslauf, Abstellen
und Garagieren verfügbar sind, und zwar in einem
Ausmaß, das noch voraussichtlich in einigen Jahrzehnten ausreichen wird. Ob die Übersteigerung der Wohndichte, wie sie in der Gründerzeit für zweckmäßig ge
halten wurde, sich wirtschaftlich gelohnt hat, mögen
die Enkel der damaligen Hausbesitzer selbst beurteilen,
wobei sie die biologischen und sozialen Auswirkungen
außer acht lassen können. Wirtschaftliches Denken
könnte z. V. dahin führen, daß die Autoindustrie
energisch für das Freihalten ausgiebiger Flächeil auf
jedem Vaugrundstück eintreten würde, um nicht ihre
künftigen Kunden zu vergrämen. Denn sonst^säßen
auf den überdicht bebauten Grundstücken nur Leute,
die auf Autos verzichten und daher auch weniger
Miete zahlen. Während man einerseits die übergroße
Dichte mit der Knappheit des Baulandes begründet"
besteht in den äußeren Stadtteilen sehr wenig Neigung, das Einfamilien-Reihenhaus zu bauen, das
gegenüber dem freistehenden Eigenhaus rund dreimal
sparsamer in Landverbrauch, Straßenkoste» lind Verkehrsleistung ist und dennoch völlig naturverbundenes Wohnen gewährleistet.
Das heißt, das stolze Gefühl des Eigenheimbesitzers,
um sein Haus allseits herumgehen zu können, bezahlt
irgend jemand (er und die Steuerzahler) mit über
100.000.— Schilling und größeren Entfernungen zur
Stadtmitte.
Die Mannigfaltigkeit und auch Unruhe innerhalb
der baulichen Erscheinungsformen des Innsbrucker
Stadtbildes — man denke an Gegensätze, wie der
zwischen Hochhaus und „Tiroler Häusel"
ist schon
manchem Ausländer aufgefallen, und sie spiegelt im
Grunde die Kämpfe wider, die sich im I n n e r n der
Erkenntnisse jedes Einwohners abspielen. Ein harmonisches Stadtbild läßt sich erst erhoffen, sobald der
vorerwähnte Umbruch unserer Stadtstrutlur und seine
Folgerungen allgemein bewußt sein werden.
Dazu gehört auch ein richtiges Bewerten der Vesonnung einer Wohnung. Durch die Bauordnung von
1«!)li ist eine solche keineswegs gewährleistet, wenn
der Abstand zweier Gebäude nicht kleiner als ihre
Höhe sein darf". Nun ist die Besonnung eine sehr
reale Angelegenheit, die die Brauchbarkeit und den
Wert einer Wohnung beeinflußt, weit mehr als es
Gefühlswerte
wie etwa die Aussicht
bewirken.
Deshalb haben schon vor!ll) Jahren die ..IG-Farben"
dem Architekten vorgeschrieben, beim Neubau ihres
Verwaltungsgebäudes" keine Nordzimmer zu bauen,
2 Innsbrucks Vanl.ndnnnss tz A0.
-" Vcrwaltuiu^ssl"bäud!," dcr I (h-Farben A.-G.,
am Main, erbau! uni 1üW durch Architt"lt Pöl^i