Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1960

/ Nr.9

- S.3

Suchen und Blättern in knapp 900 Ausgaben und 25.000 Seiten.





vorhergehende ||| nächste Seite im Heft

Zur letzten Suche
Diese Ausgabe – 1960_Amtsblatt_09
Ausgaben dieses Jahres – 1960
Jahresauswahl aller Ausgaben

Dieses Bild anzeigen/herunterladen
Gesamter Text dieser Seite:
Nummer 9

Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbluct

gestalten, alle M i t t e l einer aufstrebenden Volkswirtschaft wurden eingesetzt, uni Innsblllcks Bedeutung iin j"vranz öst^rreicliischer Alpenstädte zu festigen.
Alle diese Alisgaben und Pläne wurden nun plötzlich unterbrochen, die Stadtverwaltung mußte sich
ohne Übergang von der Friedens- auf die Kriegswirtschaft umstellen und stand einer Fülle von bisher nnbelannlen Problemen gegenüber. I m Merlans
der vier Kriegsjahre 1!N l l!)!.^ mehrten sich die
Schwierigkeiten, besonders seit 1915 mit dem Kriegseintrilt Italiens T i r o l engeres Kriegsgebiet geworden war. Die Einschränkung auf allen Gebieten, die
Stationierung der Lebensmittel und Rohstoffe, erforderte straffe Organisation, um der Beoölternng den
notwendigsten Lebensunterhalt zu sichern. I n diesen
Jahren hat sich Innsbrucks Stadtverwaltung als
wahrhaft sorgende Mutter der Einwohnerschaft bewährt, zugleich zeigten sich die gediegenen Stützen
des städtischen Wirtschaftslebens auch den schwersten
Belastungen der Kriegsjahre gewachsen, so daß die
Stadt — mit Ausnahme der Menschenverluste, der
Gefallenen und Kriegsopfer — ohne wesentliche Erschütterungen aus dem ersten Weltkrieg trotz seines
unglücklichen Endes hervorging.
Bürgerliche Organisationskraft bewahrte dann auch
in den Novembertagen 1918, als das zurückflutende
österreichisch-ungarische Heer die Stadt zu überfluten
drohte, Innsbruck vor schweren Schäden. Das unwirklich milde Herbstwetter jenes Jahres begünstigte den
friedlichen Abfluß der Hunderttausende, die über die
Brenner- und die Ellbögener Hochstraße aus dem
vierjährigen Völkerringen heimkehrten.
Innsbruck stand nun einer neuen Zeit gegenüber.
Von dem einstigen mächtigen Kaiserreich war nur der
Numpfstaat, die Republik Deutschösterreich, übrig
geblieben, aus der „Geforsteten Grafschaft T i r o l " war
ein kleines Bundesland geworden, das 1919 durch
den Friedensvertrag von St. Germain trotz aller
leidenschaftlichen Proteste und entgegen dem zugesicherten völkischen Selbstbestimmungsrecht sein Kernstück, das deutsche Südtirol verlor. Nun galt es,
Innsbruck als Hauptstadt des verstümmelten Landes
zu behaupten, aus der verringerten Substanz das
Notwendigste zu schöpfen und unverzagt an den Wiederaufbau zu schreiten.
Von diesem Wendepunkt an erlebte auch ich das
Werden des neuen Innsbruck unmittelbar, war ich
doch zu Neujahr 1919 endgültig aus Bozen i n die
Landeshauptstadt übersiedelt und hatte ein neues
Berufsfeld gefunden, das mir erst eigentlich den Einblick in das öffentliche Leben ermöglichte. Denn ein
Hauptzweig meiner Tätigkeit als Lokalredakteur der
größten Tageszeitung, der ..Innsbrucker Nachrichten",
war Fühllingnahme und Berichterstattung über städtische Angelegenheiten, und so kam ich zu jahrzehntelanger enger Berührung mit dem Nathans, dem Sitz
der Gemeindeverwaltung, und seinen Funktionären.
Der Journalist legt ja sein Ohr an den Herzschlag
der Zeil, er fühlt den Puls des öffentlichen Lebens,
er blickt hinter die Kulissen städtischer Ämter und
Behörden und in das Näderwcrl der vielverzweigten
Organisation. Bald nahm ich lebhaften Auteil an den
Belangen der Stadt, namentlich feit ich als ständiger

Seite 3

Berichterstatter den öffentlichen Gemoiiideratssitzungen im Adlersmil beiwohnte.
I n jenen Jahren der materiellen Not regte sich
mächtig die Sehnsucht nach geistigen Gütern, Heimalliebe, Pflege uon Dichtung, Kunst und Kultur
trieb fruchtuerheißende Blüten. I m Voltsbildungsverein „Junsbructer Urania", der bald nach Kriegsende gegründet worden war, hielt ich im historischen
Claudiasaal, dem einstigen Sitz des Tiroler Landtages, meine ersten Vorträge. Die uoltslümlichen
Vorträge der Alpenuniuersität Innsbruck vermittelten weitesten Kreisen die Ergebnisse wissenschaftlicher
Forschung und heute gcnießt unsere Hochschule durch
deu Nang ihrer Gelehrten internationalen Ruf, der
Studierende aus vielen Ländern nach Innsbruck führt.
Früh regte sich i n m i r die Vorliebe für Dichtung,
Theater und Heimatgeschichte. Die Werte der großen
Dichter der Vergangenheit waren mir von Jugend
auf vertraut, Hermann von Gilms, des größten L y r i kers Tirols, Gedichte, dessen Büste an seinem Geburtshaus i n der Maria-Theresien-Straße hoch über
dem Straßenlärm ragt, Adolf Pichlers, des Naturforschers, Denkers und Dichters bronzenes Denkmal
steht auf dem gleichnamigen Platz nahe dem Stadtzentrum. M i t den damals noch lebenden Dichtern, markante
Gestalten Innsbrucks, dem kraftvollen Dramatiker
Franz Kranewitter, seinem Landsmann, dem bühnengewaltigen K a r l Schönherr, Bruder W i l l r a m , dem
feurigen geistlichen Lyriker, dem tiefgründigen, allzufrüh dahingegangenen Josef Leitgeb und anderen
stand ich in persönlicher und literarischer Verbindung.
Dem unvergeßlichen Dichter und Tonsetzer des Tiroler Volksliedes Josef P ö l l , dem Ehormeifter der Sängeruereinigung „Die Wolkensteiner", war ich freundschaftlich verbunden.
Und das Innsbrucker Theaterleben, neben der regen Musikpflege stärkster Ausdruck künstlerischer K u l tur, habe ich als langjähriger Schauspielkritiker des
Innsbrucker Stadttheaters, heute üandestheater, und
der berühmten Exl-Vühne, aufmerksam und begeistert
verfolgt.
Waren die Kriegsjahre schwer gewesen, noch schwerer
wogen die wirtschaftlichen Auswirkungen der ersten
Nachkriegszeit. Daher mühten sich die Stadtväter, denen noch immer Bürgermeister E r e i l vorstand, i n
einträchtigem demokratischen Zusammenwirken, der
Not der Zeit zu steuern. I n vielstündigen Sitzungen,
die sich oft bis tief in die Nacht ausdehnten, wurden
dringende Tagesfragen beraten, zum wirtschaftlichen
Mangel gesellten sich die immer mehr ansteigende
Wohnungsnot, politische Wirren, I n f l a t i o n , Stocken
des Fremdenverkehrs etc. Nachdem er auch in diefen
schlimmen Jahren noch das Steuer der Stadt mit
nie erlahmender Hand und nie versiegendem Humor
geführt
im ganzen mehr als ein Vierteljahrhundert —, legte Bürgermeister Wilhelm Greil 192!l seine
Amtsbiirde nieder, von der dankbaren Stadt zum
Ehrenbürgermeistt"r ernannt.
Seinen Nachfolgern, Bürgermeister Dr. Anton Eder
(192:l—1929) und Franz Fischer (1929—19!!«) war
es vergönnt, nach der Veondigung der I n f l a t i o n durch
die Stabilisierung des österreichischen Schillings, die
Stadt einem neueil Aufschwung zuzuführen. Das erste
und wichtigste Anliegen der Eladtvertretung war die