Innsbruck Informiert

Jg.2020

/ Nr.2

- S.30

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Stadtgeschichte

Innsbrucker Stadtpläne
voller Geheimnisse

© TIROLER LANDESARCHIV

© TIROLER LANDESARCHIV

Gedruckte Stadtpläne und topographische Karten werden heutzutage
immer seltener, digitale Angebote lösen sie mehr und mehr ab. In der
früheren Zeit waren Stadtpläne und Landkarten noch etwas Besonderes.

Ausschnitt aus der Innstromkarte, Blatt 58,1821/22 mit der nachträglichen
Einzeichnung des Bahnhofs im Detail.

Blatt 58 der Innstromkarte aus den 1820er-Jahren mit dem
nachträglich eingezeichneten Kopfbahnhof beim Hofgarten
und der geplanten Streckenführung Richtung Hall.

D

er künstlerischen Gestaltung
von Stadtplänen und Landkarten
wurde in früheren Jahrhunderten
ein hoher Stellenwert eingeräumt. Auch
mit einem hohen Grad an Detailfreudigkeit konnten so manche Stadtpläne den
Blick auf sich ziehen. Bei genauerer Betrachtung lassen sich darüber hinaus
überraschende Einzelheiten ausmachen,
so auch, was den Beginn des Eisenbahnzeitalters in Tirol anbelangt.

Erste Bemühungen um eine
Eisenbahn
Eine privat organisierte Vereinigung, gemeinhin als Innsbrucker Eisenbahnverein
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INNSBRUCK INFORMIERT

ne später erfolgten Vorarbeiten zum Bau
des Suez-Kanals, zur Ausfertigung eines
Gutachtens für die Inntaltrasse von Innsbruck bis Kufstein zu gewinnen.
bezeichnet, amtlich als Privat-Verein zur
Errichtung einer Eisenbahn von Innsbruck
bis Kufstein geführt, war Motor für die Bestrebungen um eine Anbindung Tirols an
das europäische Eisenbahnnetz. Es war
dies die damals einzige von Bürgern betriebene Initiative Österreichs in diesem
Bereich, die bereits 1837 ihre Bemühungen aufnahm, den technischen und damit auch wirtschaftlichen Fortschritt
nach Tirol zu holen. Zu den Mitgliedern
zählten vorwiegend Wirtschaftstreibende, aber auch Innsbrucks Bürgermeister
Joseph Valentin Maurer nahm aktiv daran teil. Dem Verein gelang es, Ingenieur
Alois Negrelli, vor allem bekannt für sei-

Negrellis Bahnhof-Pläne für
Innsbruck
Für seine Geländeuntersuchungen bekam
Negrelli seitens der k. k. Landesbaudirektion in Innsbruck eine Kopie der sogenannten Innstromkarte als Arbeitsbehelf.
Die Karten, die aus den 20er-Jahren des
19. Jahrhunderts stammen und insgesamt 138 Blätter umfassen, gehen auf die
kartographische Aufnahme des Inns in
Tirol zurück. Auch Negrelli hatte während
seiner Tätigkeit in der Baudirektion daran
mitgearbeitet. Die Karten bestechen vor
allem durch ihre Genauigkeit. Auf dem
Blatt 58 der Innstromkarte zeichnete
Alois Negrelli von Hand einen detaillier-

ten Plan seines Bahnhofprojektes. Da er
überzeugt war, dass eine Eisenbahn über
den Brenner aufgrund der Steigungen
nicht zu realisieren sei, wählte er für Innsbruck die Variante eines Kopfbahnhofes.
Dieser sollte am Nordrand des Hofgartens zwischen Dogana und Löwenhaus
liegen und wurde auch so von ihm auf der
Karte eingezeichnet.
Bei der Betrachtung des Kartenausschnitts fällt sogleich die gerade Streckenführung Richtung Osten ins Auge,
die den damaligen, weil nicht geeigneten Signaltechniken, geschuldet war und
auch den einstigen Gepflogenheiten des
Eisenbahnbaus entsprach. Mit einer geraden Verbindung zwischen den Stationen in Innsbruck und Hall konnten die
Aufseher auf beiden Seiten das Ankommen und Abgehen der Wagenzüge auf
der einschienig befahrbaren Strecke optisch verfolgen.
Die Punktgenauigkeit der Skizze mit beigefügter Legende zeigt anschaulich, wie
ein Bahnhof damals strukturiert war
und welche Gebäude und Werkstätten
für den Betrieb benötigt wurden. So finden sich neben den Büroräumlichkeiten
und Wartebereichen für Passagiere (auf
dem Plan mit a und b gekennzeichnet)
ein Gebäude für die Lagerung von Waren (c) und Werkstätten für Zimmerleute (d), Tischler (e), Wagner (f), Schmiede
(g), Schlosser (h) und Mechaniker (i). Die
Wohnungen für die Aufseher (k) und das
Kohlelager (l) befinden sich getrennt von
den restlichen Gebäuden auf der gegenüberliegenden Seite, womöglich um der
Brandgefahr und etwaigen Kohlediebstählen vorzubeugen.
Innovativ war auch Negrellis Idee, den
Bahnhof direkt am Inn zu situieren und
dadurch die Wasserkraft für den Betrieb
von Werkstätten zu nutzen.
Ein weiterer interessanter Aspekt auf der
Karte ist die von Alois Negrelli mit roter
Tusche über den Inn eingezeichnete Brücke, die für eine bessere Erreichbarkeit
des Bahnhofs von St. Nikolaus kommend

sorgen sollte. Tatsächlich wurde diese
Brücke dann an derselben Stelle 37 Jahre später, im Jahr 1875, als Eisenfachwerkbrücke errichtet. Heute trägt dieser
Steg über den Inn den Namen „EmileBéthouart­-Steg“.

Auf dem Weg zum heutigen
Hauptbahnhof
Negrellis Pläne für die Errichtung eines
Kopfbahnhofs am nordseitigen Ende des
Hofgartens gelangten letztlich nicht zur
Ausführung. Im Nachhinein kann dies als
durchaus glücklicher Umstand angesehen werden, da die Lage eines derart zentral gelegenen Bahnhofs die weitere städtebauliche Entwicklung stark gebremst
bzw. erschwert hätte. Und auch der Anschluss an die zwischen 1864 und 1867
errichtete Brennerbahn wäre schwierig
und aufwändig gewesen und hätte viel
städtischen Raum beansprucht. Nach

mehreren nicht realisierten Projekten begann erst 1851 der Bau einer Eisenbahn
von Innsbruck nach Osten bis zur Staatsgrenze bei Kufstein. Die Bahnstation
in Innsbruck wurde nun auf den zu Wilten gehörenden Neurautfeldern errichtet, dort, wo sich der Hauptbahnhof auch
heute noch befindet. Die von Karl Ritter
von Ghega projektierte Bahn wurde 1858
fertiggestellt und am 24. November desselben Jahres eröffnet. RK

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