Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1960

/ Nr.1

- S.4

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Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck

27 machten die Gesellenprüfung
2 machten «die Meisterprüfung
4 wurden selbständig

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2,2 "/,

Die Aufteilung auf die gelerutcu Berufe ergibt folgendes
Bild:
5 Maurer
4 Maler, Lackierer und
Vergoldcr
3 Weberinnen
3 Schneiderinnen
2 Blnuiengärtner
2 Spengler
2 Bäcker
2 Tapezierer
,
2 Schuhmacher
2 Friscnrinnen
1 Kontorist
1 Sattler
1 Elektromechamker
1 Zimmerer

1 Goldschmied
1 Färber
1 Schneider
1 Koch
1 Wasferinstallatcnr
1 Schlosser
1 Postfachlehrling
1 Autoincchauiker
1 Fleischer
1 Feinmechaniker
1 Former und Gießer
1 Bnchbinderin
1 Handarbeitslehrerin und
Kindergärtnerin

Bei den l<>8 Ungelernten, wozu auch die zählen, die eine
Lehre abbrachen ( W nnd zu denen die Gelegenheitsarbeiter
gerechnet werden, sind gleich viel männliche nnd weibliche
Arbeiter. Daß bei 5,7 Männern nur 17, Frauen einen gelernten oder angelernten Beruf ausüben, liegt Wohl daran, daß
es geeignete weibliche Lehrstellen viel weniger gibt, somit
Mädchen ineist Hilfsarbeiteriuncn werden, wenn sie nicht
überhaupt daheim, im Haushalt Verwendung finden. Die
Tabelle X I I gibt Anffchlnß darüber, in welchen Berufen die
Ungelernten tätig sind. Pedcbilla führt 29 verschiedene
mänuliche und l ì weibliche Berufe an. Von diesen scieu
nnr besonders genauut:
Telegramm- und Geldzustcllcr, Post-Bricfkastculccrer,
Berufsfencrwehr, O. B. B.-Nagenreinigcr, Gendarm.
Bei den Mädchcu gibt es 2l Fabriksarbeiteriuncn,
18 Hausgehilfinnen,
3 Zimmermädchen uud andere
Berufe.
Von den :"!i männliche» ungelernten Probaudcn habeu : i l ,
d. f. 5>8,5> Prozent, eine Lehre aufgegeben, von den 5,5, weiblichen nur 7, d. f. 12,7 Prozent.
Nber die Ursache des Überwiegen^ der Hilfsarbeiter sagt
Pedevilla: „ T i e hohe Zahl ungelernter Berufe ist bei ehemaligen Hilfsschülcrn zu erwarten. Mangelnde Begabung,
verminderte Leistungsfähigkeit, Erziehungsrückstände, M i lieuschäden und wirtschaftliche Not, einzelne, mehrere oder
alle diese Faktoren sind in der Regel bei allen als Ursache für
diese Fcststcllnng anzuführen, dazu bei mauchen fehlendes
Bcrufscthos."
Nun mögen einige interessante Fälle folgen: Gin Mädchen
erhielt cils Friseurlchrling den ersten Preis beim Berufsschulwctibewcrli. Pedevilla bezeichnet sie den Zeitumständen
eulsprechend als hilfsschulbedürftig gewesen. Sie war einundeinhalb Jahre iu der Hilfsschule.
Tie heute als Handarbeitslehrerin tätige ehemalige Hilfsschillcrill wurde schou erwähn!.
Ein ehemaliger Hilfsschülcr mit vierjährigem Hilfsschul
besuch ^Wicderholcr der l». Klaffe Hilfsschule) ist heute Telegramm- und (Ycldbriefträgcr im neunjährigen Postdicnft
"l<,!,">3>.
Ein Mädchen erzählt, fie habe nie die Berufsschule besucht,
arbeite trotzdem als Weberin zur vollste» Zufricdcuhcit ihres
Chefs.
Ein Proband konnte nach vierjähriger Lehrzeit als Tischlcrgehilfe mit eiuem Anfangsgehall von 3 WO.— monatlich

Nummer

angestellt werden. Als Begründung, warum er uicht die Gehüfeuprüfung abgelegt habe, gestand er: „ I c h hatte Angst,
die Prüfung nicht zu bestehen uud dann ausgelacht zu werdeu." Der Iuugc hatte Minderwertigkeitskomplexe, er kannte
aber seine schwachen Seiten, nnd darin dürfte die Ursache für
seiueu Erfolg und seine Bewähruug im Berns liefen.
Pedcvilla stellt ernste Betrachtungen an über das Akr«
hältnis zwischen Neigung und Eignung uud loiuiu! auf
Gruud seiner Erhebungen zu dem Schlüsse, daß die Entfaltungsmöglichkeit die vorhandenen Fähigkeiten häufig überschreitet. Er sagt: „So trifft es bei uusereu Probandcu uicht
selten zu, daß das kindliche Wünschen au eine Befricdigungs«
art durch Milieueinwirkuug oder neurotisch fixiert ist, die
mit seiner wahren Neigung nichts zn tuu hat. Sie folgen
sogenannten Modcncignngcn, streben ,Modeberusc" an, die
durch Masfcnwirkuug der Umgebung oder durch Suggestivkraft imponierender Vorbilder an sie herangetragen werden,
ohne zu wisseu oder sich belehren zu lassen, daß ihnen die
dazn erforderlichen Fähigkeiten fehlen. Ein Proband z.V.
versuchte sich als Automcchaniker, Postfacharbciter, Kraftfahrer, Konditor, Obcrbauarbcitcr, Hilfsarbeiter. I n keiner
Beschäftigung faßt er Fnß. Entweder wird er von seinem
Dieustgcbcr als ungeeignet erklärt oder er findet selbst keine
echte Befriedigung und bringt daher anch nicht den Willen
znr Ausdauer auf."
Pedevilla führt mehrere Beispiele solcher Primitive» au,
die in den Tag hineinleben und nur so lauge arbeiten, als sie
die Mittel zum Lebcusuutcrhalt unbedingt brauchen. Vielen
fehlt die Verufsgcsiunung. So berichtet nach Pedcvilla ein
Lehrer über seinen Schüler wörtlich: „Meiuc Erziehung
scheiterte daran, ihn zu Pflichteifer, gcwisscuhaftcr uud ausdaucruder Arbeit zu gewiuueu. Ich habe mich sehr bemüht,
weil ich ihn gerne mochte, anch seiner Eltern willen, die ich
öfters besuchte, »im mit ihnen zusammeuznarbciteu, loom sie
sich anch bereit erklärten. N. N. war aber in keinem Gegenstand zn einer ordentlichen Mitarbeit zn bringen. Gute Ansätze hielten nie lange an. Er hat großes Praktisches Wissen,
das außerhalb der Schnle liegt; auch sein Vater klagt, daß er
zur Arbeit in der Schmiede zwar sehr geschickt verwendet
werden könnte, aber nie aushält. Dem Buben fehlen leitende
Energien absolut." Der Proband geriet auch ans lranrige
Abwege.
Zu diesen Fällen bemerkt Pedevilla, daß die Ellern keinen
positiven Einfluß geltend zu machen vermochten oder daß
ein Elteruteil zu früh verstarb.
Welche Folgerungen zieht nnn Pcdcvilla aus seiner umfangreichen Arbeit?
Er ist der Meiuuug, uud diese Auffassung lmrgerl sich heule
liberali mehr und mehr ein, daß bilduugsuusähigc Kinder
nicht in die Allgemeine Tonderschulc gehören. Er sagt: „Die
Mißachtung dieser Tatsache gereicht der Hilfsschule sehr zum
Nachteil, weil sie dadurch in der öffentlichen Meinung nicht
mehr als Hilfsschule, soudcru als Anstalt für Blöde gehalten
wird und vou ihr daher der üble Nachruf kommt, der vielen
ehemaligen Hilfsschülern sogar in ihrem erwachsenen Leben
belastend nachgeht uud weswegen sich viele schon als Kind
sträubten, dorthin zn gehen."
Eine heutige Erhebuug würde diese Klage Pedevillas nicht
mehr zu briugcu brauchen, da nun Kinder, die dem B i l duugöweg der Allgemeinen Sonderschule nicht zu folgen vermögen, in eigenen Schulen lWieu) oder hier in eigenen blassen zusammeugefaßt werden.
Pedevilla sagt! „Die Vorurteile uud die falsche ^,"eiuuug
der Öffcutlichtcit erschweren der Hilfsschule die Arbeit uud
dem"hilfsschulbedürfligeu Kiude das Los. Taraus ergibt sich
für die Hilfsschulpädagogil eiue weitere Perspektive, nämlich,
daß die Hilssschulpädaqogik auch Bolkspädagogil iu ihr Programm aufuehmeu muß, eiue Tätigkeit, die über deu Bereich
der nachgehenden Fürsorge hinausgeht."
Wenn Pedevilla mit Recht eiueu Teil Schwergeschädigler
nichl in der normalen Hilfsschule wisseu will, so meiul er