Innsbruck Informiert

Jg.2018

/ Nr.4

- S.58

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Stadtgeschichte

„Arbeitslosigkeit und
Wohnungsnot sind die Würgengel“:
Sozialpolitik in Innsbruck 1931–1937
Nach dem Ersten Weltkrieg war es üblich, dass im Winter Wärmestuben die
Ärmsten vor dem Erfrieren bewahrten und Kinder armer Familien bei der Schulkinderausspeisung wenigstens einmal am Tag etwas Warmes essen konnten.
von Dr.in Sabine Pitscheider (Wissenschaftsbüro Innsbruck e. V.)

A

ls die Weltwirtschaftskrise Europa und Österreich erreichte und
die Arbeitslosigkeit in ungeahnte Höhen stieg, genügten Wärmestuben
nicht mehr. Die Bundesregierung schnürte Sparprogramme und kürzte die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung
so massiv, dass sie damit die Sorge für

Gebhard Jenewein

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INNSBRUCK INFORMIERT

die Masse der Verarmten der untersten
Stufe der öffentlichen Verwaltung, den
Gemeinden, aufbürdete.

Hilfe im Winter
Die „sozialen Lasten“ rissen immer größere Löcher in die ohnehin geschmälerten Gemeindebudgets, sodass die öffentliche Hand dazu überging, bei Privaten,
Firmen und Institutionen Geld zu sammeln, um die ärgste Not zu lindern. Verwaltet und organisiert von den Gemeinden, finanziert vor allem aus privaten
Spenden, entstand die „Winterhilfe“. Für
eine aktive Arbeitsmarktpolitik standen
zu wenig Mittel zur Verfügung, sodass
dieses Mischsystem aus privat und öffentlich bis zum Anschluss im März 1938
die Hauptlast der sozialen Grundversorgung der Bevölkerung trug.
Die Gemeinden sammelten Spenden
und verteilten Naturalien – Lebensmittelpakete, Heizmaterial, Milch für Schulkinder, Suppen für Familien – an genau
ausgesuchte Bedürftige mit extrem geringem oder gar keinem Einkommen. Die
Gemeinden schotteten sich ab und versuchten, Arme anderer Gemeinden abzuwehren. Wer etwa erst nach einem bestimmten Stichtag nach Innsbruck zuzog,
erhielt nichts. Die Stadt wollte verhindern, dass Arbeitslose aus anderen Gemeinden, die nichts oder zu wenig gegen
die Not unternahmen, nach Innsbruck
flüchteten. Da auch der Bund und das
Land Mittel zuschossen, mussten ab dem
Frühjahr 1933 alle Bedürftigen versorgt

werden und das unwürdige Hin- und Herschieben Armer endete.

Wärme, Tee und Brot
Von Mitte Dezember 1931 bis Mitte März
1932 erhielt etwa eine Familie, die weder
Arbeitslosen- noch Notstandsunterstützung bezog und ein monatliches Gesamteinkommen von maximal 35 Schilling (S)
hatte, ein Lebensmittelpaket im Wert von
10 S pro Monat. Im Winter darauf betrug der Wert des Lebensmittelpakets
nur mehr 5,80 S und sank auf 4,55 S, weil
noch mehr Arme versorgt werden mussten. Menschen ohne eigenen Haushalt,
und damit ohne Küche, bekamen Marken
für die Volksküche, in der sie sechs Mal
wöchentlich eine Mahlzeit erhielten.
Größere Gemeinden wie Innsbruck subventionierten Wärmestuben, die neben
Wärme auch Tee und Brot boten. Ab dem
Winter 1932/33 drang die Politik in diesen Bereich ein: Nach Messerstechereien
zwischen Anhängern verfeindeter Parteien – NSDAP und Sozialdemokratie – subventionierte die Stadt pro Partei je eine
Wärmestube für Jugendliche, die prinzipiell allen offenstanden aber bei der aufgeheizten politischen Stimmung nur von
den eigenen Parteigängern besucht werden durften. Die ab Mitte Juni 1933 illegale NSDAP nutzte die Not für ihre Propaganda und versprach im Falle ihres
Sieges Arbeit und Brot.
Da die Ausgaben die Einnahmen weit überstiegen, versuchte die Stadt mehr Spenden
einzuwerben und drängte Gewerbetrei-