Innsbruck Informiert

Jg.2012

/ Nr.11

- S.58

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58

S ta dtg e s c h i c h t e

innsbruck informiert nr. 11/2012

A u s de m S t a d t a r c h i v / S t a d t m u s e u m

Der Dichter, der seine Bücher nicht erlebte
Zum zweihundertsten Geburtstag des Innsbrucker Dichters Hermann von Gilm

vo n D r . Ot t f r i ed H a f n e r

© Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Ph/A-995-29

© Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Fl-667

Grab von Hermann von Gilm am
Westfriedhof in Innsbruck, um 1950.

Festblatt der „Innsbrucker Nachrichten“ zur Feier des 100. Geburtstages von
Hermann von Gilm in Innsbruck am 27. und 28. November 1912.

I

nnsbruck, Städtischer Westfriedhof,
alter Teil. Ein einsames, vergessenes
Grab. Darauf nur der Name: Hermann von Gilm. Unter dem Titel „Allerseelen“ überlebte ihn sein Gedicht:
Stell auf den Tisch die duftenden Reseden,
die letzten roten Astern trag herbei,
und lass uns wieder von der Liebe reden
wie einst im Mai.
Gib mir die Hand, dass ich sie
heimlich drücke
und wenn man‘s sieht, mir ist es einerlei,
gib mir nur einen deiner lieben Blicke
wie einst im Mai.
Es blüht und funkelt heut auf jedem Grabe,
ein Tag im Jahre ist den Toten frei.
Komm an mein Herz, dass ich dich
wieder habe,
wie einst im Mai.
Am 1. November 1812 (auch der 12.November wurde als Geburtstag angegeben) kam Gilm als Sohn eines Beamten

in Innsbruck zur Welt. Seine Mutter
starb früh, mit seiner Stiefmutter verstand er sich nicht. Vielleicht trug das
frühkindliche Trauma dazu bei, dass
Gilm erst spät in den Stand der Ehe trat.
Auch die Schulzeit war für Gilm
frustrierend. Anton Schlossar, ein früher Biograph, formuliert das so: „Die
Art vorwiegend geistlicher Erziehung
aber war für das junge Gemüt eine recht
abstoßende.“
Gilm begann früh zu dichten, trotzdem musste er sich mit Abdrucken in Tiroler Zeitungen begnügen. Er ergriff, wie
sein Vater , eine Beamtenlaufbahn, zuerst
in Innsbruck, dann in Schwaz, 1842 in
Bruneck, wo er sich aber mit den Jesuiten
überwarf. Seine „Jesuitenlieder“ konnten,
wohl auch aus Gründen der Zensur, keine Verbreitung durch Druck, sondern nur
handschriftlich, von Hand zu Hand, finden. Möglich, dass dies zu seiner baldigen
Versetzung nach Rovereto führte. Auch
dort hielt es Gilm nicht lange. Seit 1847 in
Wien, zählt er zu den begeisterten Anhängern der Revolution von 1848.

1854 wurde Gilm wieder versetzt. Ohne es
zu wissen, wird Linz zur Endstation seines
Lebens. Zuerst Sekretär der Statthalterei,
ab 1856 Leiter des Präsidialbüros, lebte in
Linz sein berühmter Dichterkollege Adalbert Stifter, mit dem der extrovierte Gilm
aber zu keinem Konsens kommen konnte.
Besser liefen die Kontakte mit Franz Stelzhamer, heute noch als Dichter der oberösterreichischen Landeshymne bekannt.
Gilm konnte ihm als einflußreicher Beamter einen Ehrensold verschaffen.
Auch in Linz kam der liberale Gilm
mit der Kirche in Konflikt. Zeitgleich
mit Gilm kam Bischof Rudigier an die
Macht, der als Bauherr des Neuen Linzer Domes in die Kirchengeschichte
eingegangen ist und als einer der „Väter“
des politischen Katholizismus in Österreich gilt. Rudigier lehnte das Auftreten
von Kindern auf der Bühne ab. Gilm
konnte dessen Meinung nicht teilen.
Erst die Nachwelt sollte ihm rechtgeben.
Liberal war Gilm auch in seiner Dienstauffassung, fuhr drei Monate nach Tirol
auf Urlaub ohne sich abzumelden.