Innsbruck Informiert

Jg.2012

/ Nr.10

- S.59

Suchen und Blättern in knapp 900 Ausgaben und 25.000 Seiten.





vorhergehende ||| nächste Seite im Heft

Zur letzten Suche
Diese Ausgabe – 2012_Innsbruck_informiert_10
Ausgaben dieses Jahres – 2012
Jahresauswahl aller Ausgaben

Dieses Bild anzeigen/herunterladen
Gesamter Text dieser Seite:
s t ad t geschich t e

www.innsbruckinformiert.at

59

originale im stadtarchiv/stadtmuseum

Der langjährige Sitz der Exl-Bühne: Das in den fünfziger Jahren abgebrannte Löwenhaustheater um 1905, das knapp 1000 Personen Platz
bot. An dieser Stelle wurde das ORF-Landesstudio errichtet. Auf den
Stufen: die Exl-Bühne (unten)

Das gesamte Ensemble der Exl-Bühne in einer der ersten Aufnahmen
(vor Mitte 1904): In der Mitte sitzt Ferdinand Exl, ganz links stehend,
ohne Hut, Eduard Köck, Anna Gstöttner, spätere Exl, sitzt zwischen
ihnen (oben).

pönten Ritterstücke zurück) und war ab
1933 durchsetzt mit Stücken austrofaschistischer und nationalsozialistischer
Autoren.

„Mag in der Zeit der großen
kulturellen wie geistigen Erneuerung auch die Exl-Bühne
ihr bescheidenes Schärflein mit
dazu beitragen.“
Faschismus und Nationalsozialismus förderten gerade jene Volkskunst,
die im Kulturleben der Ersten Republik
zunehmend an Bedeutung verloren hatte: agrarromantisch, nationalkonservativ, antimodernistisch. Dafür erhielten
die Machthaber Unterstützung durch
die Exl-Bühne, insbesondere die Nationalsozialisten. Exl selbst und einige
der Schauspieler waren schon 1933 der
Partei beigetreten, was Bundeskanzler Schuschnigg 1934 dazu veranlasste,
eine Tournee ins Dritte Reich zu unterbinden. 1935 konnte die Exl-Bühne nur
durch den Umweg über ein SchweizGastspiel wieder aus dem Deutschen
Reich nach Österreich zurückreisen.
Der Anschluss wurde denn auch gebührend begangen: Exl rief öffentlich
zum „Ja für Hitler“ auf, Hans Ranzis „Ein
Deutscher lügt nicht“ wurde als Festvorstellung zum Führergeburtstag gegeben,
es folgten Tourneen zum Westwall, geschlossene Vorstellungen für Parteiorganisationen, Aufführungen in Arbeitslagern und für die SS-Wachmannschaften

in Auschwitz. Den Theaterbetrieb hatte
nach Ferdinand Exls Tod 1942 seine
Tochter Ilse Exl übernommen.
Durch die guten Kontakte der ExlBühne zur NS-Politik gelang es sogar
– trotz Kriegswirtschaft –, ein Wiener
Theater zu renovieren, das 1941–1945
bespielt wurde. Zu dieser Zeit wurden
einzelne Schauspieler, manchmal das
gesamte Ensemble viel gefragte Filmdarsteller: In Volksstückadaptionen, Heimatfilmen (u. a. von Luis Trenker) und
Propagandafilmen trat vor allem Eduard
Köck auf. Er und andere finden sich sogar auf den ominösen „Gottbegnadetenlisten“: Diese von Hitler und Goebbels
erstellten Kataloge beinhalteten deren
persönliche Lieblingskünstler, nationalsozialistische „Vorzeigekünstler“ aller
Sparten und jene, die für die Propagandamaschinerie als „unabkömmlich“ eingestuft wurden, womit der Betreffende
praktisch vom Kriegs- und Arbeitsdienst
bis zuletzt befreit war. Das Filmschaffen
der Exl-Bühne geht zurück auf die Jahre
1912/13, als Pierre Paul Gilmans an Originalschauplätzen des Tiroler Freiheitskampfes „Speckbacher, oder: Die Todesbraut“ mit rund zweitausend Statisten
und dem Exl-Ensemble in den tragenden
Rollen drehte.

„Ueber Nacht begannen ihre
Leute stark zu ‚österreicherln‘ …“
Nach 1945 übersiedelte die Exl-Bühne
wieder ganz nach Innsbruck. Ilse Exl

versuchte, in zweimonatigen Spielzeiten
in der Kleinen Bühne des Landestheaters durch innovative Zyklen und Aufwärmen eines Österreich-Mythos die
Exl-Bühne zu revitalisieren. Produktionen wie „Im weißen Rößl“ und TirolerAbende sowie die noch immer obligaten Schönherr-Tourneen zeigen aber
deutlich, dass sich die Exl-Bühne selbst
überlebt hatte: Mit der Abwendung vom
Volkstheater als Laientheater und Teil
einer Festkultur und der Hinwendung
zur Aufführungspraxis des Kunsttheaters hatte sich das Theater künstlerisch
positioniert. Mit politischen Anpassungen hatte es sich ausgegrenzt. Das herrschende Textangebot führte zur Konzentration auf Dauerbrenner und oft
billige Spaßmacherei. Zuletzt machte
der Wille, das Ensemble um jeden Preis
zusammenzuhalten, auch wenn es bei
den Versuchen, neue Wege zu begehen,
künstlerisch überfordert war, die ExlBühne uninteressant: Seit den frühen
Jahren stieß man bei Repertoire-Erweiterungen immer wieder auf die zunehmend enger werdenden Grenzen.
1956 starb Ilse Exl erst 49-jährig, wenige Monate darauf gab die Exl-Bühne
in Innsbruck ihre letzte Vorstellung.
Anlässlich des 110. Jahrestages der
Gründung der Exl-Bühne ist der reich
bebilderte Band „Wandlungen eines
Volkstheaters: Die Exl-Bühne (1902–
1956)“ in Vorbereitung und wird voraussichtlich im Dezember erscheinen.