Innsbruck Informiert

Jg.2012

/ Nr.10

- S.58

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S t ad t geschich t e

innsbruck informiert nr. 10/2012

A u s dem S t ad t archiv / S t ad t m u se u m

110 Jahre Exl-Bühne

V

or der eigenen Theatergründung hatten die meisten frühen
Mitglieder der Exl-Bühne bereits Bühnenerfahrung bei der „Pradler
Bauernspielergesellschaft“ gesammelt:
Ferdinand Exl als jugendlicher Liebhaber und Mädchenschwarm, Ludwig
Auer, Vinzenz Spörr und die Familie
Gstöttner waren dort teilweise schon
seit Jahren in Ritter- und Schauerdramen aufgetreten und hatten sich einen
Namen gemacht.
Einige der Gründer, darunter Exl
und Eduard Köck, engagierten sich im
nationalliberalen „Deutschen Männergesangsverein“, wo sie die Idee zu einem
neuen Volkstheater diskutierten und
der Sache eine politische Dimension
verliehen. Sie wollten sich von Possenreißerei, Ritterstück und billigem Klamauk abgrenzen und durch Spielweise und Stückauswahl das literarische
Volksstück bekannt machen.

„Hier wirkt die Dichtung aus sich
selbst, … der volle Erdgeruch
strömt uns entgegen“
Mit Anzengrubers „Der Pfarrer von
Kirchfeld“ eröffnete „Exls Tiroler Bauernspieler-Gesellschaft“ Ostern 1902
ihre erste Saison im Österreichischen
Hof in Wilten. Ab 1904 spielte man dann
im etwa tausend Personen fassenden
Löwenhaustheater, zuerst nur wochenends, schon bald bis zu dreimal täglich.
Anzengruber kam nach und nach
mit allen seinen Werken auf die Bühne, bald gefolgt von Franz Kranewitter
und Karl Schönherr, deren Werke all die
Jahre hindurch wichtigster Bestandteil
des Repertoires blieben. Hinzu kamen
heute weitgehend unbekannte Autoren wie der damalige Innsbrucker Polizeipräsident Rudolf Brix, der Finanzbeamte Hans Ranzi, der wegen seiner
Schauspielertätigkeit bei der Exl-Bühne
strafversetzt wurde, Julius Pohl, Hermann Heinz Ortner und später Heinrich Klier.
In den frühen Jahren spielte die ExlBühne noch häufig umstrittene Stücke.
Die Zensur strich Schönherrs „Glaube

von E ckehar t S chmidl

Plakat der Exl-Bühne im Löwenhaustheater
für 10.8.1913, Der heilige Florian (unten).

originale im stadtarchiv/stadtmuseum

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1926 bewarb die Exl-Bühne ihr Sommer­
gastspiel mit diesem Plakat. Hauptsächlich befand sich das Ensemble in diesen Jahren in Wien und auf Tournee, in Innsbruck
spielte man jährlich durchschnittlich zwei
Monate lang im Sommer (oben).

und Heimat“ zu einem bedeutungslosen
Torso des Texts zusammen. Brix‘ „Das
Gnadenbild“ wurde wegen Einsprüchen
seitens der Kirche verboten, Wedekinds
„Frühlings Erwachen“ wurde wegen
wütender Proteste der konservativen
Presse abgeblasen. Doch daneben biederte sich Exl auch immer wieder an: zu
Kaisergeburtstagen, 1809er-Feiern und
anlässlich des Kriegseintritts 1914.

„… um bessere oder gar keine
Klassikeraufführungen soll ersucht werden …“
Exl übernahm im Ersten Weltkrieg das
Innsbrucker Stadttheater (das heutige
Tiroler Landestheater) und gründete
1919 die Kammerspiele im Grauen Bär.
Den neuen Anforderungen – klassisches
und modernes Sprechtheater, Oper und
Operette – wurde er als Intendant durchaus gerecht. Als Schauspieler wurden er
und sein Ensemble aber oft als Fremdkörper wahrgenommen, was ihn dazu
veranlasste, das Volksstück mehr in den
Vordergrund zu stellen. Demgegenüber
wurden Stücke von Ibsen, Strindberg,
Schnitzler, Shakespeare oder Goethe

hauptsächlich durch das vorbestehende
Stadttheaterensemble realisiert.
Nach dieser Phase (1916–1922) konzentrierte sich Ferdinand Exl auf Wien:
Seit 1904 hatten er und seine Ehefrau
Anna Exl jährliche Gastspielreisen organisiert, die sein Theater fast durch die
gesamte Monarchie, nach Deutschland,
Belgien, Holland und in die Schweiz geführt hatten. Eine erfolgreiche Zukunft
erschien ihm in der bedeutenden Theaterstadt Wien besser gesichert als in
Innsbruck, wo er wohl rasch ein reines
Bauerntourneetheater geleitet hätte.
Die durchschnittlich zweimonatigen
Sommergastspiele in Innsbruck behielt
die Exl-Bühne bei. In Wien kam die ExlBühne für eine oder mehrere Saisonen
unter anderem im Raimundtheater, Komödienhaus und Wiener Stadttheater
unter, bevor von 1934 bis 1938 das Bürgertheater bespielt wurde.
Durch die Theaterkrise und das zunehmende Desinteresse an konservativ-agrarromantischem
Volkstheater
umfasste der Spielplan seit den 1920ern
zunehmend billige Unterhaltungsware
(man kam auch auf die anfänglich ver-