Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1934

/ Nr.12

- S.2

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Amtsblatt Nr. 1

Gemeindeautonomie
Von Magistrats-Direktor D r . H. F u n k h ä u s e r

Die neue österreichische Verfassung enthält nur die
Grundzüge des Gemeinderechtes. Sie überläßt es den
Landtagen, im Rahmen dieser Grundgüge die näheren
Bestimmungen gu erlassen. Demnach werden die Ortsgemeinden der einzelnen Länder ihre Gemeindeordnungen und die landesunmittelbaren Städte, bisher
Statutargemeinden genannt, ihre Stadtrechte durch
Landesgesetze erhalten. Die Beschlußfassung der Tiroler
Gemeindeordnung und des Innsbrucker Stadtrechtes
steht unmittelbar bevor.
Der Grundgedanke des bisher geltenden österreichischen Gemeinderechtes, der diesem im Vergleiche zu dem
Gemeinderechte anderer Staaten ein ganz besonderes
Gepräge gab, war der der Gemeindeautonomie. Für
jedermann, der einigermaßen am öffentlichen Leben
oder wenigstens am Gedeihen seines Heimatsortes Anteil nimmt und sich ein eigenes Urteil über die Bedeutung der gu erwartenden Gemeindegesetze und den
Entwicklungsgang des Gemeinderechtes bilden will, ist
die Kenntnis des Begriffes „Autonomie", eines Wortes, das wiederholt mißverstanden und mißbraucht
wurde, unerläßlich. Autonomie heißt wörtlich „Selbstgesetzgebung", etwas frei übersetzt „das Recht, seine Angelegenheiten durch eigene Satzungen gu regeln". Hierin
ist aber, wie gewöhnlich bei Uebersetzung eines Fremdwortes, der Begriffsinhalt weder erschöpft noch klargestellt. Die Forderung nach freier Gemeinde- und Städteverfassung, nach Selbstbestimmung und Selbstverwaltung wurde im Revolutionsjahre 1848 erhoben. Sie
hatte ihren Grund in dem seit Kaiser Joseph I I. allmählich unerträglich gewordenen Absolutismus. Auf
den Gemeinden lasteten wohl verschiedene Pflichten, fo
g. V. die Armen- und Krankenfürsorge, die Rekrutierung, aber ihre Rechte standen hiegu in keinem Verhältnis. Damals entwickelte sich der Begriff der Autonomie als „Freiheit der Gemeindeverwaltung von überflüssiger staatlicher Bevormundung und beengender Zentralisation". Der erhobenen Forderung wurde zuerst das
provisorische Gemeindegesetz vom Jahre 1849, dann das
Neichsgemeindegesetz vom Jahre 1862 und die auf diesem Gesetze erlassenen Gemeindeordnungen und Städtestatute in weitgehender Weise gerecht. Die einzelnen
Rechte und Befugnisse, die in diesen Gesetzen die Freiheit der Gemeinde vom Staate begründeten, sicherten
und begrenzten, werden im folgenden dargelegt. Diefer Darlegung wird am Schlüsse eine Uebersicht der
Schmälerungen gegenübergestellt, die die Autonomie
seit dem Bestände der Republik erfahren hat.
Die Gemeinde ist ein Verband aller Liegenschaften
und ein Verband aller Personen innerhalb der Gemeindegrenzen. Eine Aenderung der Gemeindegrenzen
oder gar die Vereinigung von Gemeinden miteinander,
so daß sie aufhören, als eigene Gemeinden gu bestehen,
ist im Grunde genommen vom Willen der Gemeinde abhängig. I n der überwiegenden Mehrzahl der ersten nach
dem Jahre 1862 erschienenen Gemeindeordnungen ist
ausdrücklich die Bestimmung enthalten, daß eine Vereinigung von Gemeinden wider deren Willen nicht stattfinden darf. Auch die geltende Tiroler Gemeindeordnung spricht nur davon, daß sich zwei oder mehrere
Gemeinden durch Landesgesetz vereinigen können und
daß eine sonstige Veränderung der Grenzen der Bewilligung der Landesregierung bedarf. Vollkommen unzwei-

deutig drücken sich alle seit dem Jahre 1868 erschienenen
Gemeindestatute der Stadt Innsbruck aus. Sie erklären eine Erweiterung des Stadtgebietes nur dann
durch Landesgesetz als zulässig, wenn sich der Gemeinderat der Stadt dafür ausgesprochen hat. Schon in
diesen Bestimmungen geigt sich unverkennbar das Recht
der Selbstbestimmung der Gemeinde.
Die Gemeinde ist in ihrem Bestände vom Bunde und
Lande unabhängig: ihr Bestand ist gewährleistet.
Dem Personenverband der Gemeinde gehören alle
Personen in der Gemeinde an. Sie werden unterschieden in Gemeindemitglieder und Auswärtige; die Gemeindemitglieder scheiden sich in Gemeindeangehörige
oder Heimatberechtigte und in Gemeindegenossen; diese
sind — nach dem Innsbrucker Gemeindestatute — jene
Personen, die, ohne in der Gemeinde heimatberechtigt
gu sein, in ihr den ordentlichen Wohnsitz haben.
I m Sinne des Autonomiegedankens steht der Gemeinde, abgesehen von der gesetzlich geregelten Anfvruchsersitzung, das ausschließliche Recht zu. Gemeindegenossen und Fremde nach freiem Ermessen in
den Heimatverband aufzunehmen. Weiters ist ihnen
im Art. I I I des Reichsgemeindegesetzes das Recht
eingeräumt, Gemeindegenossen und Fremde unter bestimmten Voraussetzungen aus dem Gemeindegebiete
auszuweisen. Ausschließliches Recht der Gemeinde ist
es. verdienten Personen das Ehrenbürgerrecht zu verleihen.
Keine übergeordnete Behörde hat das Recht, in eine
Prüfung der Verdienste des gum Ehrenbürger Ernannten oder in eine Prüfung der Motive der Verleihung
einzugehen oder die Ernennung Kraft des Staatsaufsichtsrechtes zu untersagen, wenn nicht etwa durch die
Ernennung bestehende Gesetze verletzt wurden.
Für die Gemeinde als Rechtspersönlichkeit handeln
ihre „Organe". Die bisher geltenden Gemeindeordnungen der Länder kennen als Organe den Gemeinoerat
(Gemeindeausschuß) und den Gemeindevorstand,- der
Gemeindevorstand besteht aus dem Bürgermeister (Vorsteher) und einigen Mitgliedern des Gemeinderates. Die
Organe der Statutarstädte sind im wesentlichen dieselben. Die Größe der Bevölkerungszahl, der Umfang des
Aufgabenkreises und die eigene Vezirksverwaltung
machen aber eine weitergehende Gliederung nötig. Die
meisten Städtestatute sehen daher außer dem Gemeinderat und dem Gemeindevorstand, unter besonderer Her
vorHebung des Bürgermeisters, noch einen Stadtrat.
Gemeinderatsausschüsse und das Gemeindeamt, den
Magistrat, vor.
Wiederum ein Zeichen von Unabhängigkeit ist es,
daß die Gemeinde ihre Vertretung vollkommen unbeeinflußt von den Regierungsbehörden frei wählen
und ihre Beamten nach freiem Ermessen bestellen
kann.
Der Staat begnügte sich bisher damit, daß die Bürgermeister und ihre Stellvertreter beim Antritt ihres Amtes die Beobachtung der Gesetze und die gewissenhafte
Erfüllung ihrer Pflichten zu geloben hatten. Eine Prüfung, ob die Gewählten die Eignung gu ihrem Amte besäßen, stand keiner Regierungsstelle zu. Nur die Wahl
des Bürgermeisters der Statutarstädte bedurfte in der
Monarchie der Bestätigung des Kaisers; die aufgehobene republikanische Verfassung kennt ein Vestatigungsrecht nicht.
Am stärksten kommt der Gedanke der Selbstverwaltung im Wirkungskreise der Gemeinde zum Ausdruck.