Innsbruck Informiert

Jg.2012

/ Nr.2

- S.57

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s ta dtg e s c h i c h t e

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A u s d e m S ta d ta r c h i v/ S ta d t m u s e u m

Ein Himmelsbrief im Stadtarchiv Innsbruck


vo n G e r t r au d Z e i n d l

Der Himmelsbrief
Optisch gesehen könnte man dieses
handschriftliche Dokument den Urkunden zuordnen. Bei näherer Betrachtung
und vor allem beim Erfassen des Inhaltes stößt man aber bald auf den Aussteller dieses Schriftstückes, der mit Jesus
Christus selbst genannt wird. „In disem
Brief werdet ihr finden, das ich wahrer
Jesus von Nazareth, euer Erlöser und Seligmacher, euch mein himmlischer Vater
nach seinen Ebenbilde erschaffen, und
ich euch mit meinen kostbaren Blute erlöset habe, und das Euch der h. Geist, der
Tröster, welcher euch alle Wahrheit lehrt,
in der h. Taufe ist eingegossen worden,
damit ihr von der Erbsünde abgewaschen
und gereiniget werden sollet, das ihr dadurch eure Seeligkeit erwerben möget.“
Auch die Wappendarstellungen beziehen
sich auf Jesus Christus und die Muttergottes Maria.

Von Gott selbst
In der ersten Zeile dieses Schriftstückes
wird man als Leser auch sofort darauf
hingewiesen, dass es sich hierbei um
eine Kopie oder Abschrift eines von Gott
selbst verfassten Briefes handelt, der von
ihm auf den St. Michaelsberg in Britannia (St. Michael’s Mount, Gezeiteninsel
an der Südwestspitze Englands) gesandt

© Orig. Stadtarchiv Innsbruck, Div-3226

Z

u den zentralen Aufgaben des
Stadtarchivs Innsbruck gehört
das Bewahren, Erschließen und
Zugänglichmachen der Urkunden, Handschriften, Grafiken, Fotos, Bücher, Zeitungen u. v. m. Jedes Archivgut wird also
archivgerecht verpackt und konservatorisch richtig aufbewahrt. Für die öffentliche Zugänglichmachung der verschiedenen Quellen werden die Archivalien in
einer Datenbank inventarisiert und wissenschaftlich erschlossen. Das heißt, jedes
Dokument, jedes Bild oder jede Zeitung
wird nach äußeren Merkmalen beschrieben und der Inhalt erfasst. Je nach Art
des Archivguts benötigen wir dafür mehr
oder weniger Zeit. Ein solches Dokument,
das mit Bestimmtheit ein wenig mehr Zeit
für die Erschließung erforderte, ist der im
Folgenden vorgestellte „Himmelsbrief“.

Himmelsbrief, 1740-1760

worden war und dort aufgehängt wurde.
Dieser Einleitungssatz gibt Aufschluss
darüber, dass es sich bei diesem Dokument um einen so genannten „Himmelsbrief“ handelt.
Den so genannten Himmelsbriefen ist
es eigen, dass sie davon berichten, dass
ein Brief von Gott selbst in Goldlettern
geschrieben und auf wundersame Weise
vom Erzengel Michael überbracht wurde.
Jeder, der eine Kopie dieses Briefs bei sich
trägt oder in seinem Haus aufbewahrt,
soll vor eigens angeführtem Schaden bewahrt bleiben. So wird dies auch in unserem Himmelsbrief genannt: „Wenn einer
einen solchen Brief mit eifrigen Gemüthe
leßen höret, so ist es so vil, als hätte er ihn
selbst geleßen. Wer einen solchen Brief
in seinen Hauße hat, und glaubt, was er
ihn lehrt, der wird keines jähen Todes
sterben. So eine schwangere Frau einen
solchen Brief bey ihr trägt, die wird mit
geringen Schmerzen gebähren, und einer
lebendigen Frucht erfreuet werden, und
ihr Kind wird das h. Sakrament der Tauf
empfangen.“
Diesen Schutz erhielt man aber nicht
ohne Auflagen und so wird man im ersten
Teil des Briefes angehalten, den Sonntag als Tag des Herrn zu ehren. Weiters
steht auch geschrieben, dass man sein
„Angesicht nicht mit köstlichen Wässern
waschen, und Salben anstreichen, und
eure Haarkaußen, und euer Haupt zieren“ sollte. Neben weiteren Hinweisen
auf Schadloshaltung wird noch gesondert

angeführt, dass, wenn man auch der ganzen „Welt Sünden gethan“ hätte, aber reumütig sei und diesen Brief abschreibt, „so
hätte er gewiß für zeitlich Glük, und dort
die ewige Freud und Seligkeit“. Somit wird
alleine durch den Besitz dieses Briefes der
Eigentümer bei Reumütigkeit von jeder
Sünde freigesprochen. Himmelsbriefe
galten oft als Freibriefe für alle Sünden
und Verbrechen.
Der Himmelsbrief führt seinen Namen nach der einleitenden Legende, der
zufolge er ein vom Himmel gefallener
oder gesandter Brief ist. Sie stellen den
Anspruch einer schriftlichen Offenbarung des göttlichen Willens. Dem Inhalt
nach sind es Schutzbriefe.

Zur Geschichte

Der Ursprung der Himmelsbriefe liegt
in der Antike. In ihrer christlichen
Form reichen sie bis ins 6. Jahrhundert
zurück. Der Himmelsbrief ist ein Teil
der Volksreligion, der von der Kirche
zuweilen geduldet, oft aber auch zu beseitigen versucht wurde. Kaiser Karl der
Große verbot 789 diese Art von Briefen.
Trotz alledem erhielt sich der Himmelsbrief über Jahrhunderte hindurch. Noch
im 20. Jahrhundert wurden sie verkauft,
oft in Form eines Bilderbogens. Sowohl
Katholiken als auch Protestanten verwendeten ihn als Haussegen.
Dieser im Stadtarchiv aufbewahrte
Himmelsbrief stammt aus der Mitte des
18. Jahrhunderts und gelangte 2011 als
Ankauf in unsere Archivbestände.

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