Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1935

/ Nr.10

- S.11

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.11

Amtsblatt Nl.11.
Sie sehen, meine Herren, es gibt eine Menge Arbeit und
ich bitte Sie um vertrauensvolle Mitarbeit, damit wir unsere geliebte Heimatstadt wieder dorthin führen können, wo
sie einstens mit Stolz gestanden hat.

Rückblick
Es ist in der letzten Zeit viel über die Verwaltung der
Gemeinde Innsbruck in den letzten Jahren gesprochen worden und wenn man das neue Gemeindestatut ansieht, möchte
man wirklich glauben, daß alle diejenigen, die seit 1919 die
Geschicke der Stadt Innsbruck geleitet haben, sehr böse
Buben waren, die es nicht verstanden, mit den Mitteln der
Gemeinde entsprechend hauszuhalten und den Einflüssen
einer schädlichen Politik entsprechend zu begegnen. Es ist
richtig, daß die parteipolitische Demokratie Blüten gezeitigt
hat, die schwere wirtschaftliche und auch ideelle Opfer forderten. Richtig ist aber auch das eine, daß es wohl keine
Stadt in Oesterreich gibt, die die gleichen Schwierigkeiten
mitzumachen hatte wie Innsbruck. Während der schweren
Kriegsjahre war Innsbruck als erste Etappe allen mit dem
Kriege zusammenhängenden Opfern und Inanspruchnahmen
ausgefetzt. Es kam eine Zeit scheinbarer Konjunktur, die
letzten Endes in eine Inflation ausartete, die der Gemeinde
das gefamte beträchtliche Friedensvermögen raubte, wohl
gleichzeitig auch die Schulden der Gemeinde tilgte. Ich erinnere Sie, meine Herren, an die Wohnungsnot, die in den
ersten Nachkriegsjahren in Innsbruck bestand und die großen Opfer, die die Gemeinde Innsbruck zur Bekämpfung
dieser Not vollbringen mußte. Der unglückfelige Ausgang
des Krieges zwang viele unserer Mitbürger, die in den
fremdsprachigen Teilen unseres ehemaligen Oesterreich ihr
Brot gefunden hatten, wieder zurück in ihre Heimat zu
kehren. Ungezählt, aber in die Taufende gehend sind die
Familien, die wegen der nationalen und politischen Verhältnisse aus unserem armen Eüdtirol in unsere Heimat
zurückkehren mußten. Heute mutz ich sagen, es wäre besser
gewesen, wenn wir damals nicht so viel Wert auf eine hohe
Wohnkultur gelegt hätten, fondern mehr und dafür billigere
Wohnungen gebaut hätten; denn heute haben wir nach wie
vor ganz bedeutende Mittel auszugeben, um jenen Mitbürgern helfen zu können, die nicht in der Lage sind, eine entsprechende Wohnung aufzutreiben.
Ich erinnere Sie, meine Herren, an jene bitterbösen Zeiten des Jahres 1932 und 1933, in welchen ein neuer Zeitgeist aus unserem Nachbarlande im Norden zu uns hereinkam, schwerste politische Kämpfe auslöste, die uns Hunderttausende Mehraufwand für den Sicherheitsdienst kosteten
und einen Bruderzwist auslösten, der uns Millionen von
sonst selbstverständlichen Einnahmen wegnahm. Ich erinnere
an die Geschehnisse des Februar und Juli 1934, die wirklich
nicht dazu angetan waren, die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse unseres Gemeinwesens zu verbessern. Ich
erinnere Sie auch daran, daß gerade in diesen schwersten
Zeiten für unser gesamtes Vaterland Innsbruck nicht nur
erste Etappe, sondern erste Front war und deshalb am allermeisten hergenommen wurde. Denken Sie auch, meine Herren, an die große Weltwirtschaftskrise und den Zusammenbruch unseres größten Kreditinstitutes mit allen seinen
schweren Folgen.

Ich erinnere an jene Zeit und an diese Begebenheit nicht,
um mich, der ich ja auch zu jener vielgeschmähten Zunft der
Parteipolitiker und ehemaligen Bonzen gehöre, reinzuwafchen oder meinen ehemaligen Kameraden im Kampfe gegen
Rot und Braun einen unerbetenen Dienst zu erweifen, nein,
ich stelle dies nur fest, um den Ereignissen der letzten Zeit
gerecht zu werden und um die Grundlage aufzudecken, auf
welcher wir unfere Gedanken aufbauen müssen, um unsere
gegenwärtige politische und finanzielle Lage verständlich zu
finden, aber auch um Kraft und Konsequenz zu suchen und
zu finden, um die Zukunft zu meistern.
Nur einige Fragen in diesem Zusammenhange seien mir
gestattet: War die Verwaltung der Stadt daran schuld, daß
die rollende Kriegsmaschine Weg und Steg zerstörte, so daß
Millionen investiert werden mutzten, um Bürger und Gast
ein gutes Gehen zu ermöglichen? War sie schuld an der
Inflation, die ihr das ganze Vermögen raubte? War sie
verpflichtet, die Möglichkeit zu schaffen, Landsleute zu beherbergen, die ihre Heimat verloren hatten? War sie verpflichtet, Arbeit zu schaffen, um Gewerbe und Arbeiter zu
beschäftigen zu einer Zeit, da die Privatinitiative, dank
eines unseligen Zinfendienstes nichts zu investieren vermochte? War sie verpflichtet, Einrichtungen und Unternehmungen Zu fchaffen, um der Stadt einen kulturellen Stempel
aufzudrücken, um die Konkurrenz mit anderen Gebieten,
die die gleichen Erwerbsmöglichkeiten wie wir fuchten, bestehen zu können? War ferner die Verwaltung der Gemeinde daran fchuld, datz unfer armes, einst fo fchönes
und stolzes Vaterland zerfchlagen und zerbrochen wurde
und die wirtschaftlichen Möglichkeiten unferer Mitbürger
auf ein Minimum reduziert wurden? War die Verwaltung
schuld an den politischen Wirren und dem Geschehen, die
Wirtschaft und Aufblühen hemmten und störten? Nein,
meine Herren, diefe Fragen lassen sich nur vom Gesichtspunkte eines verlorenen Krieges und einer innerpolitischen
Revolution aus betrachten. Die stürmende Jugend möchte
ich bitten, zu überlegen, ob wir so weit wären im Aufbau
unferer lieben Heimat, wenn wir nicht Männer gehabt hätten wie Seipel und Dollfutz; ich möchte sie bitten, daran
zu denken, ob Seipel befähigt gewefen wäre, feinen geradlinigen, gefunden Kurs einzurichten, wenn er nicht freiwillige Helfer an Stelle der staatlichen Machtmittel gehabt
hätte. Allen voran die Selbstschutzorganisationen, die Heimatwehr, die ihre Geburtsstätte in unserer Vaterstadt hatte.
Wäre es einem Kanzler Dollfutz möglich gewesen, so grundlegend die Verhältnisse zu ändern und zu meistern, hätte er
nicht den gewaltigen Rückhalt in den Wehrverbänden gehabt und hätten wir nicht einen Minister Vaugoin gehabt,
der mit unbeirrbarer Konsequenz und Festigkeit aus der
Volkswehr ein Heer geschaffen hat, dem wir heute, die wir
einstens des Kaisers Rock mit Stolz getragen haben, beruhigt und mit Freuden die Wahrung der Tradition unserer
einst so glorreichen Regimenter übergeben konnten? Wäre
es unserem Heldenkanzler Dollfutz möglich gewefen, die
Folgen der Weltwirtschaftkrise mit all ihren fürchterlichen
Auswirkungen für den österreichischen Staatshaushalt und
die Währung zu meistern, hätte er nicht so starke und unentwegte Mitarbeiter wie den Parteipolitiker Kienoöck gehabt? Wäre es der Stadtgemeinde Innsbruck möglich gewesen, all die schweren Zeiten und grotzen Verluste zu über-