Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1955

/ Nr.3

- S.1

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Diese Ausgabe – 1955_Amtsblatt_03
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Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck
Erscheint einmal im Monat Jahresabonn. S 15.—, Einzeln S 1.50 Erhältlich beim Rathaus=Portier

Schriftleitung: Rathaus 3. Stock, Zimmer Nr. 190 Fernsprecher Nr. 6371/190
Nummer 4
April 1955
18. Jahrgang
Ehrenringverleihung an Herrn Professor Ficker
Bei der am 14. April 1955 im Sitzungssaal der Generaldirektion des EWJ, Hochhaus, 2. Stock, stattgefundenen Ehrenringverleihung an Professor Doktor Ludwig Ficker hielt Bürgermeister Dr. Greiter folgende Ansprache:
Verehrte Anwesende!
Darf ich unter dem Eindruck der Freudenbotschaft Sie alle hier begrüßen, besonders unseren verehrten Gast, Herrn Professor Ficker, mit seiner Familie, dann Herrn Landesrat Dr. Tschiggfrey als Vertreter der Landesregierung, die Kunstfreunde und persönlichen Freunde des Herrn Professors, unsere Ehrenbürger und unsere Ehrenringträger, die Presse und die Mitglieder des Stadtrates.
Verehrte Korona!
Vor 45 Jahren erschien eine kleine, bescheidene Zeitschrift mit dem Titel „Brenner“. Sie wurde zuerst wenig beachtet, um dann immer mehr und mehr im gesamten deutschen Sprachraum sich eine Geltung zu erringen, die vorher niemand einem solch hochgeistigen literarischen Erzeugnisse gegeben hätte. Es fehlt mir die Eignung, nachdem ich weder Dichter noch Philosoph bin, hier in
jenen beredten Worten, wie sie mein Kollege Dr. Punt vor fünf Jahren unserem Jubilar zu seinem 70. Geburtstag gewidmet hat, heute zu seinem 75. Geburtstag, zu dem wir ihn alle herz
lichst beglückwünschen, diese Worte zu wiederholen oder in ähnlicher Form ihn zu feiern. Ich muß es in ganz bescheidener, einfacher Form tun.
Es war damals eine geruhsame Zeit, 1910. Kriege, das war so etwas, wie wenn „hinten in der Türkei die Völker aufeinander schlagen“. Die Währung war stabilisiert, so daß eine Geldentwertung überhaupt nicht mehr bekannt war außer den Studierenden der Volkswirtschaftslehre und des Geldwesens. Und es trat so eine materielle Sättigung ein, die man vielleicht nicht mit Unrecht als eine
Verspießbürgerlichung bezeichnete; man glaubte, die Wissenschaft sei — und wir wissen heute, welcher Irrtum das war — am Ende ihrer Entwicklung angelangt, man glaubte, die letzten Geheimnisse dieser unserer Erde gelöst zu haben, man glaubte, alles nachweisen zu können, und was nicht hieb= und stichfest, schwarz und weiß vor Augen stand, das existierte eben nicht.
Und in diese Zeit haben Sie, Herr Professor, Ihre Zeitschrift hineingestellt. Wir können hier das Wort unseres größten Dichters anwenden: „In deinem Lager war Österreich.“ Es waren die Tiroler Karl Dallago, Dr. Josef Leitgeb später, dann Arthur Wallpach, Georg Oberkofler, dann die Österreicher Bruno Frank, Adolf Loos, Peter Altenberg, Franz Csokor, Georg Trakl, Ferdinand Ehner, um
nur einige und nicht lange alle zu nennen. Auch über die Grenzen unseres Vaterlandes ging der Ruf des „Brenners“, und er gewann solche Mitarbeiter wie Theodor Haecker und Gertrud le Fort. Und so wie alle diese Genannten ihn in seiner Zeitschrift unterstützten, so bot er ihnen seinerseits wieder die Hilfe dar.
Es war wirklich der damaligen Zeit eine neue Fakkel, die er am Brenner entzündete, an dieser Grenzscheide zwischen Nord und Süd, die so oft in der Geschichte eine Rolle gespielt hat. Drei Ziele verfolgten Sie, Herr Professor, mit dieser Ihrer Tätigkeit: die Förderung der Kunst, vor allem der Dichtung, dann der reinen Philosophie. Und es ist dabei auch Ihnen so gegangen wie so vielen
anderen, die mit der Förderung und dem Forschen der reinen Philosophie sich nicht mehr mit dem Irdischen allein begnügen konnten, sondern die zwangsläufig zur Metaphysik kamen, zur Weltanschauung. Diesen Weg sind auch Sie gegangen. Sie haben Ewigkeitswerte geschaffen. Das, was Sie in Ihrem „Brenner“ niedergelegt oder was andere niederlegten, es ist zeitlos, weil es Wahrheit
ist. Und Sie brauchten in Ihrer Einstellung nichts zu ändern; auch nicht beim Ersten oder Zweiten Weltkrieg. Diese bewegten sich in einer Sphäre, die von der Ihren so unendlich verschieden war. Auch die Entwicklung der neuesten Wissenschaften, wie heute die Beherrschung der Kräfte des Weltalls, hat an Ihren Leistungen, an dem, was Sie schrieben und dachten, nichts geändert. Es
sind Ewigkeitswerte geworden, und es sind solche geblieben. Der Mensch war Ihnen immer das Wesentliche, nicht die Anschauung. die der einzelne hatte, sondern der Mensch selbst, weil aus der Art und Weise, wie er seine Anschauung vertrat. Sie ersahen, welche Werte er in seine Weltanschauung hineinlegte; danach konnten Sie ihn beurteilen.