Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1935

/ Nr.10

- S.5

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Amtsblatt Nr. 11.

Ansprache öes Bürgermeisters
gehalten in öer 2. Sitzung öes neuen Gemeinöetages am 5. Dktober
Vor 2N Monaten wurde der letzte Gemeinderat aufgelöst.
Nach den Bestimmungen des Verfassungsübergangsgesetzes
hat in den letzten Wochen der Landeshauptmann den neuen
Gemeindetag berufen, im Sinne der Bestimmungen des vor
kurzem in Kraft getretenen Stadtrechtes wurden bereits
die Wahl des Bürgermeisters, seines Stellvertreters und des
Gemeinderates sowie die Bitdung der Ausschüsse durchgeführt. Nicht nur einem alten Brauche folgend, sondern vielmehr, um die neuen Herren, die für die nächste Zukunft die
Geschicke der Stadt durch ihre Beschlußgewalt in Händen
halten, über die wichtigsten Begebenheiten der seit der Auflösung des Gemeinderates verflossenen Zeit und über die
Lage der Gemeinde Innsbruck zu unterrichten, wollen Sie
mir gestatten, Ihnen folgenden Bericht zu geben.
Wenn ich auch mit Dekret vom 14. Februar 1934 von
der Landesregierung zum Regierungskommisfär für die
Stadt Innsbruck bestellt wurde und damit nicht mehr die
demokratische Funktion eines Bürgermeisters zu erfüllen
hatte, fühlte ich doch in mir die Verpflichtung, auch in
dieser neuen Eigenschaft weiterhin nicht nur als Treuhänder der finanziellen Belange der Gemeinde, fondern auch
als Verteidiger der Selbständigkeit der Gemeinde zu fungieren.
Ich habe lange genug in der Gemeinde Innsbruck gearbeitet, bei kleineren Gemeinden in der Verwaltung mitgearbeitet, dem Tiroler Landtage angehört und Erfahrungen
in den obersten Organen gesammelt, die die ehemalige und
die neue Bundesverfassung kannte und kennt, um die Zusammenhänge der wirtschaftlichen Notwendigkeiten aller
den Bundesstaat darstellenden Körperschaften schon gefühlsmäßig erkennen zu können. Ich bin durchdrungen von der
Ueberzeugung, daß das Fundament eines jeden Volkes die
Familie, das Fundament des Staates die Gemeinde ist. Von
diesem Bewußtsein ausgehend, habe ich nach meiner Ernennung zum Regierungskommissär sofort mit den Bürgermeistern und Regierungskommissären der übrigen Landeshauptstädte Fühlung genommen und sie mit Zustimmung
und Unterstützung des Bürgermeisters von Wien zu Besprechungen einberufen, um mit Unterstützung des Bundeskanzleramtes die Landtage zu einer Gemeindegesetzgebung zu
bewegen, die eine gedeihliche Weiterentwicklung der Gemeinde gewährleistet.

auch der Verantwortlichkeit und der Haftbarkeit des Bürgermeisters, zumal nur in der persönlichen Haftung des
einzelnen eine Gewähr für absolut objektives und im I n teresse der Allgemeinheit gelegenes Arbeiten verbürgt erscheint. Die persönliche Verantwortlichkeit und Haftung
wurde aber auch deshalb verlangt, damit die Machtbefugnisse des Verantwortlichen gestärkt werden und es, entgegen
dem früheren Zustande, unmöglich wird, daß eine anonyme
Majorität den Bürgermeister für parteilpolitische Zwecke
auszunützen vermag. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten,
in die manche Gemeinde durch die Weltwirtschaftskrise, aber
auch zum Teile durch zu großzügige Verwaltung geraten
sind, ließen eine Vertiefung und Verschärfung des Kontrollrechtes der zuständigen Stellen begründet erscheinen. Der
Standpunkt der Bürgermeister und Regierungskommissäre
war der, daß eine strengere und eingehendere Kontrolle
ohne weiteres mit in Kauf genommen werden könne, soweit dadurch nicht die in der Bundesverfassung gewährleistete Selbstverwaltung beeinträchtigt werde.
Eine weitere Forderung der Bürgermeister und Regierungskommissäre ging dahin, daß die Bundesregierung
auf die Ländergesetzgebung einwirken möge, daß die
Ttadtrechte. wenigstens soweit sie Bestimmungen über die
Verwaltung der Gemeinde beinhalten, vereinheitlicht werden, um durch die Einheitlichkeit der Gemeindeverwaltungen die Möglichkeit zu Vergleichen zu geben, so daß
Erfahrungen der einen Gemeinde der anderen zu Nutze
gemacht werden können.

Ob dieser Wunsch der Städte sich verwirklichen wird, kann
heute noch nicht beurteilt werden. Als erstes erschien unter
ziemlicher Anlehnung an die Bestimmungen des empfohlenen Musterentwurfes das Salzburger Stadtrecht, als zweites das Innsbrucker Stadtrecht. Ich kann nur sagen, daß
das Innsbrucker Stadtrecht in vielen Bestimmungen die
Rechte der Aufsichtsbehörde und das Recht der Landesregierung, an Stelle von Gemeindeorganen zu handeln, so weit
ausgebaut hat, daß von der in der Bundesverfassung gewollten Selbstverwaltung nicht mehr viel übrig geblieben
ist. Auch die Verantwortlichkeit des Bürgermeisters und die
von den Bürgermeistern gerne übernommene Haftung hat
eine andere Regelung erfahren, als sie von den Städten gewünscht war. Die Verantwortlichkeit wurde durch EinfüUnter dem Vorsitze des Grazer Bürgermeisters Hans gung eines mit Beschlußrecht ausgestatteten Gemeinderates
Schmid wurde in langwierigen Beratungen ein Rahmen- in das Stadtrecht dem Bürgermeister zu einem großen Teile
entwurf für ein Stadtrecht geschaffen, der vom Bundes- abgenommen und im übrigen so ziemlich auf das nach dem
kanzleramt im Einvernehmen mit den zuständigen M i - alten Gemeindestatut bestandene Ausmaß beschränkt. Die
nisterien begutachtet und umgearbeitet und den Landes- Bestimmungen über die Haftbarkeit wurden vorläufig aus
regierungen und Landtagen als Richtschnur für die von juridischen Erwägungen eliminiert, die Haftbarkeit kann
den Landtagen zu erlassenden Ttadtrechte empfohlen aber, wenn sich der Bund zu einer grundsätzlichen Regelung
wurde.
entschließt, verwirklicht werden. Trotz allem habe ich die
Die Bürgermeister und Regierungskommissäre, die sich, feste Ueberzeugung, daß das uns gegebene Stadtrecht trotzwie erwähnt, unter Führung des Grazer Bürgermeisters zu dem ein brauchbares Instrument sein wird, wenn sich jedes
diesen Beratungen zusammengefunden hatten, waren aus- einzelne Mitglied des Gemeindetages voll und ganz seiner
nahmslos in den Aufgaben der Gemeindeverwaltung er- Pflicht und Verantwortung der Öffentlichkeit gegenüber
fahrene Männer und haben die Nachteile des bis zum Fe- bewußt ist. Wenn wir uns darauf einrichten, daß unser Ehrber 1934 bestandenen parteipolitischen, demokratischen Sy- geiz nur darin besteht, uns von niemandem in der Liebe zu
stems wohl erkannt und deshalb verschiedene grundlegende unserem Vaterlande Oesterreich, zu unserem Volke und zu
Forderungen zur Vermeidung der früher möglichen Uebel- unserer Heimat überbieten zu lassen, wenn wir alle auch
stände aufgestellt. Die erste Forderung ging nach einer we- die undankbarsten Aufgaben auf uns nehmen, um das
sentlich schärferen Verankerung der Stellung, damit aber finanzielle Gleichgewicht der Gemeinde wieder herzustellen,