Innsbruck Informiert

Jg.2009

/ Nr.10

- S.44

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STADTGESCHICHTE

Eröffnung des modernsten
Greisenasyls der Monarchie
V o r g e n a u 100 J a h r e n w u r d e das I n n s b r u c k e r G r e i s e n a s y l ,
das h e u t i g e I S D - W o h n - u n d P f l e g e h e i m i m S a g g e n , e r ö f f n e t .
D a m a l s g a l t es als das m o d e r n s t e H e i m d e r M o n a r c h i e w e n n nicht sogar Europas.
„Kaiser-Franz-Josefs-Jubi laumsGreisen-Asyi" steht immer noch auf
der Fassade des Wohnheims. Der
heute antiquiert anmutende Name
„Greisenasyl" war für damalige Zeiten
aber ein Beleg, wie modern das Heim
war.
Für das StadtarchivIStadtmuseum
von Markus Sailer
Denn zu jener Zeit war es üblich,
derartige Institutionen als „Siechenhäuser" zu bezeichnen. Die Heime
jener Zeit hatten einen Kasernen-,
um nicht zu sagen gefangnisartigen
Charakter: Männer und Frauen streng
getrennt, mäßige Waschmöglichkeiten
und große Schlafsäle.
Im Sieberer-Heim - benannt nach
seinem Erbauer, dem Wohltäter Hans
von Sieberer - gab es ausschließlich
Zweibettzimmer. Männer und Frauen
waren zwar auch hier getrennt, aber
erstmals gab es eine Abteilung für
Ehepaare, die gemeinsam ein Zimmer
bewohnen konnten. In jedem Stockw e r k gab es für Männer und Frauen
getrennte Lade- und WC-Anlagen.
Für schwer sozialisierbare Bewohner,
wie Alkoholiker und andere, die als

„unreinlich" bezeichnet wurden, gab
es W o h n - und Beschäftigungsräume.
Im Hochparterre waren die Räume
für die Bewirtschaftung des Hauses:
Küche, Speisesäle (für Männer und
Frauen getrennt), Bäder, Ärzteordination, Wohnung für den Hauskaplan,
Zimmer für die Oberin und die Zellen
für die Schwestern. Den Heimbewohnern waren der erste und der
zweite Stock zugedacht. Die Zimmer
waren mit je zwei Eisenbetten, zwei
Nachtkästchen, einem Waschtisch,
Kleider- und Wäschekasten, einem
Tisch, mehreren Stühlen und dem
damals von den Gesundheitsbehörden
empfohlenen Spucknapf ausgestattet.
An moderne sanitäre Erfordernisse
war in der ganzen Baukonzeption
gedacht. In jedem Stockwerk waren
für Frauen und Männer getrennte
Bade- und WC-Anlagen eingerichtet,
eine Trinkwasserleitung installiert. Das
Haus hatte eine Zentralheizung, war an
das öffentliche Kanalnetz angeschlossen und wurde zur Gänze elektrisch
beleuchtet - allgemein üblich war
damals Gas- oder Petroleumlicht. In
den 130 Zimmern konnten rund 200
Personen aufgenommen werden.
1909 wurden die Heimbewohner
für die damalige Zeit
hervorragend und liberal behandelt. Aus
heutiger Sicht erscheinen die Zimmer- und
Hausordnungen o f t
kurios und auch äußerst rigoros. So besagt Paragraph I der

Zimmerordnung: „Die Pfleglinge mit
Ausnahme der Kranken haben um 7
Uhr früh aufzustehen und sich abends
längstens eine halbe Stunde nach Torschluß zu Bette zu begeben und das
Ucht auszulöschen." Das T o r wurde im
Sommer um 8 Uhr geöffnet und um
21 Uhr geschlossen, im W i n t e r war
es von 9 bis 20 Uhr geöffnet. Außerdem wurde es von 12 bis 14 Uhr geschlossen. Während des Torschlusses
durften die Heimbewohner das Haus
nur mit Bewilligung der Heimleitung
verlassen.
Frühstück gab es um 7 Uhr, Mittagessen um 12 und Abendessen um 18
Uhr. Die Heimbewohner mussten
sich auf ein Glockensignal hin unverzüglich in den Speisesälen einfinden
- widrigenfalls sie „ohne Anspruch
auf irgendwelchen Ersatz der Mahlzeit
verlustig" werden.
Sofort nach dem Aufstehen mussten die Heimbewohner „ihre Betten
schön gleichmäßig und ordentlich (...)
machen" sowie das Zimmer auskehren
und aufräumen. A m Samstag mussten
sie zudem die Fenster und Türbeschläge putzen. W e n n jemand körperlich
nicht dazu in der Lage war, musste es
sein Zimmernachbar für ihn erledigen. Grundsätzlich durften keinerlei
Gegenstände oder Kleidung im Z i m mer herumliegen - alles musste im
Schrank verstaut werden. Bekleidet
im oder auf dem Bett zu liegen, war
untersagt.
Heimbewohner, die aufgrund einer
Erkrankung oder eines Gebrechens
„einer besonderen Wartung bedürfen",
wie es in Paragraph 4 der Hausordnung heißt, wurden in Krankenzimmern untergebracht oder in das
allgemeine öffentliche Siechenhaus
übersiedelt.

Und selbstverständlich war es verboten, „Spiegel, Bilder u. dgl. in den
Kaiser Franz Josef eröffZimmern aufzuhängen, Nägel in die
nete vor 100 Jahren das
„Greisenasyl" im Saggen. Wände oder Kästen einzuschlagen, oder
Gerätschaften aufzustellen" und „irgend(Foto: Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck)
welche Haustiere zu halten".

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I N N S B R U C K I N F O R M I E R T - O K T O B E R 2009