Innsbruck Informiert

Jg.2008

/ Nr.12

- S.44

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STADTGESCHICHTE

Vor 150 Jahren begann
fur Innsbruck das Bahnzeitalter
A l s a m 2 4 . N o v e m b e r 1858 u m 7 U h r F r ü h d e r f e s t l i c h
geschmückte Eröffnungszug den Innsbrucker Bahnhof verließ,
b e g a n n f ü r I n n s b r u c k das B a h n z e i t a l t e r . F ü r seine B ü r g e r
ä n d e r t e n sich d i e M a ß s t ä b e f ü r Z e i t u n d R a u m .
D e r von der Dampflokomotive
„ T i r o l " gezogene Train wurde an allen
Stationen der ersten und heute noch
intakten Unterinntaltrasse von einer
großen Schar Neugieriger bejubelt. Er
Für das Stadtarchiv/Stadtmuseum
von Hubert Held
traf um halb elf in Kufstein ein. D o r t
war die Erinnerung an den 4. August
des Jahres noch lebendig, als dem
Eröffnungszug der kgl. bayerischen
Staatsbahn der Staatspräsident v. d.
Pfordten und viel Münchner Prominenz

fizieller Charakter gegeben, denn es
herrschte große Peinlichkeit: Vor wenigen Wochen war der Staat gezwungen, die k. k. Nordtiroler ebenso wie
die k. k. Südtiroler Staatseisenbahn
Verona - Botzen und andere Bahnen
an eine internationale Investorengruppe,
die spätere Südbahn-Gesellschaft, zu
verkaufen.

Der 1848 im achtzehnten Lebensjahr
auf den Kaiserthron gelangte Franz Joseph I. hatte mit Großmacht-Anspruch
und hastigen Reformen die Staatskassa
innerhalb weniger Jahre an den Rand
des Bankrotts geführt.
A m Tag nach der Eröffnungsfahrt wurde in Abstimmung mit der kgl.
bayrischen Staatsbahn der
fahrplanmäßige Betrieb
auf der Strecke Innsbruck
- München aufgenommen.
Zur gleichen Zeit führte
von Tirol zur Haupt- u.
.A*
Residenzstadt Wien noch
immer kein Schienenweg.
W e r von Tirol nach Wien
if dem Viadukt bei der Mühlauer Eisenwollte, konnte bei günsbahnbrücke.
(Original im Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck)
tiger Wasserführung von
Inn und Donau ab Rosenheim Dampfentstiegen und in der Festungsstadt
boote nehmen, sonst blieb nur die
die Vollendung der Maximilians-Bahn
alles eher als bequeme Postkutsche.
München - Holzkirchen - Rosenheim
In beiden Fällen war man ungefähr
- Kufstein feierten.
eine
Woche unterwegs. Erst im August
Hingegen traten die 500 Festgäste
1860 konnte man mit der Eisenbahn
des Tiroler Eröffnungszuges, unter dein einem Tag über Bayern und Salzburg
nen sich weder der Statthalter im
nach W i e n reisen. Eine Wien-Fahrt
Kronland Tirol und Vorarlberg, Erzüber
das Staatsgebiet der Monarchie
herzog Carl Ludwig, noch ein Vertreter
war
überhaupt
erst 1871 nach dem
eines Wiener Ministeriums befunden
Bau der Brenner- und der Pustertalbahn
haben, schon nach 90 Minuten die
möglich.
Rückreise an und kehrten um halb

M

vier Uhr des Nachmittags nach Innsbruck zurück. Hier hatte ein Bürgerkomitee weitere Festivitäten organisiert
Den Eröffnungsfeiern wurde kein of-

Im Jahr 1858 war das europäische
Schienennetz bereits in seiner Grundstruktur realisiert. München kam die
Funktion eines Trichters zu, der den

Strom der „Tirol-Neugierigen" aus
vielen Ländern auffangen und auf die
neue Strecke dirigieren konnte. Die
Zahl der Touristen stieg von Jahr zu
Jahr. In Zeiten der Belle Epoque um
die Jahrhundertwende stand zwischen
dem Margarethenplatz (heute Bozner
Platz) und dem Bahnhof ein knappes
Dutzend Hotels. In dieser Zeit war
jeder vierte Arbeitsplatz in der Provinzial-Hauptstadt direkt oder indirekt
mit der Bahn verbunden.
In den ersten Monaten nach der
Aufnahme des Regelbetriebes galt eine
Eisenbahnfahrt ins Unterinntal als sensationelle Lustbarkeit: Im fast erschütterungsfreien, schnellen Gleiten konnte
man die im Fenster vorbeiziehende
Landschaft bewundern. Faszination
ging auch von den Dampflokomotiven
aus, die von der Lokomotivfabrik des
Josef A n t o n v. Maffei in München bezogen wurden. Im Gegenzug lieferte
der Kaiserstaat durch das Rothschild"sehe Eisenwalzwerk in Witkowitz
(Mähren) Schienen an die kgl. Bayerische Verkehrsanstalt. Im April 1859
wurden Publikumsfahrten jäh eingestellt,
denn das k. k. Militär beanspruchte im
zweiten Krieg mit dem Königreich
Piemont-Sardinien für einige Monate
die gesamte Transportkapazität.
Für das Alltagsleben der Innsbrucker
brachte die Bahn eine Reihe von Vorteilen. Getreide, das bislang mit dem
teuren Schiffszug am Inn bis Hall gelangte, stand nun kontinuierlich, reichlich und preiswert zur Verfügung.
Haushalts-Brennholz, das vornehmlich
aus dem Oberinntal getriftet und aus
dem Schwemmkanal am Innrain gezogen wurde, verlor das energetische
Monopol, weil die Bahn günstige Braunkohle aus Häring brachte. Es gab aber
auch Verlierer: Das Fuhrgewerbe und
seine Infrastruktur, die Innschifffahrt
und viele Gasthäuser an der Unterinntalstraße haben schlagartig große
Teile ihrer Existenzgrundlage eingebüßt.

HMpM

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I N N S B R U C K I N F O R M I E R T - DEZEMBER 2 0 0 8