Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1935

/ Nr.9

- S.15

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Amtsblatt Nr.10.
gemeinde das Schulgeld für Volksschüler zur Gänze,
für Hauptschüler zur Gänze oder Zur Hälfte nachlassen.
Eltern, die um die Befreiung von der Zahlung des
Schulgeldes oder um die Ermäßigung des Schulgeldes
ansuchen wollen, erhalten vom Klassenlehrer einen
Fragebogen, der, wahrheitsgetreu ausgefüllt, dem Klassenlehrer bis gu der von ihm bestimmten Frist zu übergeben ist. Die Entscheidung über die Ansuchen um Befreiung oder Ermäßigung trifft der Stadtmagistrat.
Die aufrechten Erledigungen werden den Schulkindern
vom Klassenlehrer mündlich mitgeteilt, die Abweisungen werden den Eltern mit Bescheid bekanntgegeben,
gegen den die Berufung an den Gemeinderat der Stadtgemeinde offen steht.
Besuchen die Kinder einer Familie nicht dieselbe
Schule, obliegt es deren Eltern, wenn sie der Ermäßigung des Schulgeldes für das 2. und 3. Kind und der
vollständigen Befreiung von der Zahlung des Schulgeldes für das 4. und jedes weitere Kind teilhaftig
werden wollen, den Klassenlehrer darauf aufmerksam
gu machen.

Jur Meöereinführung öes Ächulgelöes an
staöt. Volts- unö Hauptschulen
Wie in der Folge 9 des Amtsblattes bereits bekanntgegeben wurde, findet im kommenden Schuljahre an
den städtischen Volksschulen kein Klassenabbau statt.
Der Landesschulrat knüpfte jedoch seine Bewilligung
gur Vermeidung des Abbaues von Zehn Klassen unter
anderem an die Bedingung, daß der Regierungskommissär von der i m § 49 des Landesschulgesetzes vorgesehenen Möglichkeit, an den städtischen Volks- und
Hauptschulen ein Schulgeld einguheben, Gebrauch macht.
Sowohl der Regierungskommissär als auch der
Stadtschulrat, dem die Frage zur eingehenden Beratung vorgelegt wurde, haben diese Bedingung im Interesse der Vermeidung des ursprünglich vom Landesschulrate beabsichtigten folgenschweren Klassenabbaues ohne
weiteres als annehmbar gefunden. Der Herr Negierungskommissär hatte schon im Herbste des vergangenen Jahres aus eigenem Antriebe auf Grund der erwähnten gesetzlichen Bestimmung von der Landesregierung die Bewilligung zur EinHebung eines Schulgeldes
erbeten und erwirkt. Die von der Landesregierung im
Vorjahre bewilligte EinHebung des Schulgeldes unterblieb jedoch, da sich der dem Regierungskommissär gur
Seite gestellte Beirat mit einer allerdings geringen
Mehrheit gegen die Einführung des Schulgeldes aussprach. Die Gründe, die den Herrn Regierungskommissär im Vorjahre bewogen haben, um die Bewilligung
zur EinHebung des Schulgeldes anzusuchen, sind i n der
Hauptsache die gleichen wie die Erwägungen, die den
Landesschulrat veranlaßten, die Bewilligung zur Errichtung von gesetzlich nicht notwendigen, also auf Kosten der Stadtgemeinde geführten Klassen an die Bedingung der EinHebung eines Schulgeldes zu knüpfen.
Der Personal- und Sachaufwand für die Volks- und
Hauptschulen in Innsbruck beläuft sich i m Jahre 1935
trotz der weitestgehenden Senkung im Sachaufwand
und trotz Abbau von Lehrkräften auf 600.000 8. Teilt
man diese Summe durch die Zahl der Schulkinder, so
ergibt sich für die Stadtgemeinde eine jährliche Aus-

gabe von rund 125 8 für jedes Schulkind. Bei der
finanziellen Lage der Stadtgemeinde erachtete es der
Negierungskommissär als seine Pflicht, von allen gesetzlich gegebenen Möglichkeiten, die Einkünfte der Gemeinde zu erhöhen, Gebrauch zu machen. Ferner
glaubte er, es nicht mehr verantworten zu können, daß
den Kindern zahlungsfähiger Eltern der Schulunterricht weiterhin ohne jede Gegenleistung erteilt w i r d
und daß die Kosten des Unterrichtes für diese Kinder
zur Gänge aus den allgemeinen Steucreingängen der
Gemeinde gedeckt werden, in denen ja auch wie z. B.
in der Verbrauchsabgabe, im Gemeindezuschlag zur
Landesgebäudesteuer usw. die Steuerleistungen der
Mindest- und Minderbemittelten enthalten sind.
Es ist selbstverständlich, daß Eltern, die von der
Stadtgemeinde unterstützt werden oder für die die
Zahlung eines Schulgeldes eine wirklich untragbare
Belastung wäre, das Schulgeld erlassen oder ermäßigt
wird. Die Wiedereinführung des Schulgeldes bringt
daher bestimmt keine fühlbare Verschlechterung der
Lebensverhältnisse der Elternschaft mit sich.
Beobachtet man, wie viele Eltern die Ausgaben für
kostspielige Spielzeuge, teure Sportgeräte und Sportausrüstungen usw. für ihre Kinder nicht fcheuen, so
wird man sich inne, daß für solche Eltern eine jährliche
Belastung von 5 8, bzw. 20 8, die für die grundlegende
geistige Ausbildung des Kindes verausgabt wird, gewiß nicht unsozial ist.
Auch die Bedenken, die gegen eine unterschiedliche
Behandlung der Schulkinder in der Frage der Schulgeldzahlung erhoben wurden und die darin bestehen,
daß sich die vom Schulgeld befreiten Kinder als minderwertig fühlen oder daß sich der zahlende Schüler als
bessergestellt dünkt, sind nach der einmütigen Aussage
der Lehrerschaft vollkommen unbegründet. Wenn tatsächlich einzelne Schüler auf ihre Schulgeldzahlung
pochen sollten, so ist es Aufgabe des Lehrers, den Schulkindern den Grund für die Schulgeldbefreiung oder für
die Pflicht gur Entrichtung desselben vor Augen zu
führen. Der Lehrer hat dabei Gelegenheit, die Kinder
auf die Notwendigkeit des Gemeinsinnes hinzuweisen.
Die Vorschreibung und EinHebung des Schulgeldes
an den städtischen Volks- und Hauptschulen wird in der
allereinfachsten Art, und zwar im Zusammenwirken
der Lehrerschaft mit den Organen der Stadtgemeinde
durchgeführt werden, fo daß mit Ausnahme der Kosten
für die Trucksorten der Stadtgemeinde durch die Einführung des Schulgeldes nicht der geringste Aufwand
erwächst und das eingehobene Schulgeld gänzlich gur
Deckung des Bedarfes an Lehr- und Lernmitteln sowie
an Veschäftigungsmaterial verwendet werden kann.
Der Herr Negierungskommissär hatte, als er die Einführung des Schulgeldes in Erwägung zog, auch das
Beispiel des Bundes vor Augen. So wird heute an den
Uebungsschulen, die Lehrerbildungsanstalten angegliedert sind, 12 8 an Schulgeld, 12 8 für die körperliche
Erziehung und 6 8 als Veitrag für die Lehrmittel im
Halbjahre, also insgesamt 60 8 jährlich, e"mgehoben.
A l l diese Erwägungen machten es dem Herrn Regierungskommissär nicht schwer, dem Verlangen des Landesschulrates zu entsprechen und auch Heuer wieder um
die Bewilligung zur EinHebung eines Schulgeldes einzuschreiten, welchem Ersuchen die Landesregierung, wie
an anderer Stelle des Amtsblattes mitgeteilt wird,
kürglich stattgegeben hat.