Innsbruck Informiert

Jg.2007

/ Nr.4

- S.44

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STADTGESCHICHTE

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Propst Josef Weingartner:
Humanist im Priesterrock"

V o r 50 J a h r e n w u r d e P r o p s t Josef W e i n g a r t n e r in I n n s b r u c k
beigesetzt. Die g r o ß e G l o c k e des D o m e s zu St. Jakob und die
K i r c h e n g l o c k e n l ä u t e t e n , als a m I 5. M a i I 957 d e r T r a u e r z u g des
v e r s t o r b e n e n Josef W e i n g a r t n e r I n n s b r u c k e r r e i c h t e .
Nach Gedenkgottesdiensten in Bozen und Brixen konnten

Bischof

Rusch und Bgm. Lugger mit einer Abordnung der Bundespolizei den Sarg
am Sonnenburger Hof in Empfang
nehmen. Danach hatte die Innsbrucker Bevölkerung im D o m GeleAus dem Stadtarchiv/Stadtmuseum
von Mag.a Monika Resler
genheit. sich von ihrem so beliebten
Alt-Propst zu verabschieden. Die
Beisetzung fand am nächsten Tag in
der Krypta von St. Jakob statt. In
großer Anteilnahme hatten tausende
Menschen zuvor an einem Requiem
teilgenommen und den Verstorbenen
in einer von Rappen gezogenen Prunkkutsche auf einem letzten Trauermarsch d u r c h H e r z o g - F r i e d r i c h Straße, Maria-Theresien-Straße. Me-

W i e n begeisterte er sich
für Kunst und
Geschichte
u n d kam so
s c h o n 1912
als Sekretär
des
neuen
Denkmalamtes nach Innsb r u c k . Bereits Porträtbild aus der Parte
ein angesehe- d e s verstorbenen Propsr-.

.

tes.

(Fotos: Stadtarchiv)

ner Dozent in
W i e n und Brixen. verzichtete er auf
eine Uni-Laufbahn, als er 1921 zum
Propst der Innsbrucker Dompfarrkirche St. Jakob berufen wurde.
35 Jahre lang prägte Propst Josef
Weingartner nicht nur das geistliche
Bild der Stadtpfarre, die anfangs
25.000 Einwohner zählte. Als Vorkämpfer der Individualseelsorge widmete er viel Zeit den systematischen Haus- und Familienbesuchen (bis 1956 sollen
es ca. 5000 gewesen sein), er
führte erstmals in Österreich
das A m t der Pfarrschwester
ein, brachte das Pfarrblatt
zur Blüte, engagierte sich in
der Armenhilfe und hielt Bibelstunden und -predigten.
Beim streng katholischen BauChargierte der katholischen Hochschulverbindungen beerntum
beliebt, konnte er so
gleiten den Sargwagen von Dr. Josef Weingartner während
des Begräbniszuges durch die Innsbrucker Innenstadt. auch Teile der Arbeiterschaft
mit der Kirche versöhnen
raner Straße, Bozner Platz, Wilhelmund fand als Intellektueller sogar Z u Greil-Straße, Burggraben und Renngang zum liberalen städtischen Bürweg zum Pfarrplatz begleitet.
gertum. Zu seinen Verdiensten gehört
Geboren wurde Josef Weingartner
die Anstellung des Komponisten Karl
1885 in Osttirol. Nach dem Besuch
K o c h (1887-1971) als Chorleiter,
des Kassianeums in Brixen tat er den
der am Dom seinen Aufstieg zu einem
Schritt „über"s Brüggele" ins Brixner
der führenden Kirchenmusiker erPriesterseminar. Neben dem Theolebte. Als geselliger Geist liebte der
logie- und Philosophiestudium in
Propst Musik, gutes Essen, Trinken,

20

reiste und wanderte gerne bis in die
entlegensten Täler auf der Suche
nach kunsthistorischen Kostbarkeiten.
A u f seiner Gitarre gab er selbst
erdachte Lieder zum Besten, veranstaltete Ausflüge und Faschingsfeste
für die Priester, bewirtete sie an den
Sonntagnachmittagen in seiner Propstei und war so eine der bekanntesten
Innsbrucker Persönlichkeiten.
In einer Zeit sozialer und historischer Spannungen erwies sich sein Engagement als nicht immer einfach. Sein
1926 gegründeter Verein „Jugendhilfe" scheiterte 1938 mit dem Plan, ein
internationales Studien- und Lehrlingsheim auf dem Gelände am Prügelbau zu errichten, an der Beschlagnahmung des Baugrundes. Seine Forderung nach einem eigenen Bischof für
Nordtirol, das nach der Landesteilung
nicht mehr zum Bistum Brixen gehörte, führten ihn bis vor Bundeskanzler
K u r t Schuschnigg. Dem 1938 ernannten, aber von den Nationalsozialisten nicht anerkannten Bischof
Paulus Rusch stand er in der Zeit des
NS-Regimes bei und begleitete ihn oft
zu Verhören.
Nach dem 2. Weltkrieg bemühte
sich Weingartner intensiv um die
Renovierung des schwer bombenbeschädigten Domes, war er doch auch
ein internationaler Fachmann für
Kunstgeschichte. Er machte sich als
Wissenschaftler und Schriftsteller einen Namen und gehörte 1920 zu den
Mitbegründern der Kulturzeitschrift
„ D e r Schiern". Z u seinen rund 50
Büchern sowie 160 Abhandlungen
zählen Novellen, Romane, Lebenserinnerungen und großartige Standardwerke zur Geschichte und Kunstgeschichte Süd- und Osttirols.
Der „Humanist im Priesterrock"
Dr. Josef Weingartner starb am I I.
Mai 1957 in Meran. Dem Ehrendokt o r der Universität und Ehrenbürger
der Stadt Innsbruck ist eine Gedenktafel im D o m zu St. Jakob gewidmet.

INNSBRUCK INFORMIERT - APRIL 2007