Innsbruck Informiert

Jg.2006

/ Nr.12

- S.44

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Die Gebärabteilung im Stadtspital
im 19. Jahrhundert
I n f o l g e d e r a u f g e k l ä r t e n B e v ö l k e r u n g s p o l i t i k des a u s g e h e n d e n
18. u n d 19. J a h r h u n d e r t s e n t s t a n d e n in v i e l e n S t ä d t e n E u r o p a s
G e b ä r h ä u s e r , so a u c h a u f d e m G e b i e t des h e u t i g e n Ö s t e r r e i c h s .
N e b e n W i e n , L i n z u n d G r a z w u r d e a u c h in I n n s b r u c k
ein solches Entbindungshaus e i n g e r i c h t e t .
„Die Gebärabtheilung dient armen,
ledigen,geschwächten Weibspersonen
zum Zufluchtorte, w o sie die letzte
Zeit ihrer Schwangerschaft zubringen,
niederkommen, und das Wochenbett
halten;zugleich dient sie als geburtshilf-

derkunft aufzusuchen. Das Stadtspital
glich zu Beginn des 19. Jahrhunderts
nämlich eher einem Versorgungsheim
für alte und arme Bürger als einem
Krankenhaus im heutigen Sinne und
wurde keineswegs als der ideale O r t
für eine Geburt wahrgenommen.
Durch räumliche Veränderungen um
1830 wurde schließlich die Unterbringung der Schwangeren und Wöchnerinnen im Stadtspital ermöglicht, wobei ihnen zwei Zimmer mit zehn Betten zur Verfügung standen. Eines dieser
Betten bezog am 21. Mai 1836 die ledige Taglöhnerstochter Kreszenz Waldl
aus Innsbruck. Gemäß den Statuten
der Anstalt, die eine Aufnahme in der

Aus dem Stadtarchiv/Stadtmuseum
von Marina Hilber
liehe klinische Anstalt für die angehenden Hebammen und Geburtshelfer",
beschrieb der ehemalige Spitalsverwalter Franz Xaver Honstetter den
Zweck einer solchen Anstalt.
W i e schon sein Vorgänger Joseph
Hinterberger, bemühte sich auch Jo-

Ansicht des alten Stadtspitals um 1850.
Stadtarchiv/Stadtmuseum

hann A m e re r. Professor für Geburtshilfe in Innsbruck.eine ständige Gebärabteilung im Stadtspital aufzubauen.
Dieses Vorhaben drohte jedoch nicht
nur an finanziellen Schwierigkeiten zu
scheitern, sondern auch an der Scheu
der Schwangeren, das Spital zur Nie-

20

Innsbruck, Sign. Ph-7320.

Regel erst ab dem 8. Schwangerschaftsmonat erlaubten, wurde Kreszenz
Waldl knapp eineinhalb Monate vor ihrer Niederkunftaufgcnommen.Am I I.
Juli 1836 schenkte sie einem Knaben
das Leben und verblieb für die Dauer
des Wochenbetts noch weitere zwan-

zig Tage in der Gebärabteilung.
Während ihres Aufenthaltes im Spital
war sie vermutlich Gegenstand etlicher Untersuchungen gewesen und
auch ihre G e b u r t wurde zu Lehrzwecken verwendet. Im Gegensatz zu
anderen, aus dem übrigen Tirol stammenden Schwangeren hatte die Taglöhnerstochter jedoch das Privileg, als
gebürtige arme Innsbruckerin dieVerpflegung und medizinischeVersorgung
unentgeltlich in Anspruch nehmen zu
können.
Nach relativ guten Belegzahlen in den
1830er Jahren, die jährlich bei rund 25
Spitalsgeburten lagen, verringerte sich
diese Zahl ab der Mitte der ! 840er Jahren drastisch, und so erblickten 1846
beispielsweise nur sechs Kinder in der
Gebärabteilung das Licht derWelt. G)b
dieser eklatante Rückgang auf die Angst
der Schwangeren vor einer möglichen
Krankheitsansteckung im Spital oder
vielmehr auf strengere Aufnahmerichtlinien zurückzuführen ist, konnte bisher
nicht geklärt werden. Es ist jedoch
wahrscheinlich, dass die meist mittellosen Schwangeren aus dem Tiroler
Raum lieber in die seit 1833 bestehende Landesgebär- und Findelanstalt nach
Trient reisten, wo sie nicht nur unentgeltlich versorgt, sondern auch ihre
Kinder im eigens eingerichteten Findelhaus abgeben konnten.
Diese Möglichkeit bestand in Innsbruck erst ab dem Jahre 1858, als man
die Gebärabteilung zu einer Filiale der
genannten Landesgebär- und Findelanstalt erhob. Diese Veränderung schlug
sich augenblicklich in einem rasanten
Anstieg der Geburten im Innsbrucker
Gebärhaus nieder! 1859 wurden bereits I I 2 Schwangere entbunden. Dieser Trend setzte sich fort, und im Zuge der 1869 erfolgten Wiedereinrichtung der Medizinischen Fakultät an der
Universität Innsbruck kam es zur vollständigen Übersiedelung der Landesgebär- und Findelanstalt in die Landeshauptstadt.

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