Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1935

/ Nr.9

- S.5

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Amtsblatt N r . 10.
andererseits der Bürgermeister verpflichtet ist, über
Verlangen eines Drittels des Gemeindetages eine Sitzung einzuberufen. Vollkommen neu ist, daß der Gemeindetag Zusammentreten muß, wenn es die Landesregierung verlangt. Der Grundsatz der Öffentlichkeit
der Sitzungen des Gemeindetages ist beibehalten, jedoch
kann die Öffentlichkeit durch ausdrücklichen Beschluß
des Gemeindetages ausgeschlossen werden. Die Vorschrift des alten Etatutes, daß Perfonalangelegenheiten
stets in nichtöffentlicher Sitzung zu behandeln find, besteht
nicht mehr. Dagegen wurden die Fälle, die stets in öffentlicher Sitzung zu behandeln waren, — es sind dies
die Erledigung der Iahresrechnung und des Voranschlages — dadurch vermehrt, daß nunmehr auch die
Zuerkennung von Entschädigungen an Gemeindetagsmitglieder für die Besorgung besonders übertragener
Dienstleistungen stets in öffentlicher Sitzung beraten
und beschlossen werden muß. Neu ist die Verpflichtung
des Vorsitzenden, darauf zu fehen, daß nur solche Angelegenheiten der Beratung und Beschlußfassung des Gemeindetages unterzogen werden, die in den eigenen
Wirkungskreis der Gemeinde fallen. Die Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises, in dem die
Gemeinde Angelegenheiten des Bundes und Landes
vollzieht, sind der Tätigkeit des Gemeindetages zur
Gänze entrückt. Sehr vereinfacht sind die Bestimmungen über die Beschlußfähigkeit des Gemeindetages. Der
Gemeindetag ist stets bei Anwesenheit von mehr als der
Hälfte seiner Mitglieder, also von mindestens 15 Mitgliedern, beschlußfähig. Zu einem gültigen Beschluß des
Gemeindetages bedarf es der Zustimmung von mehr als
der Hälfte der bei der Sitzung anwesenden Mitglieder.
Jedes anwesende Mitglied des Gemeindetages hat seine
Stimme abzugeben. Stimmenenthaltung ist demnach
ausgeschlossen. Der Stimme des Vorsitzenden wird erhöhtes Gewicht gegeben. Nach dem Statut vom Jahre
1921 war der Bürgermeister nur dann verpflichtet
seine Stimme abzugeben, wenn sich Stimmengleichheit
ergab. Heute hat der Vorsitzende immer mitzustimmen;
er gibt seine Stimme als letzter ab. Wird durch seine
Stimme Stimmengleichheit hergestellt, gilt das als beschlossen, wofür er gestimmt hat. Das Gemeindestatut
1921 enthielt eine Reihe von Fällen, zu deren Erledigung eine sogenannte qualifizierte Beschlußfähigkeit
und Beschlußfassung verlangt wurde. So war bei der
Wahl des Bürgermeisters und der Bürgermeisterstellvertreter die Anwesenheit von mindestens 30 Gemeinderäten verlangt. Bei der Einsetzung von Verwaltungsausschüssen, bei der Beschlußfassung über Vermögenserwerbungen und Veräußerungen bei einem
Werte von über 20.000 8, über die Erhöhung oder Neueinführung v o n . Gemeindezuschlägen und Gemeindeabgaben, über die Aufnahme von Darlehen und über
Verpfändungen usw. bei Werten von über 50.000 8, sowie über Anträge auf Aenderungen des Gemeindestatutes oder der Gemeindewahlordnung war zur
Gültigkeit des Beschlusses außer der "Anwesenheit
von 30 Gemeinderäten die Zustimmung von mindestens 21 Gemeinderäten notwendig. Das Stadtrecht
kennt eine qualifizierte Beschlußfassung nur mehr
im Falle der Wahl des Bürgermeisters und seines
Stellvertreters, zu deren Gültigkeit die Zustimmung
der Hälfte aller Mitglieder des Gemeindetages gefordert ist. Hinsichtlich der Niederschrift über die Verhandlungen des Gemeindetages ist eine Vereinfachung insoferne eingetreten, als sie weder der Überprüfung

durch Mitglieder des Gemeindetages noch der Geneh
migung durch den Gemeindetag bedarf. Die Niederschrift muß vom Bürgermeister und vom Schriftführer
unterzeichnet werden. Das Recht zur Einsichtnahme in
die Niederschriften über die öffentlichen Sitzungen steht
heute jedermann offen, der ein berechtigtes Interesse
glaubhaft machen kann, also auch Personen, die nicht
Gemeindemitglieder sind, während diejes Recht nach
dem Gemein.destatute 1921 nur Gemeindemitgliedern
zustand, diesen aber ohne den Nachweis eines berechtigten Interesses.
Eine Neuerung ist, daß an den Sitzungen des Gemeindetages Vertreter der Landesregierung mit beratender Stimme teilnehmen können.
Die Pflicht desBürgermeisters z u m V o l l guge der Beschlüsse u n d seine P f l i c h t
z u m Aufschub des V o l l z u g e s
Die Verpflichtung des Bürgermeisters Zum Vollzuge
der Beschlüsse des Gemeindetages ist im Stadtrechte
selbstverständlich ebenso festgelegt wie im Gemeindestatute 1921. Seine Verpflichtung, in Fällen, in denen
er glaubt, daß ein Gemeindetagsbeschluß ein bestehendes Gesetz verletzt oder den Wirkungskreis des Gemeindetages überschreitet oder den Interessen der Gemeinde zuwiderläuft, mit dem Vollzuge innezuhalten,
ist insoferne geändert, als er bei Gesetzesverletzungen sofort die Entscheidung der Aufsichtsbehörde darüber
einzuholen hat, ob der Beschluß vollzogen werden darf,
während er im Falle einer vermeintlichen Interessenverletzung die Aufsichtsbehörde erst nach erfolgloser
neuerlicher Beratung im Gemeindetage anrufen kann.
Der

Gemeinderat

B e z e i c h n u n g S t a d t r a t f ü r das e i n z e l n e
Mitglied,
Wahl, Tätigkeitsdauer,
Geschäftsordnungsbestimmungen,
Vollzug
der Beschlüsse, A u f f c h u b des V o l l z u g e s
Einschneidende Aenderungen zeigen sich bei dem dritten Organ der Gemeinde, dem Stadtrate, heute Gemeinderat genannt. Die Verfassung 1934 verlangt
eigentlich nur zwei Organe der Ortsgemeinde, den Gemeindetag und den Bürgermeister, räumt aber den
Landtagen das Recht ein, dem Bürgermeister einen Gemeinderat. bestehend aus fünf Mitgliedern, an die Seite
zu geben. Die Mitglieder dieses Gemeinderates werden
in den Städten Stadträte genannt, die Gesamtheit der
Stadträte heißt aber dennoch auch in den Städten Gemeinderat. Der Wirkungskreis der Stadträte ist durch
Landesgesetz zu bestimmen. Der Tiroler Landtag machte
von dieser Ermächtigung Gebrauch und schuf im Stadtrechte einen Gemeinderat, der den Charakter eines beschlußfassenden Kollegiums hat, dessen Mitglieder also
nicht einzeln zur Unterstützung des Bürgermeisters
etwa in der Form der amtsführenden Stadträte berufen find. Der Bürgermeister ist zwar Vorsitzender des
Gemeinderates und hat im Gemeinderate dieselbe
Stimmberechtigung wie im Gemeindetage, er zählt aber
nicht zu den Mitgliedern des Gemeinderates. Nach dem
Gemeindestatute 1921 bestand der Stadtrat, der damals
ebenfalls ein beschlußfassendes Kollegium war, aus dem
Bürgermeister, den Bürgermeister-Stellvertretern und