Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1935

/ Nr.8

- S.9

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Amtsblatt Nr. 9.

Keue Lehrplane für öie österreichischen Mittelschulen
(Auszug aus dem B. G. BI. Nr. 285 vom 11. Juli 1935, bzw. aus dem Min. Vdg. Vl. St. XIII vom 1. Juli 1935 u. Erläuterungen dazu.)
Die Grundlagen für die notwendig gewordene Reform des
österreichischen Mittelschulwesens find bereits in der Vdg.
der Bundesregierung vom 23. März 1934 (VGBl. Nr. 198,
M. Vdg. B l . Nr. 22) festgelegt. Die organisatorischen Aenderungen, die schon im Schuljahre 1934/35 in den untersten
Klassen der Mittelschulen begonnen haben, werden in den
folgenden Schuljahren stufenweise aufsteigend zur Durchführung gebracht werden.
Die vollständigen Lehrpläne für alle Mittelschultypen sind
im BGBl. für den Bundesstaat Österreich vom 11. Juli 1935,
78. Stück, Nr. 285, und im Min. Vdg. V l . Stück X I I I vom
1. Juli 1935 enthalten.

1. Allgemeiner Teil:
Dieser enthält die Richtlinien, die der Erziehung und Bildung der Mittelschuljugend nunmehr zugrundezulegen sind:
V e r m i t t l u n g einer höheren A l l g e m e i n b i l d u n g , die
sie zugleich zum Studium an den Hochschulen befähigt; Entwicklung der sittlichen, geistigen und körperlichen Kräfte
der Mittelschuljugend: Erziehung der jungen Menschen zu
sittlich-religiösem, vaterländischem und sozialv o l k s t r e u e m Fühlen, Denken und Handeln.

2. Vie Tehrpläne im Hesonöeren:
Das den neuen Mittelschulen gesteckte Ziel der Erziehung
zu sittlich-religiösem, vaterländischem und sozial-volkstreuem
Fühlen, Denken und Handeln wird besonders im Deutschu n t e r r i c h t e zu eindrucksvollem Erleben gebracht werden
können. Sowohl bei der Auswahl des Lehrstoffes, wie bei
seiner Behandlung wird daher der Unterricht auf die Verfolgung dieses Zieles bedacht sein. Den ersten Rang und den
breitesten Raum nimmt im modernen Unterricht unserer
neuen Mittelschultypen die Schulung im sprachlichen
Ausdruck ein. I n der Forderung nach richtigem und gewandtem Gebrauch der deutschen Muttersprache vereinigen
sich die Erfordernisse des praktischen Lebens mit den ideellen
Zielen volkstreuer Erziehung. Der richtige und gewandte
Gebrauch der Muttersprache soll das sicherste Zeichen des
wahrhaft Höhergebildeten und das stärkste Band der Volksgemeinschaft sein. I n diesem Zusammenhang gewinnt auch
die Beherrschung der Rechtschreibung ihre Bedeutung
für die Ausbildung in der Muttersprache. Den Forderungen
des praktischen Lebens entsprechend sollen gelegentlich auch
Anleitungen für den Schriftverkehr des wirtschaftlichen und
staatsbürgerlichen Lebens gegeben werden (Gesuche, Eingaben an Aemter, Meldungen u. dgl.). Darin liegt unzweifelhaft ein bedeutender Fortschritt unseres Bildungswesens.
Dem mathematischen Unterricht fällt eine Doppelaufgabe
zu, indem einerseits die Schulung des logischen Denkens in
Begriffsbildung, Urteilen und Schlüssen, andererseits die

Entfaltung der selbständig findenden Geistestätigkeit erstrebt
werden soll.
a) Der ersten Aufgabe tragen die Lehrpläne durch die
Iweistufigkeit Rechnung. Das wesentliche Merkmal der
ersten Stufe ist die Gewinnung eines Materials von arithmetischen und geometrischen Sätzen aus der Anschauung
und unter Verwendung anschaulicher Behelfe. Auf der zweiten Stufe foll dieses Material geordnet und erweitert werden, wobei das logische Element stärker in den Vordergrund
zu stellen ist, aber unter Verzicht auf einen streng wissenschaftlichen Aufbau.
d) Der Entfaltung der selbständig findenden Geistestätigkeit dient jede Aufgabe, bei deren Behandlung es auf die
geistige Selbständigkeit des Schülers ankommt.
I m Vordergrund des mathematischen Unterrichtes steht
von der ersten Klasse an das Erfassen f u n k t i o n a l e r Beziehungen bei allen Gelegenheiten bis zur Aneignung und
Verwendung des Funktionsbegriffes auf der Oberstufe.
Die A n w e n d u n g e n follen auf allen Stufen wirklichkeitsnahe sein. Man soll von dem Lebens- und Anschauungskreis der Schüler ausgehen und ihn allmählich durch Besprechung neuer Sachgebiete, die anderen Unterrichtsfächern oder
dem täglichen Leben angehören, erweitern.
Das Versicherungswesen, das im modernen sozialen
Leben der Gegenwart eine so wichtige Rolle spielt, ist von
nun ab in allen Mittelschultypen und in einer angemessenen
Form zu behandeln. Für den Unterricht kommt die Lebensund Rentenversicherung in Betracht.
Die vaterländische E r z i e h u n g soll in den Schülern
und Schülerinnen die Liebe Zu ihrem Vaterland Oesterreich
wecken und sie zur willigen und pflichtgetreuen Einordnung
in die staatliche Gemeinschaft und zur Achtung und Befolgung der Verfassung und der Gesetze führen.
Hiezu gehört auch die v o r m i l i t ä r i f c h e E r z i e h u n g ,
deren Aufgabe es ist, die männliche Jugend zur Wehrhaftigkeit zu erziehen und sie für die Verteidigung des Vaterlandes sittlich, geistig und körperlich vorzubereiten. Die vaterländische Erziehung soll den Mittelschüler auch dazu hinleiten, als künftiger Bürger die besonderen Aufgaben feines
Standes im Aufbau des Staates und feines Berufes im
Dienste der Gemeinschaft zu erfüllen und sich gegenüber seinen Mitbürgern in allen rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen von Gerechtigkeit und Billigkeit leiten zu lassen.
Die vormilitärische Ausbildung für Knaben erfolgt im
Rahmen des Turnunterrichtes und der Wandertage: Einzelausbildung und Ausbildung in der geschlossenen Form bis
zum Zug (einschließlich). Aufstellen der Schüler in der Kompagnie. — Bei Wanderungen und allenfalls beim Freiluftnachmittag sind die in der vormilitärischen Ausbildung erlernten Formen und Bewegungen für Geländeübungen und
Geländespiele anzuwenden und zu verwerten. Hiebei wird