Innsbruck Informiert

Jg.2002

/ Nr.7

- S.43

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JUGEND

Heimkinder: Ein Rückblick
mit „viel Dankbarkeit"
„ N i e m e h r w i e d e r " w o l l t e n sie als j u n g e M e n s c h e n z u r ü c k k o m m e n , als n u n m e h r E r w a c h s e n e k o m m e n sie g e r n e w i e d e r an d i e
S t ä t t e i h r e r J u g e n d z u r ü c k . B e s o n d e r s d a n n , w e n n es d a r u m g e h t ,
„ m i t Vorurteilen gegenüber H e i m k i n d e r n aufzuräumen", aber
nicht nur dann...
„ W i r hatten dank Unterstützung
der Stadt und der städtischen Kinderheime die Chance auf ein normales Leben, ebenso wie viele Kinder,
die nach uns kamen, und jene Kinder,
die heute in den Kinderheimen untergebracht sind", davon ist die 45jährige Maria Stramschak überzeugt
und auch davon,dass ehemalige Heimkinder am besten gegen falsche Vorurteile in der Öffentlichkeit auftreten
können. Spontan erklärten sich zahlreiche ehemalige Kolleginnen und
Kollegen bereit, anhand ihrer ganz
persönlichen Lebensgeschichte aufzuzeigen, dass die häufige Meinung,
„ein Heimkind kann nichts aus sich
machen", ein Fehlglaube ist.
Das Jugendamt (heute: A m t für Jugendwohlfahrt) entschied damals wie
heute, ob die Notwendigkeit besteht,
ein Kind in einem Jugendheim unterzubringen.Wobei inzwischen die standardmäßige Dauerunterbringung weitgehend von einer vorübergehenden
Betreuung abgelöst wurde (je nachdem, ob die familiär oft schwierige Situation mit begleitenden Hilfestellungen stabilisiert werden konnte).
Im Kinderheim Pechegarten wurden (werden) die Heimkinder auf ihr
späteres Leben intensiv vorbereitet.
„Man hat zu lernen gelernt.alle haben
einen Hauptschulabschluss", erzählt
Josef (42), der während seiner Lehrzeit zum Li nzel handeis kauf mann
„zum ersten Mal" einen 5er im Zeugnis hatte und sich in dieser Situation
wieder auf die Lernmethoden aus
dem Kinderheim besann. Die Ausbildung hat er danach erfolgreich abgeschlossen und ist seit nunmehr 27
Jahren im erlernten Beruf tätig. Josef
ist verheiratet und hat einen Sohn.

auch Glück dazu", bestätigt auch Rudi (46), dass sie in ihr späteres Leben
viel Eigenständigkeit mitgenommen
haben, unter dem M o t t o „Selbst aktiv
werden, nicht jammern". Der dreifache Familienvater weiß, dass „ein Kinderheim eine Familie nicht ersetzen
kann,aber wenn die Familie nicht funktioniert, ist das noch viel schlechter".
Maria, Josef, Gerhard, Gabriele und
Rudi stehen stellvertretend für viele

Auf ähnliche Erfahrungen blickt
Gerhard (39) zurück, der nach zwei
Jahren im Jugendheim Westendorf
(für mich war das wie „Alcatraz") mit
zehn Jahren ins Kinderheim Pechegarten kam, w o Lernerfolge anerkannt wurden: „Lernen können, hat mir auch in
der Berufsschule noch viel
geholfen,
ebenso
das
Durchhalten können und
aus dem Erfolg zu ernten."
Gerhard hat nach der
Kochlehre in renommierten Gastbetrieben gearbeitet, später selbst die Gastgewerbekonzession
erworben und vor wenigen
W o c h e n noch eine /_uZu- ^Q^ £ijsaDem fast (ah / /UgUSt Leiterin der städtischen
Satzqualifikation als Diät- Kinderheime Pechegarten und Mariahilf) und Marianne
koch erfolgreich abge- Federspiel, die die städtischen Kinderheime 30Jahre lang
(Foto: ß. Stingi)
schlössen. Seit 15 Jahren ist £ e e , e
er verheiratet und Vater einer Tochter. Zu seiner früheren Erzieherin,
„meiner zweiten Mutter", hält er immer noch Kontakt und ist überzeugt,
dass sie besonders großen Anteil daran hat, „was ich damals mitbekommen habe".
Für die selbständige Kauffrau Gabriele (47, ein Sohn) waren die Erzieherinnen teilweise „Respektspersonen", andere wiederum „mütterliche Tanten". Auch sie hat den
Kontakt zu den ehemaligen Betreuerinnen aufrecht erhalten. Die „geschwisterliche" Gemeinschaft itn
Heim nennt Gabriele als wichtigste
Erinnerung an ihre Hauptschulzeit
und ebenso die Erfahrung, „dass jeder
für sich selbst verantwortlich ist".
„Es ist gleich, wo jemand aufwächst,
er muss zur richtigen Zeit die richtige Entscheidung treffen, da gehört

I N N S B R U C K INFORMIERT -JULI 2002

WM

Kinder, denen das Kinderheim Pechegarten mit seinen Erzieherinnen ein
Zuhause war, das ihre Lebenschancen
erhöht hat und viele von ihnen möglicherweise vor der „schiefen Bahn"
bewahrt hat.Sie alle sind dankbar, dass
es diese städtische Einrichtung gab und
dankbar, dass sie ihre „Erzieherinnen
kennen gelernt haben". Die Investition der Stadt in die Zukunft junget
Menschen hat sich gelohnt.sie alle sind
lebende Beweise dafür.
Daher treten sie auch gemeinsam
gegen Verallgemeinerungen und Vorurteile an und sprechen der Ausrede
„Kinderheim-Kind" für Opfer undTäter jegliche Berechtigung ab. Im Interesse heutiger Kinderheimkinder
gilt die Bitte, „diesen die berechtigte
Chance auf ein normales Leben nicht
durch Ablehnung und Vorverurteilung zu verwehren". (BS)

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