Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1949

/ Nr.9

- S.2

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Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck

Nummer l>

Ein Jahrzehnt ^üdtiwler Umsiedler in Innsbruck
Zehn Jahre sind vergaugeu, seitdem T i r o l nud vor
allem unsere Landeshauptstadt mit dein Problem
„Uinsiedlung" zn schaffen hat. Wer kennt in diese»,
Lande nicht das Datum des 23. I n n i 1939, an wel
chem „ D i e Berliner Vereinbarung" zustande lam
nnd das deutschitalieuische Protokoll, das zur
"liechtsgrundlagc der „Umsiedlung S ü d t i r o l " werden
sollte, beschlossen wurde! I n der Tat wurden dann in
der Zeit von Ende November 1989 bis Sommer des
Jahres 1943 von den 240.0W Dentschsüdtirolern ein
Drittel nach Österreich und Deutschland umgesiedelt.
Tie folgenden Kriegsereignisse haben endlich die Um
siedlung zum Stehen gebracht.
>tein O r t und keine Stadt unseres Landes hat" das
Ereignis der Umsiedlung S n d t i r o l näher berührt als
nnsere Landeshauptstadt. Hier war der Sammelpunkt
aller Umsiedler sonne auch der Ansgangspuukt aller
jeuer, die in Innsbruck („nahe der Heimat") leinen
Platz fanden nnd daher außerhalb Innsbruck und
T i r o l eiuen Nnsiedlnngspnnkt anzunehmen oder zu
suchen gezwungen waren. Nnnd ^l).Wl) Südtiroler
sind im Znge der Umsiedlnng über den Brenner ge
kommen; kein anderer Weg stand damals für Umsied
ler offen, so daß ausnahmslos alle, zumindest für ein
Paar Wochen, in denen die Erledigung der Unified "
lungsmodalitätcn stattfanden, mit der Landeshanpt
stadt von T i r o l Bekanntschaft machen mußten.
Ein riesiger Apparat, znr Zeit der Hochblüte der
Umsiedlung in zehn Abteilungen gegliedert, diente
dafür, die i n Innsbruck eingetroffenen Südtiroler zn
erfassen (Hotel Viktoria, Südtiroler Platz) nnd in den
hiefür bestimmten zahlreichen Innsbrnckcr Gasthöfen
sowie i m Lager M ü h l a u provisorisch unterzubringen.
Das Servitenkloster war zur Gänze mit Ämtern und
Kanzleien gefüllt, die für die Einbürgernng, erste Betrennng, Arbeitseinsatz und endgültige Unterbrin
gnng zn sorgen hatten. Nebenbei waren noch viele
andere Dienststellen des Landes und der Stadt wie
anch M i l i t ä r nnd Polizeibehörden mit dem Umsiedlnngsbetrieb beschäftigt. I n großen Nänmcn und
Magazinen wnrden die täglich anrollenden Möbel
transporte untergebracht. Und doch stante sich biswei
len der Betrieb i n geradezu besorgniserregender
Weise, besonders im Frühjahr, Sommer nnd Herbst
des Jahres 1940, wo zeitweise die ankommenden
Umsiedler die Zahl 800 Pro Tag erreichten. M a n
sprach damals von der größten Völterwandernng, die
die Alpenländer jemals erlebten.
I n Innsbruck war damals ein wirres .Uommen
nnd Gehen zn beobachten. Dieser bedeutende Men
schennmsatz, der sich in der vom Kriege stark bean
sprnchten Landeshauptstadt kaum mehr kontrollieren
ließ, danerte — verständlicherweise nnter langsamem
Abflauen—- bis zur Einstellung der Umsiedlung im
Sommer 1943. Die weiteren kriegsereignisse nud
besonders die Besetzung Südtirols dnrch deutsche
Truppen im September jenes wahres ließen das

Hin nnd Nnckflnten der Südtiroler nach nnd dnrch
Innsbruck nicht znr Nnhe gelangen. Besonders
augenscheinlich zeigte sich dieser Zustand, als uach Be
endigung des zweiten Weltkrieges zahlreiche in alle
Welt vcrstrcnte Südtiroler als ^lüchtlinge in ihre
alte Heimat znrückdrängtcn.
Eine gewisse zahlenmäßige Stabilität der in I n n s ^
brnck ansässigen Südtiroler trat erst im ^eornar des
wahres l9 17 nut der amtlichen Erfassung ein, die im
Schulgebäude von St. Nikolaus vom Stadtmagistrat
durchgeführt wurde. Aus den Akten dieser Erfassnnqsattiou kann entnommen werden, daß sich in I n n s
brnck rnnd ^000 Umsiedler ans Südtirol befinden,
eine Zahl, die für den Zuwachs der Innsbrncker Be
völkernng nicht uubcdeutend nnd für das Anwachsen
Innsbrucks zur Großstadt ausschlaggebend ist. Es ist
dies aber auch die Höchstzahl der au ein nud dem
selben ^?rte ansässig gewordenen Südtiroler.
Die Unterbringung des Großteiles dieser .^opf",ahl
erfolgte dnrch die zn Beginn der Umsiedlnng errichte
ten gemeinnützigen Wohnnngs und Tiedlnngsgesell
schaft „Nene Heimat" im Verein mit der Landes
Hauptstadt. Erstere Einrichtung hat allein in I n n s
brnck (Pradl nnd Saggen) 144l) Wohnungen und eine
größere Anzahl Geschäftslokale durch Neubauten fertig
gestellt; natürlich haben in den für Südtiroler bestimmten Wohnungen auch wohnungsuchende I u n S brucker Familien in dringenden Fällen Wohnraum
gefnuden. Aber auch die städtische Gebäudeverwaltung,
die zur damaligen Zeit, hauptsächlich in Wilten,
Pradl nnd ^aggen in großzügiger Weise Wohubauten
aufführte, stellte iu Sonderfällen für Südtiroler Woh
nnugen znr Verfügnng. So erstanden damals im
Wetteifer anf Innsbrncker Boden Wohnhäuser,
Wohnblocks und ganze Ttraßenu"ige, wo knr; vorher
noch Felder nnd Wiesen grünten.
Innsbrncker nnd Südtiroler leben hente, nachdem
sie gemeinsam Bomben nnd Tod erfahren und erlva
gen gelernt haben, friedlich nnd in gntem Einverneh
men nebeneinander. Gemeinsam haben sie nach
>triegsschluß deu Schutt iu ihrer Stadt verränmt, ge
meinsam sorgeu sie nnn auch für das Verschwinden
der Nninen, die vereinzelt noch die Stadt verunstalten.
Wohl jeder größere Innsbrncker Betrieb zählt nnter
seinen Arbeitern, Angestellten oder Beamten einen
oder mehrere Umsiedler; besonders im Gewerbe sind
",al)lreiche Südliroler tätig.
Den Südtiroler Umsiedlern ist seit Verlassen ihrer
^tammheimat immer noch nicht die Nnhe des ^-rie
dens ",!iicil geworden. Ein Großteil Imi mil O"nd
lerniin l. Februar d. >,V für I t a l i e n rückoptierl; mit
Ausnahme weniger warten alle diese Menschen nn
geduldig anf Antworl und Erledigung ihrer Optionsgesuche. Der übrige ^eil hat das Bestreben, ehestens
in deu Besitz der österreichische»! Staatsbürgerschaft
",n gelangen.
Will). Eppacher.