Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1949

/ Nr.7

- S.2

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Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck

mußte Ihnen ans Herz greifen, wenn Sie "sahen, wie
dieses Bergvolk durch die m a t e r i e l l e n UnNväl
znngcn des 19. Jahrhunderts in sein^eit g e i s t i g e n
Wurzeln immer mehr bedroht wurde. Und so beschäf
tigten Sie sich, Herr Professor, in immer steigendem
Maße mit den Fragen bäuerlicher Gcistigkeit und
Wirtschaftsstruktur, mit deu inneren und äußere»
Lebensformen des bäuerlichen Menschen, mit den
Äußerungen der bäuerlichen Kultur; sie zu ergründen und zu begreifen, für ihr Verständnis und ihre
Erhaltung zu werben, wurde Inhalt eines langen
und unermüdlichen Forsch e rlcbens. Nechtsgeschicbte
und Wirtschaftsgeschichte, Volkskunde und Brauchtum
halfen in inniger Durchdringung znr Bildung dieses
Lebenswerkes zusammen. E i n e ausgeworfene Frage
ergab sich zwangsläufig aus der anderen, e i n e Antwort tauchte aus der anderen auf und so ist dieses I h r
Lebenswerk von unendlicher Vielfalt der Einzelfragen
und doch von seltener Geschlossenheit.
M i t der Doktorarbeit über den Bauerukrieg-Laudtag von 1525 begann es, mit einem zweibändigen
Werk nbcr das Tiroler Bergbanerntum, das noch
Heuer in Druck gelegt werden soll, hört es vorläufig
aus. Dazwischen liegen mehr als 40 Jahre erfolgreicher Lehrtätigkeit an dieser Hochschule, liegen fast
5t) Jahre rastloser Arbeit in den Archiven nnd noch
mehr Jahre, die der Erkundung nnd der Aufzeichnung
in den Tälern, und auf den Bergen, beim Volk der
Bauern selbst, gewidmet waren. Ob es sich um
rechtshistorische Untersuchungen in den Beiträgen znr
Geschichte der bäuerlichen Vrbleihe oder um das Almcndregal der Tiroler Landcssürsten handelt, ob die
politische Vergangenheit Tirols in den Quellen znr
Geschichte des Banernkrieges oder ob die kultnr- und
wirtschaftspolitische Geschichte über den Rückgang der
bäuerlichcu Siedlungen nnd die deutsche Siedlungsarbeit in Südtirol als Ziel der Forschung diente, immer wieder ist es nnr eine neue Äußerung der einen
und unwandelbaren Zuneigung zu den Menschen, die
unsere schmncken Dörfer, nnsere Almhütten nnd Wegkapellen erbauten, die unsere Wälder rodeten und
dcu Wiesen und Äckern mit unendlichem Schweiße
den kargen Ertrag zu entringen wußten.
Wenn ich die unendliche VicHcM Ihrer Studien
und Abhandlungen schildern soll, so brauche ich, uur
ein paar Titel zu nennen; sie reichen von den Formen
des Tiroler Bauernhauses zur Praxis der Flurnamensammlung, sie handeln von den Ansängen der
Banmwollindustrie in Tirol bis zn Abhandlungen
über Wallfahrtsorte und nber die Geschichte der Lederhose. Aber neben dieser Gelchrtenarbeit, die sich
mit der Vergangenheit befaßt, haben Sie, Herr Professor, auch zu zwei wichtigen Gegenwartsfragen die
geistigen Grundlagen klargestellt. Zu deu Fragen der
Landeseinhcit und der tirolischen Demokratie. Unermüdlich und in eindrinjgslichcr Weise haben Sie die
Laudeseinhcit bis in die letzten Wnrzöln in Arbeitsformen und WirM)aftssührung, in Hausbau und
Siedlung, in Sitte und Brauch, in Dasei usbedmgmi
gen und Schicksal, im Fühlen und Denken des Tiro
lcr Volkes zn beiden Seiten des Brenners, von Tal
zu Tal, von Dorf zu Dorf, vom Nebenland bis zu
den Wmhütten begründet. Ebenso haben Sie, Herr
Professor, ans den Weistlümern und Landesordmm

gen die bäuerliche Demokratie der Tiroler Berg"
gemeinde dargetan, sie in ihrer Sauberkeit uud ua>
lnrnaheu Einfachheit des Verstandes nnd des Herzens
auf der höhereu Ebene der alteu Landesrechte ^usam
inengefaßt und ihr in dem Buch „Von der Ehre und
Freiheit des Tiroler Bauernstandes" ein Denkmal ge
setzt, an dem nur Jüngeren verpflichtet sind weitermbaueu. Nie waren Sie Politiker, immer nur Lehrer,
aber gerade die Politik von heute kanu von Ihren
Forschungen lernen. Wenn ich die Summe Ihres
Lebenswerkes in politische Leitsätze zusammenfassen
will, so möchte ich dies in zwei Sätze prägen! Die
Freiheit ist nicht nur das Gegenteil von Kuechtschaft,
sondcru auch das Gegenteil von Zügellosigkeit. Die
Freiheit ist nicht nur ein kostbares, sondern auch ein
unteilbares Gut; sie bedeutet auch Freiheit des Andersgesinnten. Nnr in einer so verstandenen und behüteten Freiheit gedeiht auch die Demokratie. Wer so
wie Sie von den Traditionen demokratischen Lebens
überzeugt und von der Ehre uud Würde des Eiuzclmcnschen durchdrungen ist, kann nicht anders, als
voll Güte und Duldsamkeit gegenüber Eharakteren
der Gegenseite sein, aber auch voll entschiedener Ablehnung gegenüber dem Wankelmut der Gesinnung,
voll Ablehnung gegen trügerische änßere Formen und
gegen alle Anbetung von falschen Göttern.
Altgriechische Weisheit sagt, daß niemand vor sei^
nein Tode glücklich zu preisen sei und ani Eingang
dieses Hauses ist unter den Symbolen der Wissenschaft neben der Eule auch eiue Schnecke dargestellt;
die Schnecke, die uns versiunbildlicht, wie langsam
nnd unmerklich geistige Ideen Fuß zu fassen und
Namn zu gewinnen vermögen. Trotzdem war cS
Ihnen, Herr Professor, iu Ihrem "langen Leben gegönnt, auch schon den Samen aufsprießen zu sehen,
den Sie in lebenslanger Wirksamkeit gesät. Wenn es
heute schon Allgemeingut geworden ist, daß das Landschastsbild nicht mehr durch häßliche Bauten vernnstaltet werden darf wie ja noch vor 5l) Jahren, wenn
das Wohlgefallen an heimischen Trachten und an
bäuerlichen Stilformen sogar bei den Städtern weitum an die Stelle der Neueruugssucht getreten ist, so
ist dies alles ein wenn auch winziger Teil der Früchte
Ihrer Lehr- und Forfchcrtätigkeit.
Wir habeu als Schauplatz dieser Ehrung die Aula
der Universität gewählt, weil diese hohe SclMe die
Wcrkstätte für Ihre Arbeit war und ist. (3s freut mich
besonders, daß ich hiedurch auch die Verbundenheit
der Landeshauptstadt mit dieser Universität nicht nur
in Worten, sondern in der Tat bezeugen kann. Von
der Auszeichnung an den Gefeierten fallen, die Strahlen auch ans die Schule, der der Gefeierte augehört.
Wenn ich Ihnen, sehr geehrter Herr Professor, im
Namen Ihrer Gcbnrtsstadt den Ghrcnring an den
Finger stecke, dann verbinde ich damit auch die wärmsten Wünsche des Gemeinderates, aller Innsbrucker
Mitbürger mid nicht zuletzt auch meine eigenen für
Ihren Lebensabend. Möge c"r von l^esuudhcit gesegin"i scin und noch recht lange daurvn, möge der milde
^>lanz dieses goldenen Ninges noch lange an Ihrem
Fiuger strahleu, möge es Ihnen ;n Nich und From
men von Ttadt und Land und m ^hrer Freude ge
gönnt sein, die Früchte Ihres Schaffens voll und
ga>!> ",n ernten.