Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1935

/ Nr.6

- S.2

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Amtsblatt Nr. 7
9. Es mußten an Bedürftige Volksküchenspeisemarken
im Werte von 66.550.— 8 verteilt werden.
10. I n der städtischen Herberge wurde durchschnittlich
täglich 65 Männern, 45 Frauen und 5 Kindern Unterkunft, Frühstück und Nachtmahl gewährt, was einen
Vervflegskostenaufwand von 14.798.— 8 erforderlich
machte.
d) J u g e n d a m t :
Mit 1. Mai 1935 führte das Amt 1455 Vormundschaften, 125 besondere Sachwaltungen sowie 11 Kuratelen
und beaufsichtigte 1990 Kinder im Sinne der Ziehkinderordnung.
I n den städtischen Kindergärten und Horten werden
über 900 Kinder betreut; 4931 Kinder werden an den
Volks-, Haupt- und Hilfsschulen im Schulpfleae- und
schulärztlichen Dienste erfaßt. Rund 250 der bedürftigsten Kinder erhalten während der Dauer des Schuljahres an drei Ausgabestellen unentgeltliches Mittagessen
verabreicht.
I m Laufe des Jahres 1934 wurden durch die Fürsorgerinnen und Fürsorger des Amtes an 1964 Kinder
von 1190 Parteien Sachspenden jeglicher Art, hauptsächlich Kleider, Wäsche, Schuhe und Strümpfe, ausgegeben,
davon allein um die Weihnachtszeit an 822 Kinder von
465 Parteien.
Die Geldgebarung des Jugendamtes weist in 13.300
Einzelposten von Unterhaltsbeiträgen für seine Schützlinge im Jahre 1934 einen Gesamtumsatz von 425.569.68
Schilling aus.
Daß seitens des Jugendamtes die Arbeiten für das
Ferienhilfswerk der Vaterländischen Front für das
Stadtgebiet geleistet, die Aufgaben der Jugendgerichtshilfe erfüllt und die Interessen seiner Mündel und sonstigen Schutzbefohlenen in einer Unzahl von Fällen vor
Gericht und anderen Behörden vertreten werden mußten, sei nur nebenbei erwähnt.
0) W i n t e r h i l f s w e r k :
Hier fei aus dem Berichte des vergangenen Jahres,
der seinerzeit schon veröffentlicht worden ist, nur wiederholt, daß die Etadtgemeinde mit einem Kostenbeitrage
von 117.860.31 8 die Hauptlast getragen hat und daß
es dadurch ermöglicht wurde, 4337 in Innsbruck wohnhaften Parteien mit 8901 Personen die Not der Winterszeit zu lindern.
Die Verschärfung der Wirtschaftslage, die die letzten
Jahre unserer Heimat Tirol und damit im besonderen
Maße ihrem Herzen, der Landeshauptstadt, gebracht haben, läßt auf dem Gebiete der Fürsorge keine dem Verhältnisse des Einnahmenschwundes entsprechende Einsparungen zu. Nur schwer gelingt es der Stadt, die bisherigen Leistungen aufrecht zu erhalten. Unumgänglich
notwendige Aufgaben und zwangsläufig erwachsende
Zahlungsverpflichtungen, wie die von Krankenanstaltskosten usw., haben es allerdings mit sich gebracht, daß
Wünschenswertes aufgegeben werden mußte: aber im
wesentlichen hat die Führung der Gemeinde bis heute
dafür Sorge getragen, daß das in Jahren aufgebaute
Fürsorgewerk erhalten geblieben und nicht, wie vielfach
anderorten, entgegen den Erfordernissen verstümmelt
worden ist. Da die Geldnot der Stadt eine Mehrleistung verbietet, die den bisher scheinbar unaufhaltsam
wachsenden Ansprüchen an die Fürsorge gerecht werden
könnte, ergibt sich allerdings die für alle Hilfsbedürftig
gen harte Notwendigkeit, mit den gegebenen Mitteln
die Not stets weiterer Kreise zu bekämpfen und die
Leistungen für den einzelnen zu mindern. Die Fälle, in
denen durchgreifende Hilfe gebracht werden kann, wer-

den im Verhältnis immer weniger. Es können oft nur
Löcher notdürftigst gestopft und Almosen gegeben werden, die an des Uebels Kern nicht zu rühren vermögen.
I n diesem Zusammenhange muß aber auch zweier
Umstände Erwähnung getan werden, die geeignet erscheinen, die für die Fürforgearbeit der Gemeinden Verantwortlichen mit steigender Sorge zu erfüllen, die aber
schließlich auch die Beachtung aller Bürger verdienen.
Der erste ist die im Zuge der Reform der Sozialversicherung und insbesondere auch der der Arbeitslosenversicherung gelegene Herabsetzung der Leistungen der
verschiedenen Institute und die Erschwerung der Erlangung des Anspruches auf Leistungen. Den Anstalten und
dem zum Zuschuß verpflichteten Staatshaushalte mögen diese Reformen ja Erleichterung bringen, für die
Gemeinden aber stellen sie eine Quelle neuer und fühlbarer Belastungen ihres Fürsorgehaushaltes dar. denn
der Empfänger einer gekürzten Rente, der Arbeitslose,
der keine Arbeitslosenunterstützung erhält, weil er die
für den Anspruch nunmehr erhöhte Anzahl von Arbeitswochen nicht erreicht, sowie der zufolge der Verschärfung
der Bestimmungen nun Ausgesteuerte, alle wenden sich
an die Gemeinde um Hilfe, die diese — mit der Armenuersorgungspflicht belastet — gewähren muß. Die Verpflichtung wird auf andere Schultern gewälzt, die Gesamtwirtschaft bleibt im wesentlichen gleich belastet und
der einzelne, der früher seinen Bezug auf Grund wohlerworbener Rechte erhielt, wird Almosenempfänger.
Der Zweite Umstand, der nicht nur vom Standpunkt
des Armenfonds der Gemeinden aus, obwohl er sie in
erster Linie berührt, sondern auch im gesamtstaatlichen
Interesse größte Aufmerksamkeit verdienen würde, ist
die ungehemmte Vermehrung der Verantwortungslosen,
und zwar in erster Linie der Unverheirateten, aber auch
der Verheirateten. Oesterreich zählt unter allen sogenannten Kulturländern die höchste Anzahl von unehelichen Geburten, und zwar sind durchschnittlich 27 von
100 der im Laufe der letzten Jahre Geborenen unehelich
gewesen. Der Hinweis darauf, daß es im Lande der
nächsthöchsten Unehelichenzahl, in Schweden, nur 15 von
Hundert sind, dürfte alles sagen. Der Großteil dieser
unehelich Geborenen ist schon vom Zeitpunkte der Geburt an öffentlicher Fürsorge bedürftig und muß zum
Teile oder auch ganz von der Gemeinde erhalten werden. Wir stehen auf dem Standpunkte, daß die gesunde Familie die Keimzelle des Staates zu bilden hat.
Wie soll aber das Gefühl für Familienleben wacherhalten bleiben, wenn mehr als ein Viertel der künftigen
Bevölkerung gewissermaßen außerhalb der Familie geboren und erzogen wurde?
Nicht viel besser steht es auch um die leider allzu vielen durch die Dauerarbeitslosigkeit und sonstige Ursachen abgeglittenen und heute sozial und vielfach moralisch tiefstehenden Familien, deren Kopfzahl sich mit
kalendermäßiger Sicherheit erhöht, die nie in die Lage
kommen können, ihre Unterhaltsbedürfnisse aus eigenem nur annähernd zu befriedigen und von der Gemeinde — in dürren Worten wiedergegeben — verlangen, daß diese von den Hebammenkosten angefangen,
über den Erziehungsbeitrag, die dauernde Unterstützung
nebst Spitals- und Arztkosten hinweg bis zur Bestattung die Auslagen trägt. Der Kreis dieser alles eher
als gesunden Familien ist weit arößer als der Außenstehende meint, er birgt dieselbe Gefahr, wie das Unehelichen-Problem. nicht nur für die Gemeindefinanzen,
sondern noch vielmehr für den sittlichen Bestand unseres
Volkes und unseres Vaterlandes.