Innsbruck Informiert

Jg.1997

/ Nr.10

- S.42

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INNSBR

Zur neuesten Geschichte
Innsbrucks von 1180 bis 1239
In der „Tiroler Heimat" (Bd.
61 /1997, S. 35-75) behandelt Thomas
Ertl die „Geschichte Innsbrucks von
1180 bis 1 239, dargestellt anhand der
überlieferten Urkunden", ein Thema also, welches die ersten Jahrzehnte der
zweiten Phase unserer Stadtgeschichte betrifft. - Die Gründung des
Maiktes links des Inn wird von ihm
nicht thematisiert. Für ihn bildet der
Tauschvertrag von 1180 den „Beginn
der Geschichte des neuen Marktortes
Innsbruck".
Methodisch läßt sich diese Arbeit in
zwei Teile gliedern, einerseits in die
Untersuchung der Echtheit der betreffenden Urkunden und andererseits in
die Interpretation einschlägiger historischer Quellen. In seiner Echtheitskritik stellt er unter anderem fest, daß die
Urkunde Herzog Berchtolds IV., welche die vom Kloster Wüten erbetene
Erneuerung des oberwähnten Tauschvertrages seines gleichnamigen Vaters
mit dem Stifte von 1180 enthält und
nach dem Tode seines Vaters,
Berchtolds III. (gest. 1188), ausgestellt
wurde, „im Original erhalten ist" (S. 42
f.). Dasselbe bestätigt Ertl auch hinsichtlich der zeitlich nächstfolgenden
Erneuerung und Bestätigung dieses
Tauschvertrages von 1180, welche
ebenfalls über Bitten des Klosters
durch Herzog Ludwig I. von Bayern im
Jahre 1210 ausgestellt worden ist:
Auch diese „Urkunde ist im Original
erhalten" (S. 43-47). Sie befindet sich
ebenso wie die vorgenannte Bestätigungsurkunde im Stiftsarchiv Wüten. Bekanntlich kommt dem Tauschvertrag von 1180 für die Innsbrucker
Stadtgeschichte erhebliche Bedeutung zu, zumal er als Gründungsurkunde unserer Altstadt rechts des Inn
anzusehen ist und daher die historische Grundlage des Stadtjubiläums
1980 gebildet hat. Die beiden vom Stift
erbetenen Bestätigungen des Tauschvertrages von 1180 durch den jeweils
nachfolgenden Herren der Grafschaft
im Inn- und Eisacktal weisen auch für
Ertl darauf hin, daß sich „das Stift von

der aufstrebenden Siedlung (= Innsbruck) in die Defensive gedrängt" gefühlt habe und sich daher durch die Erneuerung dieser Tauschurkunde seine
darin ausgesprochenen Rechte für
künftige Zeiten absichern wollte
Von Stadtarchivdirektor
Univ.-Doz. Dr. Franz-Heinz Hye
(S. 47). Entgegen diesen beiden echten Vertrags-Bestätigungsurkunden
bezeichnet Ertl die ebenfalls vom Kloster Wüten erwirkte
Urkunde
Berchtolds IV. von 1187 bezüglich
Streitigkeiten des Stiftes mit den Innsbrucker Marktbürgern („forenses") wegen angemaßter Weiderechte im stiftischen Saggen, welche bisher in ihrer
Echtheit nicht angezweifelt wurde, formal als „unecht" bzw. als „Fälschung"
(S. 49-53), obwohl das Kloster - worauf Ertl nicht eingeht - nachweisbar
noch bis 1453 die Grundherrschaft
über den Saggen innehatte.
An der Echtheit der Stadtrechtsbestätigungsurkunde von 1239 (Original
im Stadtarchiv) wird in dieser Studie
zwar nicht gezweifelt, dieselbe jedoch
nicht als Bestätigung des Stadtrechts,
sondern als „Stadtrechtsprivileg" bezeichnet, welches „der civitas Innsbruck 1239 von Herzog Otto VIII. verliehen wurde" (S. 54).- Mit dieser Feststellung geht Ertl von der Echtheitskritik zur Interpretation über, wobei man
ihm nicht beipflichten kann, wenn er
dazu schreibt, daß Herzog Otto hiemit
„seiner Stadt das Recht verleiht, das
von seinen ,proavi" überliefert worden
ist", ohne daß dafür „eine schriftliche
Rechtssatzung vor 1239" vorgelegen
sei. Vielmehr sei vor 1239 „das Zusammenleben der Gemeinde und ihr
Verhältnis zum Stadtherren (nur) durch
mündliche Vereinbarungen geregelt"
gewesen (S. 57).
Diese Darstellung entspricht keineswegs den Tatsachen, zumal Otto in
der Einleitung dieser Urkunde deutlich
zum Ausdruck bringt, daß er hiemit seiner Stadt Innsbruck und allen in ihr le-

benden Bürgern („civitati nostre Insbruke et universis civibus in ea manentibus") das im folgenden Urkundentext niedergeschriebene Recht,
welches sich erbrechtlich von seinen
Großvätern herleitet („ius subscriptum,
a proavis nostris iure hereditario ad
tempora nostra deduetum") zu ewigem
Fortbestand („tenore perpetuo") überträgt. Würde es sich bei der Urkunde
von 1239, wie Ertl meint, nur um „ein
Weistum (handeln), das bisher geltendes Gewohnheitsrecht kodifizierte"
(S. 54), dann hätte Otto nicht auf die
Urheberschaft seiner Großväter hinsichtlich dieser Rechte hinweisen können. Vor allem aber lassen sich zwar
lokale Weiderechte u.a. gewohnheitsrechtlich durch die Bürgergemeinde
ordnen, die hier aber vor allem bestätigten Bestimmungen des Niederlagsrechtes in der ganzen Grafschaft
zwischen Melach, Ziller und dem Thinnebach, des Zollrechtes in Klausen
und Bozen sowie des von der jungen
Stadt spätestens schon 1230 praktizierten Münzrechts, welch" letztere bekanntlich zu den Regalien zählten, setzen ganz konkrete Privilegien voraus,
welche - wie bereits an anderer Stelle
ausgeführt - in der Bestätigungsurkunde von 1239 zu einem Diplom zusammengefaßt und erneuert bzw. von
Ottos Urgroß- und Großvater
Berchtold III. (gest. 1188) und
Berchtold IV. (gest. 1204) erstverliehen worden sind. Der angeblich „regellosen Verwendung" (Ertl, S. 49) der
Begriffe forum, burgum, civitas und castrum für Innsbruck durch Kaiser und
Reichsfürsten - die deren Bedeutung
sehr wohl wußten - seit 1180 bzw. seit
1205 lagen somit reale verfassungsrechtliche Privilegien und nicht ungeschriebenes, lokales Gewohnheitsrecht zugrunde. Diese mit viel Selbstbewußtsein vou]ele(jte Arbeit eines
Junghistorikers verrät somit sowohl im
Umgang mit Fragen der Rechtsgeschichte als auch hinsichtlich der jüngeren Stadtgeschichtsforsohuncj noch
ein erhebliches Defizit.

INNSBRUCK INI ORMII-RT- OKTOBER