Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1971

/ Nr.1

- S.2

Suchen und Blättern in knapp 900 Ausgaben und 25.000 Seiten.





vorhergehende ||| nächste Seite im Heft

Zur letzten Suche
Diese Ausgabe – 1971_Amtsblatt_01
Ausgaben dieses Jahres – 1971
Jahresauswahl aller Ausgaben

Dieses Bild anzeigen/herunterladen
Gesamter Text dieser Seite:
Minderjährigen unter 16 Jahren in
fremde Pflege zu bewilligen und
laufend die Lebensverhältnisse des
Pflegekindes bei der in Anspruch
genommenen
Pflegefamilie
zu
überwachen. Über Ansuchen der
Erziehungsberechtigten oder auch
von Amts wegen mit Einverständnis
der
Erziehungsberechtigten
kann einem Jugendlichen unter 18
Jahren, dem es an der nötigen Erziehung fehlt bzw. der Erziehungsschwierigkeiten
bereitet,
Erziehungshilfe gewährt werden. Bei
Vorliegen eines bestimmten Erziehungsnotstandes, wenn zum Beispiel Eltern oder andere Personen,
denen das Erziehungsrecht anvertraut ist, die Obsorge für das Kind
gröblich vernachlässigen oder wenn
deren aufgewendete Sorge für das
Kind unzulänglich ist oder das
Wohl des Kindes gefährdet erscheint, muß im Interesse des Jugendlichen auch gegen den Willen
der Erziehungsberechtigten eine
durch das Vormundschaftsgericht
angeordnete Erziehungsmaßnahme
bzw. Erziehungshilfe vorgenommen
werden. Eine Erziehungsaufsicht
kann vom Vormundschafts- oder
Strafgericht auf Antrag oder von
Amts wegen angeordnet werden,
wenn dies zur Beseitigung körperlicher, geistiger, seelischer oder sittlicher Verwahrlosung eines Minderjährigen notwendig geworden ist.
Sie umfaßt alle Maßnahmen, die es
dem Minderjährigen trotz Belassung in seiner bisherigen Umgebung ermöglichen, aus seiner Verwahrlosung
hinauszufinden. Bei
einem erheblichen Erziehungsnotstand schließlich wird der junge
Mensch im Rahmen der gesetzlich
vorgesehenen und vom Gericht
angeordneten
Fürsorgeerziehung
aus seiner bisherigen Umgebung
herausgenommen und in einer geeigneten Familie oder in einem
Fürsorgeerziehungsheim
untergebracht.
Mit Beginn des Jahres 1970 standen 2057 Pflegekinder in Pflegeaufsicht des Amtes, 260 von ihnen
befanden sich in fremder Pflege.
In
gerichtlicher
Erziehungshilfe
standen zum gleichen Zeitpunkt 82
Jugendliche, im Jahre 1969 wurden
nach vorangegangenen umfangreichen Erhebungen 21 Adoptionen
von Kindern vermittelt. Im selben
Jahr wurden vom Jugendamt bei
103 Gerichtsverhandlungen in Vaterschafts- und Unterhaltssachen
die Interessen und Rechte von
2

Amtsmündeln
wahrgenommen.
9 Vaterschaftsprozesse wurden im
Ausland angestrengt. 93 Jugendliche wurden in Jugendstrafsachen
verteidigt, in 110 Strafverfahren
nach dem Unterhaltsgesetz wurden
die Interessen
unterhaltsberechtigter Minderjähriger wahrgenommen. Zu Beginn des Jahres 1970
hatte das Amt 2868 Amtsvormundschaften zu führen. Eine besonders schwierige Aufgabe ist dem
Jugendamt dadurch gestellt, daß
es bei allen geschiedenen Ehen im
Bereich Innsbruck-Stadt im Falle
mangelnder Einigung zwischen den
getrennten Elternteilen die Frage
zu prüfen und dem Gericht einen
Vorschlag zu unterbreiten hat, weichem Elternteil das Erziehungsiecht über das aus dieser zerbrochenen Ehe stammende Kind zuerkannt werden kann und in welcher
Weise unter Bedachtnahme auf das
Wohl des Kindes das Besuchsrecht der Eltern zu gestalten ist.
Die Wahrnehmung dieser Aufgabe
erfordert in jedem einzelnen Fall
umfangreiche
Erhebungen
und
Überlegungen. Im Jahre 1970 wurden bis Oktober 606 Stellungnahmen und Berichte vom Jugendamt in dieser Angelegenheit ausgearbeitet.
Aus einer aufmerksamen Betrachtung der vorgelegten Zahlen ergibt sich, wie sich die Schwerpunkte in der öffentlichen Wohlfahrtspflege verlagert haben: Der
Kreis der mit Beihilfen und Unterstützungen bedachten Personen ist
beträchtlich kleiner geworden, die
Zahl der zu betreuenden betagten
Mitbürger, der körperlich
oder
geistig Behinderten, der Pflegekinder erhöht sich zunehmend. Die
Jugendkriminalität nimmt zu und
die Gefährdung durch Suchtgift
wirft neue Probleme auf. Einige zusätzliche Zahlen können diese Tendenz verdeutlichen: Wurden im
Jahr 1950 einmalige Beihilfen im
Rahmen der offenen Fürsorge noch
an 5625 Personen, im Jahr 1960
immerhin an 2783 Personen gewährt, so waren es im Jahr 1969
nur noch 732 Personen. Laufende
monatliche Unterstützungen gingen
im Jahr 1950 an 977, im Jahr 1960
an 473 und im Jahr 1969 an 331
Personen. Als Ursache dieser gewiß erfreulichen Entwicklung dürfen vor allem die immer umfassenderen Auswirkungen der Sozialgesetzgebung in Form der Krankenversicherung,
Arbeitslosenunter-

stützung, der Renten usw. bezeichnet werden. Auch hier fällt jedoch
der öffentlichen Wohlfahrtspflege
noch eine besondere Aufgabe zu,
und zwar dann, wenn es gilt, die
für den davon Betroffenen oft notvolle Zwischenzeit zu überbrücken,
die von der Antragstellung auf
eine Leistung nach der Sozialgesetzgebung bis zu ihrer Gewährung verstreicht.
Darüberhinaus
gibt es trotz allem noch Schicksalsfäile des Lebens, die eine auch
noch so gute Sozialgesetzgebung
nicht erfassen kann und wo es gilt,
rasch einzuspringen oder einen
neuen Anfang zu ermöglichen.
Im Gegensatz zu dieser rückläufigen Entwicklung stehen beispielsweise die Zahlen über die Unterstützungen für Kinder in fremden
Kinderheimen: Von 195 Kindern im
Jahr 1950 führt die Kurve über
177 Kinder des Jahres 1960 zu
225 Kindern im Jahre 1969 nach
oben. In der Behindertenhilfe wurden
von
der
Stadtgemeinde
S
132.000.im
Jahr
1966,
S 260.000.- im Jahr 1967,400.000.Schilling im Jahr 1968, aber bereits
S 700.000.- im Jahr 1970 aufgebracht. In der Jugendkriminalität
war das Amt im Jahr 1961 mit 363,
im Jahr 1970 (allein bis Oktober)
mit 905 Fällen befaßt. Erziehungshilfe wurde im Jahr 1961 in 32, im
Jahr 1970 bis Ende Oktober in 92
Fällen gewährt. In ständigem Steigen begriffen ist auch die Zahl der
Jugendlichen, die in Fürsorgeerziehung stehen. Wegen Suchtgiftgefährdung mußte sich das Jugendamt im Jahr 1969 mit 6 Jugendlichen, im Jahr 1970 (bis Oktober)
mit 9 Jugendlichen befassen. Eine
wachsende Nachfrage seitens betagter Mitbürger ist für das Innsbrucker Wohnheim in der Dürerstraße zu verzeichnen und auch das
städtische Pflegeheim kann den
Anforderungen
nicht mehr voll
Rechnung tragen.
Die Ursachen dafür, daß sich die
öffentliche Wohlfahrtspflege in zunehmendem Maße den Jugendlichen, den Behinderten und den beAMTSBLATT
DER
LANDESHAUPTSTADT
I N N S B R U C K . Eigentümer, Herausgeber und
V e r l e g e r : Die Stadtgemeinde
Innsbruck —
Für V e r l a g und Inhalt verantwortlich: Redakteur Paul G r u b e r , Innsbruck, Rathaus, T e l e fon 26 7 71. — Das Amtsblatt erscheint monatlich und ist ab 5. jeden Monats erhältlich beim Rathaus-Portier und im Städtischen
Verkehrsamt,
Burggraben
3.
Einzelpreis
S 3.—, J a h r e s a b o n n e m e n t S 30.—. (Bestellungen werden im Rathaus-Pressereferat entgegengenommen.) N a c h d r u c k nur mit G e n e h migung.
Herstellung
Buchdruckerei
Frohnweiler, Innsbruck.